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München: Samstagsbrief: Nehmen Sie nach dem Messerattentat in Aschaffenburg die Wut der Menschen ernst, Frau Faeser!

München

Samstagsbrief: Nehmen Sie nach dem Messerattentat in Aschaffenburg die Wut der Menschen ernst, Frau Faeser!

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    Nicht nur Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nach dem Messerattentat von Aschaffenburg die Schuld für die schreckliche Tat zuerst bei anderen gesucht.
    Nicht nur Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nach dem Messerattentat von Aschaffenburg die Schuld für die schreckliche Tat zuerst bei anderen gesucht. Foto: Hannes P. Albert, dpa

    Sehr geehrte Frau Faeser,

    nach dem schrecklichen Messerattentat in Aschaffenburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt, er sei "es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen". Da hat der Kanzler etwas gemeinsam mit der Bevölkerung, bei der sich zu der Trauer um die Opfer und dem tiefen Mitgefühl mit Angehörigen und Zeugen dieser sinnlosen Bluttat längst auch eine verständliche Wut breit gemacht hat.

    Eine Wut, die sich daraus speist, dass sich von dem Messerattentat im Juni 2021 in Würzburg über die jüngeren Fälle in Mannheim, Solingen und Magdeburg bis jetzt nach Aschaffenburg immer wieder die gleichen berechtigten Fragen an die Politik aufdrängen: Wie konnte das passieren? Warum schon wieder?

    Ich schreibe Ihnen nicht, sehr geehrte Frau Faeser, um die politische Verantwortung dafür alleine bei Ihnen abzuladen. Wer sich zuletzt durch die Nachrichtenprogramme zappte, der konnte – auch von Ihnen – schon genug Schuldzuweisungen zwischen München und Berlin sehen, die den Ärger vieler Menschen nur noch vergrößern dürften.

    Statt billig mit dem Finger auf andere zu zeigen, wäre jede politische Ebene gut beraten, mögliche Fehler oder Versäumnisse zuerst in der eigenen Verantwortung schonungslos aufzuarbeiten. 

    Jenseits billiger Schuldzuweisungen offenbart Aschaffenburg ein grundlegendes Problem

    Darüber hinaus offenbart der Fall Aschaffenburg jedoch vor allem ein grundlegendes Problem, das nur gemeinsam gelöst werden kann: Eine Überlastung der staatlichen Institutionen durch die anhaltend große Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen.

    Integration kann nur gelingen, wenn dem Einzelnen auch Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Die große Mehrzahl der Migranten will hier ein friedliches Leben führen. Diese Menschen müssen aber auch die Chance dazu haben. Und diejenigen, die kein Bleiberecht bekommen können, gar Straftaten begehen, die müssen das Land schnell wieder verlassen - notfalls auch mit Druck durch Abschiebearrest.

    Aus langer Perspektivlosigkeit kann gefährliche Gewalt erwachsen

    Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, dass Personen, die unsere Solidarität missbrauchen, indem sie andere Menschen bedrohen oder verletzen, randalieren oder Polizisten attackieren, trotzdem oft monate- oder gar jahrelang weiter auf Kosten der Allgemeinheit hier leben dürfen.

    Bei dem mutmaßlichen Täter von Aschaffenburg lagen zwischen dem gescheiterten Abschiebeversuch und dem Messerattentat trotz mehrerer Straftaten und Auffälligkeiten eineinhalb Jahre ohne klare staatliche Ansage. Kein Einzelfall. Doch aus langer Perspektivlosigkeit kann gefährliche Gewalt erwachsen - die auch mit noch mehr Überwachung offenbar nicht immer verhindert werden kann. 

    Ohne dauerhafte Begrenzung der weiteren Zuwanderung wird es nicht gehen

    Zuletzt sind in vier Jahren rund drei Millionen Menschen nach Deutschland gekommen. Sollen die staatlichen Systeme nicht überfordert bleiben, wird es ohne eine dauerhafte Begrenzung der weiteren Zuwanderung genauso wenig gehen, wie ohne effektiverer Abschiebungen.

    Mir ist bewusst, sehr geehrte Frau Faeser, dass es hier keine leichten Lösungen gibt. Und die Gräben in der Gesellschaft beim Thema Migration sind tief: Auf der einen Seite gibt es Menschen, die bei Migranten Verhaltensweisen tolerieren, die sie bei ihren deutschen Nachbarn niemals dulden würden.

    Auf der anderen Seite gibt es aber auch diejenigen im Land, die ohne Anstand und Moral mit Füßen treten, was wir aus den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte gelernt haben sollten. Die wie vor 90 Jahren bereit sind, alle diejenigen, die nicht in ihr engstirniges Weltbild passen, erbarmungslos loswerden zu wollen - und die dafür wie Donald Trump in den USA Menschen alleine aufgrund ihrer Herkunft oder Religion pauschal aufs Übelste diffamieren.

    Es geht auch darum, welchen Weg die Demokratie in Deutschland nehmen wird

    Wäre es auch deshalb nicht allerhöchste Zeit, dass die besonnenen Kräfte der politischen Mitte auf die berechtigte Wut vieler Menschen reagieren und endlich gemeinsam nach tragfähigen Lösungen für eine Migration suchen, die diese Gesellschaft und ihre staatlichen Institutionen nicht überfordert?

    Allen demokratischen Kräften muss doch bewusst sein, dass eine echte Lösung der Probleme in Zusammenhang mit der ungesteuerten Zuwanderung in Deutschland einen entscheidenden Einfluss darauf haben kann, welchen Weg die Demokratie in Deutschland nehmen wird.

    Sie sind beileibe nicht die Einzige, die ich damit meine: Aber übernehmen bitte auch Sie hier Verantwortung. Damit unser Land am Ende nicht den autoritären Irrwegen anderer Länder folgt. 

    In dieser Hoffnung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

    Henry Stern, Landtagskorrespondent

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