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LOHR: Die Zeit der Redeverbote ist vorbei

LOHR

Die Zeit der Redeverbote ist vorbei

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    Gottfried Walter, Vorsitzender des AfD-Bezirksverbands Unterfranken
    Gottfried Walter, Vorsitzender des AfD-Bezirksverbands Unterfranken Foto: Foto: Andreas Brachs

    Vor einem Monat hat die AfD auf einem viel diskutierten Parteitag Frauke Petry zu ihrer neuen Vorsitzenden gewählt. AfD-Gründer Bernd Lucke hat mit vielen anderen die Partei verlassen. Der unterfränkische Bezirksvorstand hüllte sich seitdem weitgehend in Schweigen – bis jetzt.

    Frage: Nach dem Bundesparteitag in Essen hat der unterfränkische Bezirksvorstand beschlossen, Interviews zur Presse erst nach intensivem internem Meinungsaustausch zu starten. Nun reden Sie wieder . . .

    Gottfried Walter: Wir wollten nach dem Bundesparteitag zuerst die aufgeheizte interne Diskussion zu Ende führen. Danach und mit Informationen von in Essen anwesenden Augenzeugen haben wir die Informationslage nivelliert, um dann – zuletzt beim Bezirksparteitag in Karlstadt – mit unseren Mitgliedern beschließen, wie wir uns äußern.

    Mit welchem Ergebnis?

    Walter: Wir nehmen eine große Erleichterung darüber wahr, dass man sich auf die Ursprungsthemen zurückbesinnt, die unsere Mitglieder einst bewogen haben, zur AfD zu kommen. Es ist eine neue Euphorie und ein neuer Wind zu spüren. Auch in Unterfranken.

    Anfang des Jahres sagten Sie noch, Sie stünden hinter Bernd Lucke als Parteichef. Der wurde nun mit großer Mehrheit abgewählt – und auch Sie stehen hinter Frauke Petry. Was hat sich in den letzten Monaten verändert?

    Walter: Professor Lucke hat mit seiner Fachkompetenz nach außen nur die Themen Europa und Euro bedient. Andere Themen wurden abgebügelt: Zuwanderung, innere Sicherheit, die Gender-Problematik, Ehe und Familie, Homosexualität – alles Dinge, die in der Lucke-AfD mit einem Redeverbot belegt waren. Das führte zu Frustration, auch weil Lucke eine Partei in der Partei gründen wollte. Mittlerweile ist das Geschichte.

    Dennoch gab es vor allem nach dem Bundesparteitag zahlreiche Austritte. Wie hoch sind die Austrittszahlen in Unterfranken?

    Walter: Etwa zwei Dutzend sind ausgetreten. Einige Ausgetretene konnten wir aber wieder zurückgewinnen und wir haben zahlreiche Neuaufnahmeanträge auf dem Tisch zur Prüfung liegen. Erst wenn wir sicher sind, dass die Antragsteller keiner extremistischen Partei oder Organisation angehören, können sie aufgenommen werden und erscheinen in der Statistik.

    Als Petry davon sprach, dass zehn Prozent der über 20 000 AfD-Mitglieder ausgetreten sind, verbreitete Ihr Bezirksvorstandskollege Christian Klingen über Facebook die Zahl 600. Rechnet man sich die Situation in Unterfranken schön?

    Walter: Unterm Strich bleibt zu sagen: Frauke Petry hat von der Befürchtung gesprochen, dass bundesweit 20 Prozent der Mitglieder austräten. Diese große herbeigeschriebene „Tsunamiwelle“ gab es zum Glück nicht – vor allem nicht in Unterfranken. Alle Kreisvorstände und der Bezirk sind handlungsfähig. In Bayern verzeichnen wir lediglich 300 Austritte um den Zeitpunkt des Bundesparteitags. 180 registrierte Neuanträge befinden sich bereits in der Prüfung.

    Sie haben von Redeverboten in der AfD unter Lucke gesprochen. Björn Höcke ist für seine NPD-Äußerungen scharf kritisiert worden. In Unterfranken hat man sich hinter Höcke gestellt.

    Walter: Höcke hat sich getraut, sogenannte rote Linien, die Lucke fälschlicherweise gezogen hat, zu übertreten. Sinngemäß hat er gesagt, dass es falsch ist, dass Leute, die bei der NPD waren und sich abgewandt haben, für alle Zeit nicht als normale Bürger anzusehen seien. Man muss mit Leuten reden dürfen, die extreme Meinungen hatten oder NPD-Mitglieder waren.

    Man muss denen dann klar machen, dass sie mit solchen Meinungen bei uns keine Chance haben. Solchen Leuten rate ich zu einem Besuch im KZ Dachau. Denen muss man sagen: „Schau dir die extremen Gräueltaten an, die sich mit deiner Gesinnung verbinden.“

    Was sind jetzt die Schwerpunktthemen, die die Partei jetzt angehen muss?

    Walter: Das am meisten brennende Thema ist die innere Sicherheit verbunden mit dem Thema Zuwanderung. Wenn immer mehr Zuwanderer zu uns kommen, die sich zu einem sehr hohen Prozentsatz nicht auf das von uns als AfD unterstützte Menschenrecht von Asyl berufen können, sondern in Deutschland nur den Zugang zu mehr Wohlstand suchen, dann führt das dazu, dass die bestehende Verunsicherung hierzulande in eine massive Aggression umschwenkt – und zwar auf beiden Seiten: bei den Menschen, die zu uns kommen, und bei den autochthonen Deutschen, die diesen Zustand nicht hinnehmen werden.

    Also soll die AfD ihren Fokus nur auf das Thema Zuwanderung legen?

    Walter: Zuwanderung und Asylmissbrauch ist das „Nummer-eins-Thema“. Das zweite lautet Schutz der konservativen Werte wie Ehe, Familie und Zukunftssicherung. Natürlich auch die Abschaffung des unsäglichen Gender-Mainstreamings.

    Was ist aus der Wirtschaftspartei der Eurokritiker geworden?

    Walter: Wir dürfen die Geldflüsse nach Griechenland oder in die Ukraine nicht aus unserem Blickfeld verlieren. Kleine und mittelständische Betriebe mit den Steuerbürgern werden als Leistungserbringer von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten. Stichwort Erbschaftssteuer und Übergabeproblematiken, die sich daraus ableiten. Die AfD vertritt bundesweit und sehr aktiv den Mittelstand und hat eine aktive AfD-Mittelstandsvereinigung, die unter anderem von Hansjörg Müller aus Würzburg initiiert wurde.

    Wie sieht der Kontakt der AfD zu Betrieben in der Region konkret aus?

    Walter: Ich bin zum Beispiel persönlich im Gespräch mit der Firma Koenig & Bauer oder Bosch Rexroth, wo ich selbst Mitarbeiter war. Auch pflege ich Kontakte zu anderen Unternehmen in meiner Heimatstadt Lohr, wie Indramat, oder zu Procter & Gamble in Marktheidenfeld. Die AfD ist intensiv im Austausch mit Mitarbeitern und auch mit dem Management, um zu hören, wo die Reise jeweils hingeht.

    Kommen wir zurück zur Zuwanderung. Die AfD fühlt sich oft in die rechte Ecke gedrängt. Wie kann sich Ihre Partei künftig als seriöser Ansprechpartner bei dem Thema positionieren?

    Walter: Das ist ein Thema, das stets dazu benutzt wird, die AfD in eine Nähe zu Rechtsradikalen zu positionieren. Wir müssen Fragen stellen: Wo werden die Zahlungen generiert, die wir für die dauerhafte Unterbringung von Zuwanderern – auch in der Region – aufwenden? Wie wollen wir dauerhaft mit dem Thema Zuwanderung und Aufnahme der wirklich Verfolgten umgehen, wenn die kalte Jahreszeit kommt und Zeltstädte mit Zehntausenden aufgelöst werden? Wer hält die Zahl der Ehrenamtlichen hoch, regelt dauerhaft logistische Abläufe?

    Und welche Widerstände wird es beim vervielfachten Nachzug geben? Wie können wir als AfD verhindern, dass eine weitere Polarisierung der Öffentlichkeit stattfindet? Wir wollen aufklären, wir wollen möglichst schnelle Rückführung auf gesetzlicher Grundlage, um den Zusammenprall von Kulturen zu verhindern.

    Beim Bundesparteitag fiel die Aussage, die AfD sei „auch die Pegida-Partei“. Sie selbst sind anfangs bei Wügida mitgelaufen, haben sich aber später distanziert. Gleichzeitig war etwa der stellvertretende Kreisvorsitzende von Main-Spessart, Rainer Eich, bis zuletzt auch als Ordner bei Wügida. Wo stehen Sie und die unterfränkische AfD heute?

