Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten
Leitartikel
Icon Pfeil nach unten

Frankfurt am Main: Ein Erfolgsmodell hat sich ins Abseits gespielt

Frankfurt am Main

Ein Erfolgsmodell hat sich ins Abseits gespielt

    • |
    • |
    Zurück auf dem Boden der Tatsachen: Ersatztorhüter Kevin Trapp (links) und Verteidiger Jerome Boateng bei der Ankunft der deutschen Fußball-Nationalelf auf dem Flughafen Frankfurt.
    Zurück auf dem Boden der Tatsachen: Ersatztorhüter Kevin Trapp (links) und Verteidiger Jerome Boateng bei der Ankunft der deutschen Fußball-Nationalelf auf dem Flughafen Frankfurt. Foto: Foto: Ina Fassbender, dpa

    Die beste Nachricht des gestrigen Tages: Es geht weiter. Das war nicht sicher zu erwarten gewesen nach einem Abend, an dem die deutsche Fußball-Nationalelf zum ersten Mal in ihrer Geschichte in der Vorrunde die Segel streichen musste. Rollläden herunterlassen, das Land ohne Masterplan absperren und den Schlüssel wegwerfen – mit diesem Gefühl sind viele der 25 Millionen TV-Augenzeugen gestern aufgestanden.

    Aber so einfach ist es nicht. Wenn seine besten Fußballsöhne verlieren, kann das Land nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Schon gar nicht nach einem solchen K.o. Als Gruppenletzter gedemütigt und in den Seilen hängend. Das nimmt das Land seinen Kickern übel. Schließlich haben es die Menschen auch persönlich genommen, als Joachim Löw mit seiner Truppe vor vier Jahren in Brasilien den WM-Titel gewonnen hat. Alle waren wir Weltmeister. Und jetzt? Kein Sommermärchen, keine Landesbeflaggung, kein Wir-Gefühl. Stattdessen zusammen mit Panama und Saudi-Arabien rausgeflogen. Der Sommer vorbei. Es herbstelt und die Grenzen schließen.

    Größer hätte die Fallhöhe nicht sein können

    Dabei war Deutschland angetreten, seinen WM-Titel zu verteidigen. Größer hätte die Fallhöhe nicht sein können. Da kommt jener Ärger auf, der in eine eilige Suche nach Gründen und einem Schuldigen für das Desaster mündet. Im Fußball ist das traditionell der Trainer, der die Verantwortung trägt. Ihn entlassen – eine einfache Lösung, die vom Druck befreit und Neuanfang signalisiert.

    Aber so einfach Fußball aussieht, so schwierig ist er zu erklären. Wahrscheinlich hat das deutsche Desaster bereits mit der Vorstellung begonnen, in Russland den WM-Titel verteidigen zu können. Wer nämlich die DFB-Auswahl nüchtern betrachtet hat, musste zu dem Schluss kommen, dass der Kader von 2018 in der Spitze nicht mehr die Qualität der Brasilien-Expedition besaß.

    Die abgetretenen Lahm, Schweinsteiger und Klose waren nicht zu ersetzen. Dafür spielte plötzlich Erdogan mit. Die Affäre hat dem Mannschaftsgeist zweifellos geschadet. Ob sie etwas damit zu tun hat, dass Hummels gegen Südkorea aussichtsreich übers Tor köpfte? Sicher nicht. Ob Özil und Gündogan an ihr zu schleppen hatten? Vielleicht. Die Sozialen Netze können auch gestandenere Typen aus der Bahn werfen. Dass die Diskussion um das dumme Foto-Shooting einer ganzen Mannschaft Geist und Leben raubt – wohl kaum.

    Die Mannschaft war verhangen in einer Komfortzone

    Trotzdem wirkte die deutsche Elf von Beginn an tot. Leidenschaftlos und ohne Selbstvertrauen. Verhangen in jener Komfortzone, die ihr der Deutsche Fußball-Bund und sein Team-Manager Oliver Bierhoff nach allen Regeln der Inszenierung, abseits vom Fan-Volk, geschaffen hat. Eine eigene Welt, die Egomanen züchtet und das Behäbige fördert.

    Unter dem Label „Die Mannschaft“ hat Bierhoff die deutsche Expedition durch die Welt geschickt. Genau das aber waren Hummels & Co. nicht. Spätestens hier kommt der Trainer ins Spiel. Joachim Löw hat in Russland nicht geschafft, was ihm bislang gelungen war: eine hingebungsvolle Elf auf den Platz zu bringen. Er hat sein Aufgebot gerührt und geschüttelt, ohne dass im Turnierverlauf etwas besser wurde.

    Mit einigen Spielern arbeitet Löw seit 14 Jahren. In jeder Langzeitbeziehung aber schlafen Dinge ein. Der Bundestrainer war in Russland mit seinem Latein am Ende. Eine Erfahrung, die er in seinem Amt nicht mehr loswerden wird – außer er gibt es frei. Er hat es selbst in der Hand. So lange das noch so ist, sollte er es tun. Es ginge dann ein erfolgreicher, sympathischer Bundestrainer, der dem Land unvergessliche Erlebnisse beschert und uns vor vier Jahren zu Weltmeistern gemacht hat.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden