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Würzburg: Samstagsbrief: Warum ist die Deutsche Bahn eigentlich "so im Oasch", Herr Lutz?

Würzburg

Samstagsbrief: Warum ist die Deutsche Bahn eigentlich "so im Oasch", Herr Lutz?

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    Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn: Richard Lutz. Reisen mit seinem Unternehmen machen vielen Fans - und anderen - gerade während der Fußball-Europameisterschaft nicht so viel Spaß.  
    Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn: Richard Lutz. Reisen mit seinem Unternehmen machen vielen Fans - und anderen - gerade während der Fußball-Europameisterschaft nicht so viel Spaß.   Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Sehr geehrter Herr Lutz,

    sind Sie auch so begeistert von unserer Heim-EM? Der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land? So viele Emotionen, so viel Nervenkitzel. Wenn ich nur an das Tor von Niclas Füllkrug in der 92. Minute gegen die Schweiz denke: der Treffer, der uns quasi mit Verspätung zum Gruppensieg verhalf!

    Verspätung. Damit kennen Sie sich als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn ja aus. Freilich ist der Vergleich etwas schief. Man stelle sich nur vor, am Gleis feiern Passagiere die Einfahrt eines schon ausgefallen geglaubten ICE wie die deutsche Mannschaft den späten Ausgleich: Reisende liegen sich in den Armen, einige sprinten vor Freude die Bahnsteigkante entlang, und der Bahn-Card-100-Besitzer schlägt sich stolz auf die Brusttasche, in der die Plastikkarte steckt - so wie Füllkrug auf den Bundesadler auf dem Trikot.

    Wie österreichische Fans in Würzburg strandeten

    Fußball-Euphorie und Bahn-Frust, das lässt sich nur schwer zusammenbringen. Eigentlich. Doch seit Beginn der EM sorgen beide Phänomene zuverlässig für Schlagzeilen. Und als Zwischenbilanz - zwei Wochen des vierwöchigen Turniers sind vorbei - muss man feststellen: Wenn wir gerade dabei sind, wieder so etwas wie ein Sommermärchen zu erleben, ist die Bahn der Hagelschauer, der die Stimmung trübt.

    Beispiel gefällig? Rund 15.000 österreichische Fußballfans wollten in Düsseldorf das Spiel ihrer Mannschaft gegen Frankreich sehen. Doch weil zwischen Passau und Regensburg keine Züge fuhren und der Schienenersatzverkehr nicht funktionierte, strandeten einige an unterschiedlichen Bahnhöfen.

    Eine Reisegruppe aus Wien landete laut Kronen-Zeitung am Spieltag um 9.30 Uhr in Passau, kam irgendwie nach Nürnberg, stieg dort um 15.34 Uhr in einen Zug, der sie bis zu uns nach Würzburg brachte - voller Hoffnung, es bis zum Anstoß um 21 Uhr ins Düsseldorfer Stadion zu schaffen. Doch in Würzburg war Endstation. Ein Zug fiel aus, der nächste hatte Verspätung. Letztlich kamen die Fans erst zur 70. Minute ins Stadion.

    Die Bahn erzielt Eigentor um Eigentor

    Es ist kein Einzelfall. "Wir verstehen den Unmut und die Kritik von Fans", räumte Ihr Fernverkehrschef Michael Peterson ein. Die Bahn biete aktuell nicht die Qualität, die alle verdient hätten, gab er zu. "Wenn es mal nicht so klappt wie gewünscht, rufen wir den Fans zu: danke für eure Geduld und Umsicht."

    Er hätte hinzufügen können: "und für euren Humor". Den haben jedenfalls einige österreichische Fans nicht verloren. Im Internet kursieren Videos, in denen man sie singen hört "Die Deutsche Bahn ist so im Oasch".

    Doch warum ist das eigentlich so, Herr Lutz? Noch vor dem Turnier hatte die Bahn angekündigt, pro Tag 10.000 zusätzliche Sitzplätze im Fernverkehr anzubieten. Anstehende Bauarbeiten seien zudem vorgezogen worden, um Verspätungen und Beeinträchtigungen auf wichtigen Strecken während der EM zu verhindern, hieß es. Und doch erzielt die Bahn vor der gesamten Weltöffentlichkeit Eigentor um Eigentor.

    Probleme und Ärger abseits der EM

    Dabei geht es ja nicht nur um die EM oder den Fernverkehr. Auch abseits des Turniers herrscht Unzufriedenheit. So lese ich alleine in dieser Woche von Problemen auf der Strecke zwischen Gemünden (Lkr. Main-Spessart) und Würzburg oder davon, dass jeder zweite Regionalzug zwischen Würzburg und Nürnberg wegen anhaltender Bauarbeiten ausfällt. Das mag unumgänglich sein, der Ärger bei Bahn-Kundinnen und -Kunden resultiert aber vor allem daraus, dass man nicht einmal über die Ausfälle vernünftig informiert wird.

    Sie werden mir nicht widersprechen, Herr Lutz, dass Verspätungen und Zugausfälle seit Jahren ein Dauerthema sind, das die Bahn nicht gelöst bekommt. Ausgerechnet vom Schweizer Bahn-Chef kam dieser Tage via Bild-Zeitung Nachhilfe: mehr investieren, den DB-Konzern entschlacken und sich insgesamt "die Schweizer Bahn als Vorbild" nehmen.

    Für die EM kommen solche Ratschläge auch zu spät. So bleibt es wohl dabei: Noch spannender als die Europameisterschaft ist nur der Fahrplan der Deutschen Bahn.

    Ein Schienenersatzhelikopter kann keine Lösung sein

    Tröstlich ist nur, dass nicht nur Normal-Bahnfahrer betroffen sind. So reiste etwa die niederländische Nationalmannschaft zu ihrer Partie gegen Österreich im Zug nach Berlin. Zurück ging es jedoch per Bus - weil nach Abpfiff keine Züge mehr ins holländische Team-Quartier nach Wolfsburg fuhren.

    Selbst EM-Turnierdirektor Philipp Lahm kam schon zu spät zu Spielen und kritisierte die Bahn. Er sprach von Versäumnissen "in den letzten Jahrzehnten". Schließlich trete das Problem, nicht erst jetzt "während des Turniers" auf.

    DB-Chef Richard Lutz (Mitte) mit EM-Botschafter Philipp Lahm (links) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geben vor dem Start der EM die Partnerschaft zwischen Deutscher Bahn und UEFA zur Europameisterschaft bekannt.
    DB-Chef Richard Lutz (Mitte) mit EM-Botschafter Philipp Lahm (links) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geben vor dem Start der EM die Partnerschaft zwischen Deutscher Bahn und UEFA zur Europameisterschaft bekannt. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Lahms Pendant während der Heim-WM 2006, der damalige Chef des Organisationskomitees Franz Beckenbauer, hat übrigens kein einziges Spiel der Weltmeisterschaft verpasst. Beckenbauer flog allerdings auch mit dem Hubschrauber durch die Republik. Einen Schienenersatzhelikopter erscheint mir als Modell zu abgehoben, ich wünsche mir, dass Sie nach der EM bessere Lösungen finden.

    Gute Fahrt,

    Benjamin Stahl, Redakteur

    Persönliche Post: der Samstagsbrief Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.

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