    Walter: Ich selbst war mehrfach bei Pegida in Würzburg und an anderer Stelle dabei, um zu demonstrieren, dass das, was den Bürger bewegt, auf die Straße gebracht werden muss. Es zeigt sich immer stärker, dass die Islamisierung, die wir momentan in Exzessen in Dänemark, Schweden und Frankreich erleben, auch bei uns als Parallelgesellschaft um sich greift. Probleme, die auch Pegida benannt hat, werden immer mehr zur Realität. Ich und viele andere aus der AfD wollten bei Pegida warnend zeigen, dass bestimmte Entwicklungen in Deutschland gefährlich sind.

    Das befürchte ich weiterhin. Und deswegen muss die AfD sagen, wir wollen auf bereits eingetretene Veränderungen der Gesellschaft hinweisen, aber trotzdem nicht dümmlich auf eine „Pegida-Partei“ reduziert werden. Wir sind eine noch kleine Volkspartei, welche sich den Meinungen von Bürgern – auch bei Pegida – selbstverständlich nicht verschließt.

    Sie sind jetzt auf die Islamisierung eingegangen. Das war aber bei Wügida bald gar kein Thema mehr. Es ging gegen die „Lügenpresse“ und Gegendemonstranten. Und es ging in zunehmendem Maße in eine fremdenfeindliche Richtung, wenn es um Zuwanderung ging. Welchen Sinn hat es, so etwas auf die Straße zu bringen?

    Walter: Bei Wügida ist in der Tat mit der Zeit ein falscher Zungenschlag hineingekommen, der auch unseren Mitgliedern, etwa Herrn Eich, nicht gefallen hat. Deswegen sind wir auch bewusst nicht als Redner aufgetreten. Die AfD und explizit ich selbst, will aber den Puls beim Bürger spüren und ihm aufs Maul schauen. Wir wollen keine hehren Sonntagsziele wie Willkommenskultur zum Bürger bringen und irgendetwas verdrängen, sondern sind bei vielen Veranstaltungen unterwegs.

    Aus diesen Gesprächen ergibt sich für uns ein Bild, wie die breite Bürgerschaft tickt. Dazu gehörte anfangs auch die Teilnahme und Gespräche bei Wügida, auch mit beteiligten Polizisten.

    Eine Demo als Infoveranstaltung?

    Walter: Dort wird auch ein Teil der Stimmungslage der Bevölkerung transportiert. Daraus leiten wir für uns ab, wie wir Besorgnis und Ängste aufnehmen können. Das führt dazu, dass wir eigene Antworten entwickeln. Wir werden einen Programmparteitag im November haben, der die den Bürger bewegenden Dinge dann AfD-intern konkretisiert.

    Bezirksparteitage, Vorträge, Infoveranstaltungen. Bei der AfD findet vieles parteiintern statt.

    Walter: Ich wollte beispielsweise eine öffentliche Informationsveranstaltung starten zum Thema, wie schütze ich mich und meine Familie, Haus und Hof, während ich im Urlaub bin, meine Kinder auf dem Schulweg oder alleinlebende Ältere. Dazu wollte ich mit der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle Würzburg eine gemeinsame Veranstaltung starten. Kurz vor Beginn hieß es jedoch von dort, man sei angewiesen, nicht mit mir und der Partei zusammenzuarbeiten, weil man wisse, welche Meinungen ich im Internet vertrete und mit wem ich in Kontakt stehe.

    Den schon gebuchten Veranstaltungsort habe ich daraufhin gekündigt. Das hat mir zu denken gegeben, wie ich überwacht werde, obwohl ich ein schneeweißes polizeiliches Führungszeugnis habe. Dennoch: Wir sind in Gesprächen mit anderen Parteien, Vereinen und Organisationen. Bei diversen unterfränkischen Podiumsveranstaltungen – zum Beispiel zu SuedLink – ist die AfD im Verbund mit kompetenten Referenten und zeigt Bürgernähe. Auch wenn ich durch Lohr laufe, werde ich von vielen Leuten angesprochen.

    Gottfried Walter ist seit 2014 Vorsitzender des AfD-Bezirksverbands Unterfranken. Der 66-jährige Ingenieur stammt aus Lohr (Lkr. Main-Spessart).

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