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Kommentar: Die EU muss das Spiel mit Menschen an der polnischen Grenze beenden

Leitartikel

Kommentar: Die EU muss das Spiel mit Menschen an der polnischen Grenze beenden

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    Unter den Geflüchteten sind auch kleine Kinder. Die Lage der Menschen zwischen Polen und Belarus wird zunehmend schlimmer. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt.
    Unter den Geflüchteten sind auch kleine Kinder. Die Lage der Menschen zwischen Polen und Belarus wird zunehmend schlimmer. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Foto: Uncredited/The State Border Committee of the Republic of Belarus GPK.GOV.BY/AP/dpa

    Am 11. November ziehen zahlreiche Kinder hierzulande singend durch die Straßen, mit einer leuchtenden Laterne in der Hand, zu Ehren des Heiligen Martin. Des Mannes, der einst, so ist es überliefert, seinen Mantel mit einem Schwert geteilt hat. Eine Hälfte behielt er für sich, die andere gab er einem armen Mann, der frierend im Schnee saß und für den es ohne seinen Retter keine Hoffnung gegeben hätte. Den warmen Mantel soll der Heilige Martin "unverweilt" geteilt haben, also nicht erst nach langem Zögern und Abwägen, sondern sofort.

    Die Martinsumzüge sollen an diese Tat erinnern und Kindern Teilen, Helfen und Barmherzigkeit als christliche Werte vermitteln. Werte, auf die wir uns als christlich geprägte Gesellschaft geeinigt haben, die einen Grundpfeiler unseres Zusammenlebens darstellen. Diese sind selbstverständlich und gelten auch dann, wenn eigene Nachteile in Kauf zu nehmen sind. Gleichzeitig schauen wir aber aktuell dabei zu, wie an der Grenze zwischen Polen und Belarus Menschen nicht mehr wie Menschen behandelt werden.

    Tausende Geflüchtete befinden sich mittlerweile im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen. Von Schleppern dorthin gebracht, von Polens Truppen brutal zurückgehalten oder offenbar sogar zurückgeschoben. Zunehmend verzweifelten Menschen stehen Soldaten gegenüber - am Grenzzaun zu Polen, der ihnen versperrt ist. Der Rückweg nach Belarus bleibt ihnen wohl ebenso verwehrt. Denn die Truppen von Machthaber Alexander Lukaschenko lassen die Geflüchteten nicht mehr zurück ins Land. Die Lage ist dramatisch und Berichten zufolge scheint sie weiter zu eskalieren.

    Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko spielt ein perfides Spiel. 
    Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko spielt ein perfides Spiel.  Foto: Nikolai Petrov/BelTA-Pool/AP/dpa

    Die Lage an der Grenze ist eine humanitäre Katastrophe

    Das Schlimmste aber: Der Winter steht vor der Tür und in der Grenzregion ist es schon jetzt sehr kalt. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Menschen sitzen in provisorischen Camps vor Zelten an Lagerfeuern oder sie liegen auf dem blanken Boden. Teilweise tragen sie nicht einmal mehr Schuhe, wie in Nachrichtenberichten zu sehen war. Die Geflüchteten drohen zu erfrieren. Männer, Frauen, Kinder - auch Kleinkinder. Die Fotos gehen gerade um die Welt. Ehrenamtliche polnische Helferinnen und Helfer, die bis zu den Geflüchteten vorgedrungen sind und deren Leid zumindest etwas lindern, berichten von schrecklichen Szenen. Es ist eine humanitäre Katastrophe.

    Seit Tagen warten die Menschen auf Hilfe, die bisher nicht kommt. Nicht einmal Ärztinnen und Ärzte werden in die Fünf-Kilometer-Sperrzone zwischen den Ländern gelassen. Lukaschenko geht bewusst auf Konfrontation. Er nimmt die Geflüchteten mit seiner Politik der Erpressung gegenüber der EU in Geiselhaft. Dass tausende Menschen jetzt an die Grenze gebracht wurden, ist Lukaschenkos Rache für EU-Sanktionen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen.

    Es braucht jetzt Mut und politischen Willen in der EU

    Das Vorgehen Lukaschenkos ist zynisch und menschenverachtend. Die dramatischen Szenen, die sich gerade an der Außengrenze der Festung Europa abspielen, sind aber auch der EU unwürdig. Die Mitgliedstaaten verraten ihre Werte: den Grundsatz, einem Menschen in Not zu helfen, den Grundsatz der Humanität. Zumal hier Menschen unmittelbar vom Tod bedroht sind.

    Im Gegensatz zum Heiligen Martin können wir heute auf mehr als nur einen halben Mantel als Hilfsangebot zurückgreifen. Auch wenn die Situation verfahren ist, gibt es auf politischer Ebene eine Möglichkeit, Lukaschenkos perfides Spiel mit dem Leben der Menschen zu beenden: Die Flüchtlinge können auf die EU-Staaten verteilt werden. Dazu braucht es den politischen Willen und den Mut, diese Forderung auch innenpolitisch zu vertreten. Aber die Menschlichkeit gebietet es, nicht länger tatenlos zuzusehen. Die Geflüchteten zwischen Belarus und Polen müssen gerettet werden. Deutschland und die weiteren EU-Staaten müssen Menschen in Not aufnehmen. Jetzt.

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