„Wir schaffen das!“ Ein banaler Satz. Eigentlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihn vor fünf Jahren auf einer Pressekonferenz eher beiläufig gesagt. Damals, Ende August 2015, am Beginn der heraufziehenden sogenannten Flüchtlingskrise, ahnte wohl niemand, dass diese drei Wörter einmal in die Geschichtsbücher eingehen werden. Keine andere Aussage der Regierungschefin während ihrer fast fünfzehnjährigen Kanzlerschaft hat sich so sehr ins kollektive Gedächtnis eingeprägt wie dieses Mutmacher-Mantra „Wir schaffen das“ - auch weil es bis heute das Land spaltet.
Nach wie vor entzweit die Frage, ob Flüchtlinge hierzulande willkommen oder unerwünscht sind, die Gesellschaft. Wenngleich die Corona-Pandemie das Thema derzeit in den Hintergrund gedrängt hat, sind die Gräben zwischen beiden Lagern unvermindert tief. Umfragen zufolge stehen sich die etwa 60 Prozent Befürworter der Merkelschen Migrationspolitik und deren Gegner nahezu unversöhnlich gegenüber.
„Der Sog zur politischen Mitte hin fand ein Ende"
Für den Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist diese konfrontative Konstellation keine Überraschung. Denn das Jahr 2015 hat seiner Einschätzung nach „eine Spaltungslinie in der deutschen Gesellschaft offengelegt“ und die Politik radikalisiert. „Der Sog zur politischen Mitte hin, den wir vorher gesehen haben, fand da ein Ende."
Und das mit nachhaltigen Kollateralschäden. So verdankt die AfD ihr Erstarken maßgeblich der inhaltlichen Ausrichtung als aggressive Anti-Flüchtlings-Partei. „Die Wirklichkeitsverweigerung namens Populismus hat sich organisiert und wird immer wieder hochblubbern und ernsthafte Politik behindern", analysiert der Magdeburger Psychologie-Professor Thomas Kliche im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" treffend den Aufstieg der Rechtspopulisten. Die hartnäckigen Merkel-muss-weg-Rufer, so Kliche, neigten dazu, sich „in einer Mischung aus Gefühlen und gewolltem Nichtdenken die Wirklichkeit zurechtzubiegen“.
Es knirscht und knarzt noch an verschiedenen Ecken
Freilich muss man sich die Wirklichkeit nicht erst zurechtbiegen, um festzustellen: Fünf Jahre nach dem legendären Satz der Bundeskanzlerin ist längst nicht alles „geschafft“. Es knirscht und knarzt noch an verschiedenen Ecken. Johannes Hardenacke, Sprecher der Regierung von Unterfranken, bringt es auf den Punkt: „Letztlich sind wir noch mittendrin im Marathon der Integration mit den Herausforderungen in den Bereichen Bildung, Arbeits- und Wohnungsmarkt.“
Nicht zu vergessen die Großbaustelle EU. Die Mitgliedsstaaten haben es bislang nicht vermocht, sich auf eine gemeinsame Strategie in der Asylpolitik zu verständigen. Die unhaltbaren Zustände in einigen Flüchtlingslagern an den Grenzen Europas sind nur ein Beispiel für kollektives Versagen.
"Unterfranken ist mir der gewaltigen Herausforderung sehr gut fertig geworden."
Dennoch: Die "Wir-schaffen-das"-Ermunterung von Angela Merkel hat unter dem Strich mehr Früchte getragen als so mancher Obstbaum im Garten ihrer Kritiker. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ist mit überwiegend großem Engagement bemerkenswert viel für jene rund 1,1 Millionen Flüchtlinge geleistet worden, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland kamen. Respekt und Anerkennung gebührt aber vor allem den unzähligen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Ohne sie wäre das Unternehmen „Wir schaffen das“ von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. So aber kann man der früheren Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) nur zustimmen: „Unterfranken ist mit der gewaltigen Herausforderung sehr gut fertig geworden.“
Eine gewiss größere Herausforderung steht Politik und Gesellschaft indes erst noch bevor: Es braucht jetzt dringend Lösungen, wie die Deutschen nach all den Jahren der Zerwürfnisse wieder mehr zueinander finden können. Ansonsten ist das demokratische Miteinander langfristig gefährdet. Eine Herkulesaufgabe, für die nur gelten kann: Wir schaffen das!