Liebe Frau Ausserlechner,
neuerdings denke ich an Samstagabenden öfters an Sie. Denn vor ein paar Wochen war der Samstagabend für Sie und Ihre Kollegen der Würzburger Tapas-Bar "Plou i fa sol" so richtig bescheiden. Ein paar Tage später haben Sie auf Instagram Ihrem Ärger Luft gemacht: Ausgebucht war Ihr Restaurant an diesem Abend. Sie hatten extra viel eingekauft, zusätzliches Personal eingeteilt, diverse Reservierungsanfragen ablehnen müssen. Fünf Minuten vor der vereinbarten Uhrzeit wurde dann ein Tisch für zehn Personen abgesagt, die sieben Leute einer anderen Reservierung tauchten einfach nicht auf, ein gebuchter Tisch für drei fiel ebenfalls kurzfristig aus. 20 Plätze blieben leer - obwohl sie eigentlich ausgebucht waren. "No-Shows" nennt man das im Gastro-Jargon. Man könnte aber auch einfach "Unverschämtheit" dazu sagen.
Ein paar Tage später haben Sie mir erzählt, wie sehr die No-Shows ihrer gesamten Branche zu schaffen machen. Immer öfter käme es vor, dass Leute entweder gar nicht zu ihrer Reservierung erscheinen, ein paar Minuten vorher absagen oder - statt wie angekündigt zu zehnt - nur zu dritt auftauchen. Ich konnte erst nicht glauben, wie groß das Problem ist. Kommt man denn nicht zu Terminen, die man vereinbart hat? Hat man das nicht irgendwann mal so gelernt?
Manche Gruppen reservieren parallel in mehreren Restaurants, berichten Gastwirte
Ich hab mich dann durch die Würzburger Gastronomie telefoniert. Sobald klar wurde, dass es ums Thema No-Shows geht, ging am anderen Ende der Leitung der Puls hoch: Kein Abend vergehe mehr ohne No-Shows, klagten die Wirte und Wirtinnen. Gruppen würden teilweise sogar in mehreren Restaurants parallel reservieren, um sich dann kurzfristig zu entscheiden, wo sie essen wollen - und die anderen Reservierungen einfach verfallen lassen. Zig mal fiel das Wort "Katastrophe". Und es wurde klar: Die meisten Gastronominnen und Gastronome stehen vor der Entscheidung, bereits bei Reservierung die Kreditkartendaten abzufragen, um dann die Leute zur Kasse zu bitten, die ihren Tisch nicht rechtzeitig stornieren.

Recht haben sie! Sogenannte No-Show-Gebühren gibt es in Großstädten seit Jahren - und der Geschäftsführer des Würzburger Restaurants Backöfele, Christopher Thum, sagt dazu: "Ja, gilt denn in New York ein anderer Anstand als in Würzburg?"
Nein, muss da die Antwort lauten. Natürlich nicht! Und in der Gastronomie - egal in welcher Stadt oder in welchem Dorf - gilt auch kein anderer Anstand als in der Bahn, im Hotel, beim Friseur oder beim Zahnarzt. Fast überall ist es mittlerweile Usus, dass es Fristen gibt, innerhalb derer man absagen muss, wenn man nicht will, dass Stornierungsgebühren fällig werden.
Geht die Leichtigkeit wirklich verloren, wenn man Kreditkartendaten abfragt?
Sie haben es ganz trefflich gesagt, Frau Ausserlechner: "Nur in der Gastronomie wird alles für selbstverständlich genommen. Denn es geht ja um den Spaß, da scheint alles ein bisschen weniger ernst zu sein." Sie fürchten, die Leichtigkeit würde flöten gehen, wenn Sie Kreditkartendaten abfragen und eine No-Show-Gebühr verlangen würden. Schließlich ist Ihr Geschäft die gute Laune und der Genuss. Und auch Ihren Kollegen bereitet vor allem dieser Aspekt Bauchschmerzen.

Ich finde, die müssen Sie nicht haben. Denn auch wenn beim Kunden alle Zeichen auf Entspannung stehen, darf niemand vergessen: Auf der anderen Seite arbeiten Leute mit genau der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der eine Zahnärztin Löcher füllt und ein Friseur Dauerwellen legt. Und die Leichtigkeit, die ich mir erhoffe, wenn ich in Ihrer Tapas-Bar bei gutem Essen und einem Glas Wein auf den Main blicke, die stellt sich nicht ein, wenn der halbe Gastraum leer ist. Die bleibt aus, wenn das Personal angespannt ist, weil es genau weiß, dass man wieder einen Abend Miese machen wird, dass irgendwann die Existenz auf dem Spiel steht.
Denn genau das ist der Fall, wenn die Tische leer bleiben: Ein Drittel der kalkulierten Einnahmen sind Ihnen an besagtem Samstagabend weggebrochen, haben Sie vorgerechnet. Außerdem mussten Sie einen Haufen hochwertige Zutaten in den Müll schmeißen und Personal bezahlen, das es nicht gebraucht hätte. Auf Instagram haben Sie geschrieben: "Das ist nichts anderes als ein katastrophaler, wirtschaftlicher Schaden." Und für diesen, Frau Ausserlechner, sollte doch nicht Ihr Restaurant aufkommen müssen, sondern die, die dafür verantwortlich sind! Man darf nicht vergessen: Die Gäste, die sich jetzt schon fair verhalten, wird die No-Show-Gebühr ja nicht treffen.
Liebe Frau Ausserlechner, heute ist wieder Samstag. Ich denke heute Abend an Sie und wünsche Ihnen ein volles Haus!
Herzlichst,
Lara Meißner, Redakteurin
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