Auf diese Nachricht hat haben die Menschen hierzulande seit Tagen gewartet: Die gravierenden Corona-Maßnahmen beginnen zu greifen. Und zwar messbar. Ein Infizierter steckt mittlerweile durchschnittlich nur noch einen seiner Mitmenschen an. Zwischenzeitlich war das Verhältnis schon mal bei 1:7. Diese positive Entwicklung ist der erste sichtbare Silberstreif am Corona-Firmament. Aber mehr auch nicht. Deshalb dämpft das Robert-Koch-Institut zu Recht Erwartungen an eine rasche Rückkehr in den gewohnten Alltag. Nach Ansicht der Experten können die erheblichen Kontaktbeschränkungen frühestens dann gelockert werden, wenn ein Covid-19-Erkrankter im Durchschnitt weniger als einen Menschen ansteckt.
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Ein Blick auf die Corona-Statistiken verdeutlicht es eindrücklich: Die Zahl der Infizierten in Deutschland steigt täglich weiter an. Gleiches gilt für die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen – und leider auch für die Zahl der Toten. Es ist also nach wie vor dringend erforderlich, sich diszipliniert an die zwar nervenden, aber unvermeidbaren Einschränkungen zu halten. Alles andere wäre Harakiri.
Debatte über ein Ende des "Shutdown" nimmt Fahrt auf
Zum Glück sieht das die große Mehrheit der Deutschen laut Umfragen genauso. Noch jedenfalls. Einer YouGov-Befragung zufolge halten 44 Prozent der Bundesbürger die Maßnahmen für ausreichend. Sogar 41 Prozent der Befragten sprechen sich für weitergehende Einschränkungen aus.
Dessen ungeachtet nimmt die Debatte über einen Ausstieg aus der häuslichen Isolation seit ein paar Tagen deutlich Fahrt auf. Das langsamere Ansteigen der Corona-Neuinfektionen wird die Befürworter nun wohl zusätzlich beflügeln. Damit keine Missverständnisse entstehen: Natürlich ist es legitim und notwendig, von der Politik ein Szenario zu verlangen, wann und wie sie sich die Rückkehr zur Normalität vorstellt, welche Kriterien dazu erfüllt sein müssen. So fordert beispielsweise der renommierte Deutsche Ethikrat, Freiheitsbeschränkungen müssten "kontinuierlich mit Blick auf die vielfältigen sozialen und ökonomischen Folgelasten geprüft und möglichst bald schrittweise gelockert werden".
Wie groß wird die Zahl derer sein, die durch die Quarantäne psychisch erkranken?
Die Mitglieder des unabhängigen Sachverständigengremiums lassen aber keinen Zweifel daran, dass sie den augenblicklichen Kurs der politisch Verantwortlichen befürworten. Zugleich mahnen die Wissenschaftler an, genau zu prüfen, in welchem Ausmaß und wie lange eine Gesellschaft derart starke Einschränkungen ihres Alltagslebens verkraften kann. Wie wirken sich zum Beispiel die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise auf die Menschen aus? Wie groß wird die Zahl derer sein, die durch die Quarantäne psychisch erkranken? Fördern die Ausgangsbeschränkungen möglicherweise häuslicher Gewalt und Kindesmissbrauch?
Fragen wie diese gilt es seriös zu beantworten. Das wird nicht ohne breiten gesellschaftlichen Konsens gelingen, der alle wesentliche Aspekte mit einbezieht: medizinische, soziale, psychologische, ethische, wirtschaftliche und politische. Die Antworten werden entscheidend dafür sein, wann und wie wir wieder in die "Normalität“ zurückkehren können. Der Kölner Psychologe Stephan Grünewald ist optimistisch, dass das klappen kann, allerdings unter einer Bedingung: "Lockerungen der Maßnahme müssen damit verbunden werden, dass die Menschen klare und individuell differenzierte Handlungsanweisungen bekommen, wie sie der Bedrohung begegnen können."
Die Priorität bei der Vorgehensweise sollte aber unstrittig sein: Natürlich müssen heute bereits Strategien für die Zeit nach der Krise entwickelt werden. Doch das Gebot der Stunde verlangt es, sich zunächst weiterhin ohne Wenn und Aber entschlossen dem Kampf gegen das Virus zu widmen.