Impfverweigerer haben in Hamburg künftig einen schweren Stand. Denn ab sofort gilt in der Hansestadt das sogenannte 2G-Optionsmodell. Für Nichtgeimpfte kann diese neue Regelung einschneidende Folgen haben: In Gastronomiebetrieben, Kinos, Schwimmbädern, Hotels, Fußballstadien oder Musikclubs werden sie künftig häufiger zu hören bekommen: "Zutritt verboten". Das Aussperren der Ungeimpften mag Veranstaltern zwar gelegentlichen Ärger mit Betroffenen einbringen. Dafür lockt der Senat mit weitgehender Befreiung von Corona-Auflagen wie Abstandsgebot und reduzierte Gästezahl.
„Wer sein Recht auf Unvernunft wahrnehmen will, der muss damit rechnen, dass sich andere vor ihm schützen.“
Wolfram Henn, Mitglied des Deutschen Ethikrats
Auch wenn die Impfgegner eine "Impfpflicht durch die Hintertür" beklagen – die Entscheidung des Hamburger Senats ist nachvollziehbar. Sie ermöglicht Menschen, die sich für eine Impfung entschieden haben - in Hamburg sind das bislang rund 60 Prozent -, wieder mehr Freiheit und Normalität im Alltag. Es ist zwingend geboten, dass der Mehrheit von Geimpften und Genesenen nicht länger Einschränkungen zugemutet werden, nur weil eine Minderheit den Piks in ihren Oberarm ablehnt – und dadurch womöglich sich und andere gefährdet. Wolfram Henn, Mitglied des Deutschen Ethikrats, bringt es auf den Punkt: "Wer sein Recht auf Unvernunft wahrnehmen will, der muss damit rechnen, dass sich andere vor ihm schützen."
Wer sich der Impfung entzieht, ohne gesundheitliche Gründe dafür zu haben, verweigert einen gesellschaftlichen Akt der Solidarität. Denn Geimpfte reduzieren nicht nur für sich, sondern auch für andere die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Und sie schützen damit all jene, deren Immunsystem auf die Vakzine nicht anspricht oder die durch eine Krankheit oder eine Krebstherapie geschwächt sind. Nicht zu vergessen die Kinder unter zwölf Jahren.
Auch wenn die meisten Politiker außerhalb der Hansestadt sich derzeit aus Wahlkampfgründen noch nicht an die 2G-Regelungen herantrauen: Ihre taktische Zurückhaltung werden sie wohl spätestens ab dem Herbst aufgeben, wenn Neuinfektionen - wie prognostiziert - durch die Decke gehen sollten und Covid-19-Patienten Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenzen bringen. Dann könnte sich das Modell rasch in ganz Deutschland durchsetzen.
"Es kann nicht sein, „dass sich für Geimpfte nichts ändert, nur weil die Gesellschaft dauerhaft Rücksicht auf die Verweigerer nehmen muss.“
Tobias Hans, saarländischer Ministerpräsident
Impfmuffel in Bayern können sich schon mal auf weitere Einschränkungen einstellen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verhehlt in Interviews nicht, dass er dieser Gruppe im Winter ungern Zutritt bei Veranstaltungen in Innenräumen gewähren möchte – selbst, wenn sie einen negativen Corona-Test vorweisen kann. Dieser gilt als unzuverlässig. Die 3G-Strategie (Geimpfte, Genesene, Getestete), bei der ab einer Inzidenz von 35 eine Testpflicht für den Zugang etwa zur Gastronomie besteht, hält Söder deshalb nur für eine Zwischenlösung.
Unterstützung erhält er von seinem saarländischen Amtskollegen Tobias Hans (CDU). Dieser fordert, Impfverweigerern nicht die gleichen Freiheitsrechte zurückzubegeben wie Geimpften. "Sie müssen zum Beispiel für Schnelltests zahlen oder können nicht an jeder Veranstaltung teilnehmen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zu Recht verweist Hans darauf, es könne nicht sein, "dass sich für Geimpfte nichts ändert, nur weil die Gesellschaft dauerhaft Rücksicht auf die Verweigerer nehmen muss".
Wer diese Haltung als ungerecht empfindet, dem gibt der Mainzer Ethikprofessor Norbert W. Paul zu bedenken, dass es aus ethischer Sicht nicht ungewöhnlich ist, Ungleiches ungleich zu behandeln. Daher, sagt Paul, "ergibt sich aus dem 2G-Modell allein aus der Ungleichbehandlung keine Ungerechtigkeit".