Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten
Leitartikel
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Warum Trumps Rede nur ein Strohfeuer ist

Leitartikel

Leitartikel: Warum Trumps Rede nur ein Strohfeuer ist

    • |
    • |

    Donald Trump ist ein Performer, er hat zeitlebens von seiner Außenwirkung gelebt. Mit der ersten Rede vor dem Kongress demonstriert der holprig gestartete US-Präsident nun Lernfähigkeit: Wenn er politisch überleben will, genügen hemdsärmelige Auftritte vor Hardcore-Fans nicht mehr. Trump muss seine Basis verbreitern und auch beim Gegner Verbündete suchen. Der gemäßigte Auftritt im Kapitol zeigt, dass Trumps Agenda sich auch in sachlichen Tönen vertreten lässt, ohne neue Empörung zu schüren. