Sie sind eine kleine Minderheit. Dennoch erwecken sie mit ihrem öffentlichkeitswirksamen Widerstand gegen die geplante Impfpflicht und andere Corona-Maßnahmen den Eindruck, eine gewaltige Protestwelle habe das ganze Land erfasst. Dabei steht die öffentliche Aufmerksamkeit für die bunt zusammengewürfelte Demonstrantenschar im krassen Gegensatz zu ihrer Bedeutung und zu den meist substanzlosen Botschaften.
Vielleicht ist das der Grund, warum die große Mehrheit der Deutschen dem Treiben lange Zeit scheinbar ungerührt zugeschaut hat. Mittlerweile bekommen die Querdenker, Impfverweigerer und andere Gegner der Corona-Maßnahmen allerdings bundesweit immer mehr Gegenwind zu spüren. Endlich!
Würzburger und Schweinfurter zeigen mit Online-Petitionen klare Kante
Mit an der Spitze der Geradeausdenker-Bewegung: Würzburger und Schweinfurter Bürgerinnen und Bürger. In Online-Petitionen zeigen sie klare Kante. Sie wollen nicht länger hinnehmen, so heißt es in der Würzburger Petition, dass "eine Gruppe politisch motivierter Menschen versucht, mit Fackelmärschen, kruden Verschwörungstheorien und gezielten Fehlinformationen, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben".
Auch die Bewohner von Ebern im Landkreis Haßberge haben mit einer Aktion landesweit für Furore gesorgt. Sie stellten braune Mülltonnen entlang einer Demo-Route durch ihren Ort - ein Zeichen gegen rechte Gruppierungen wie "Der III. Weg" und "Kollektiv - Zukunft schaffen, Heimat schützen", die den Demonstrationszug mit anführten.
Würzburger Terrorismusexperte Peter Neumann schließt "terroristische Gefahr" nicht aus
Es ist ein ermutigendes Signal, dass die Straßen und Plätze landauf, landab nicht länger rechten Schwurblern, Leugnern und Radikalen überlassen werden. Viel zu lange sind die sogenannten Spaziergänge als harmlose Umtriebe unterschätzt worden. Nach zahlreichen gewaltsamen Protesten von Gegnerinnen und Gegnern der Corona-Maßnahmen hat sich das geändert. Jetzt ist die Sorge vor einer weiteren Radikalisierung groß. Denn der extremistische Teil der Protestierenden ist "brandgefährlich, weil sie mittlerweile nicht nur reden, schwätzen, sich gegenseitig hochstacheln, sondern auch zu Taten schreiten", wie der nordrhein-westfälische Innenminister Herber Reul (CDU) zu Recht warnt.
Wer mit diesem Wissen dennoch weiterhin gemeinsam mit Neonazis marschiert und sich vor deren Karren spannen lässt, muss sich darüber im Klaren sein: Mit seinem Verhalten trägt er dazu bei, die Demokratie zu unterhöhlen und das gesellschaftliche Miteinander zu vergiften. Der Würzburger Terrorismusexperte Peter Neumann schließt mit Blick auf die gewalttätigen Proteste sogar eine "terroristische Gefahr" nicht aus. Seine Befürchtung begründet er vor allem mit den "komplexeren Anschlägen auf das RKI oder auf Kliniken und auf Impfstellen". Bundesweit gab es Angriffe auf Impfzentren, unter anderem mit Molotowcocktails auf eine Einrichtung in Sachsen.
Der Rechtsstaat ist gefordert, wenn rechtsextreme Protestierende die Demokratie destabilisieren wollen
Die derzeit aufgeheizte Stimmung lässt einen konstruktiven Dialog zwischen friedlichen Querdenkern und Geradeausdenkern zwar nahezu aussichtslos erscheinen. Dennoch sollten beide Lager für sachliche Gespräche offen sein. Gerade jetzt brauchen wir eine robuste Streitkultur. Es gehört zum Wesen einer Demokratie, auch radikale Positionen zu ertragen und sich mit ihnen zu beschäftigen – ohne dem Gegenüber pauschal unaufrichtige Motive zu unterstellen. Es täte allen Beteiligten gut, einander zuzuhören und zu akzeptieren, dass ein wertschätzendes Gespräch mehr ist als nur die eigene Ansicht als unumstößliche Wahrheit vorzutragen. Es geht darum, die Vielfalt von Wahrnehmungen und Sichtweisen anzuerkennen und nicht auf jeden Fall recht behalten zu wollen.
Gleichzeitig gilt es, entschieden jene in die Schranken zu verweisen, die mit ihrem Protest vor allem eines im Sinn haben: die Demokratie und ihre Institutionen zu destabilisieren. Hier ist der Rechtsstaat gefordert: Gewalt darf nicht toleriert werden!