Lieber Christoph Maul,
da haben wir den Salat. Das also kommt heraus, wenn im faschingsfernen Berlin einen Tag nach dem 11. 11. nach einem geeigneten Termin für die vorgezogenen Neuwahlen gesucht wird.
Die Bundestagswahl 2025 fällt auf ein besonderes Datum: 23. Februar - also genau auf das Wochenende, an dem in Veitshöchheim und im Bayerischen Rundfunk die "Fastnacht in Franken" zelebriert wird. Am - und damit haben die Närrinnen und Narren unter ihrer Leitung eine Herausforderung mehr in diesem Jahr.
Da treffen zwei Hochämter an einem Wochenende aufeinander: das des bayerischen Faschings und das der Demokratie. Wie aber gehen Sie, der Sitzungspräsident, wie gehen die Narren damit um, Herr Maul?
Keine Ampel mehr, Endspurt im Wahlkampf: Herausforderung für Büttenredner
Blöd für die Büttenredenschreiber, die sich auch in dieser Fastnachtssaison wieder auf die Ampel, Olaf Scholz und Co. einschießen wollten. Stoff hätte es genug gegeben, aber die Ampel gibt es schon jetzt nicht mehr. Und ihre wichtigsten Akteure werden als Spitzenkandidaten am 21. Februar gerade einen Wahlkampf zu Ende gebracht haben, von dessen Ausgang in Veitshöchheim keiner etwas wissen kann.

Nun haben die Redenschreiber noch einiges an Zeit, aber ehrlich, Herr Maul, Sie beneide ich in dieser Situation nicht. Gilt es doch einen Spagat zu bewerkstelligen, der sogar die ausgezeichneten Gardetänzerinnen in den Mainfrankensälen an ihre Grenzen bringen würde.
Zum einen gilt es extrem kurz vor einer Wahl parteipolitisch zurückhaltend zu sein. Der BR ist dazu sogar verpflichtet. Zum anderen lässt sich die Narrenfreiheit nicht an Termine binden, schon gar nicht an Wahltermine. Und Narrenfreiheit wird in Veitshöchheim traditionell sehr großgeschrieben.
Bitte auch im nächsten Jahr, Herr Maul! Fänden Sie es nicht auch schrecklich, wenn "Fastnacht in Franken 2025" zu einem politischen Eunuchen würde? Ein paar harmlose Witzlein hier, etwas sanfte Gesellschaftskritik dort, den einen oder anderen Schenkelklopfer, ein paar Schunkellieder und Tänze. Frei nach dem Motto, die Menschen wollen jetzt einfach nur entspannt lachen, brauchen Abwechslung und wir werden uns den Mund bestimmt nicht verbrennen.
Auftrag an Närrinnen und Narren: Denen da oben den Spiegel vorhalten
Zurückhaltung, nur um der einen oder anderen Beschwerde humorbefreiter Politiker zuvorzukommen? Bitte nicht, Herr Maul. Und motivieren Sie auch die anderen Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne dazu. Politprominenz wird trotz (oder wegen) des Datums zahlreich wieder im Saal sein. Und es wird in den Wochen davor viel versprochen, so manches übertrieben und gelegentlich auch mal etwas geschwindelt worden sein.

Wann, wenn nicht in dieser Situation gilt es, dass die Närrinnen und Narren denen da oben und denen, die da oben hin wollen, den Narrenspiegel vorhalten? Dass die "Fastnacht in Franken" sehr politisch sein kann, ohne parteipolitisch abzudriften, hat sie in diesem Jahr bewiesen. Mit einem klaren Appell, bei der Europawahl die Demokratie zu wählen, haben Sie ein wichtiges Zeichen gesetzt und bewiesen, dass Humor, Klamauk und Spaß sehr gut zu ernsten Themen passen, lieber Herr Maul.
Ernste Themen humorvoll verpacken - auch wenn Lacher im Hals stecken bleiben
Warum nicht auch unmittelbar vor der Bundestagswahl? Die könnte in diesen turbulenten Zeiten nicht nur parteipolitisch eine Richtungswahl werden. Wenden sich noch mehr Menschen enttäuscht von der Politik ab? Wird diese Wahl die Demokratie oder die extremen Ränder stärken? Bleibt unser Land regierbar?
Zugegeben, das sind große Fragen, schwere Themen. Aber auch die lassen sich humorvoll verpacken. Und sind nicht die Lacher oft die besten, die dem einen oder der anderen im Halse stecken bleiben?
Natürlich war es in diesem Februar leichter, auf die bayerischen Landtagswahl zurückzublicken und mit spitzen Pointen auf die im Saal anwesende Politprominenz zu zielen. Zwei Tage vor der Wahl erfordert das wohl noch mehr Fingerspitzengefühl, will man sich nicht der plumpen Wahlwerbung zeihen lassen.

Dies soll aber nicht dazu führen, dass zu viel abgewogen und zu oft ausgeglichen wird. Nein, Satire muss übertreiben, verzerren, provozieren und überspitzen - und Fasching allemal auch. Das dürfen sich die Narren auch 2025 nicht nehmen lassen. Wie schrieb doch Kurt Tucholsky vor über 100 Jahren: Der Satiriker "kann nicht wägen, er muss schlagen".
Wie "Fastnacht in Franken" die Satire von der Realpolitik abgrenzt
Und das darf dann auch mal wehtun. Ich jedenfalls freue mich jetzt noch mehr auf "Fastnacht in Franken 2025". Da müssen es die Narren schaffen, ihre Satire von der Realpolitik abzuheben, die im Wahlkampf ja auch so manche Blüten treibt.
In diesem Sinne - und weil ja auch schon der 11.11. war - grüßt mit einem dreifachen Helau
Folker Quack, Redakteur
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