Sommermärchenaffäre. Verdacht der Steuerhinterziehung. Razzien. Vorteilsnahme. Intrigen. Beleidigungen. Das Bild, das der Deutsche Fußball-Bund seit Jahren in der Öffentlichkeit abgibt, ist verstörend. Gleich serienweise stolperten die Präsidenten des mit über sieben Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbandes der Welt, nur einer hielt in diesem Sumpf seit 15 Jahren beständig den Kopf über Wasser: Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes und jahrelang als 1. Vize-Präsident so etwas wie der hausinterne Feuerwehrmann. Mehrmals führte der Amateurvertreter den Verband interimsweise. Damit ist es nun vorbei. Jetzt ist auch Rainer Koch gestolpert.
In die Kritik war der erfahrene Sportfunktionär durch seine Hinterzimmer-Politik oft geraten, erst zuletzt hatten die drei ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, Reinhard Grindel und Fritz Keller in einem beispiellosen, gemeinsamen Aufruf gefordert, "das System Koch zu beenden".
Es war keine Kampfkandidatur, sondern schlicht: eine Wahl
Koch wehrte sich – und zur Wahrheit gehört auch, dass er ein emsiger Kümmerer ist und bislang sämtliche staatsanwaltliche Untersuchungen gegen ihn eingestellt worden sind. Beim Bundestag in Bonn wollte er erneut als Vize ins Präsidium einziehen. Dass nun in der Nachbetrachtung oft von einer Kampfabstimmung die Rede ist, offenbart, wie neu für Viele so ein Verfahren in diesem Verband ist. Denn beim Bundestag stellten sich zwei Kandidaten im Rennen um den Vize-Präsidentenposten, der dem süddeutschen Regionalverband zusteht: Die hessische Sportwissenschaftlerin Silke Sinning und der oberbayerische Jurist Rainer Koch. Das Prozedere heißt in einer Demokratie schlicht: Wahl.
Bislang aber wurden die herausragenden Posten beim DFB stets im Vorfeld vergeben, Allianzen geschmiedet – und die Kandidaten dann beim Bundestag abgenickt. Koch ging auch diesmal davon aus, dass er das Feld perfekt bestellt hatte. Schließlich gehörte Sinning dem Lager des Präsidentschaftskandidaten Peter Peters an, dessen visionslose Bewerbung nur in dem Wahlspruch bestand: "Koch muss weg". Gegen den früheren SPD-Politiker Bernd Neuendorf galt Peters' Kandidatur als aussichtslos. Als Peters tatsächlich durchgefallen war, musste Koch annehmen, dass Sinning ihre Kandidatur zurückzieht.
Silke Sinning wechselte plötzlich die Seite
Doch das tat sie nicht. Sie wechselte entschlossen das Lager und stellte sich zur Wahl. Es war der Moment, in dem Rainer Koch die Kontrolle verlor. Oder, wie es ein langjähriger DFB-Beobachter formulierte, "die Maske fallen ließ". Dass Koch noch vor der Wahl die Delegierten vom Rednerpult aus aufforderte, seine Kandidatur "wie im Falle einer Bestätigung auch mit zu unterstützen – oder, wenn Sie das nicht möchten, dass Sie sich eben an der Wahl dann nicht beteiligen", ist skandalös.
Die Quittung bekam Koch postwendend: Er scheiterte gegen die Herausforderin mit 68:163 Stimmen. Da scheint sich viel angestaut zu haben, das sich in der geheimen Wahl entlud. Kochs Gegner mussten nichts mehr befürchten.
In Zeiten, da sich führende Sportfunktionäre weltweit viel zu oft mit Autokraten verbandeln, offenbart Koch ein fragwürdiges Demokratieverständnis und disqualifiziert sich mit dieser Aussage für weitere Funktionen. Er kann mit solch einer Haltung nicht Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes bleiben und auch nicht deutsches Mitglied im Uefa-Exekutivkomitee. Er wäre gut beraten, wenn er die Ämter freiwillig zur Verfügung stellen würde, um auch hier den Weg frei zu machen für eine Erneuerung.
Dass Rainer Koch die Kandidatur von Silke Sinning mit einem Antrag seines Bayerischen Fußball-Verbandes erst möglich gemacht hatte, ist eine Ironie am Rande: Der Strippenzieher aus Poing hatte sich verkalkuliert. Er verhedderte sich in seinem eigenen Geflecht.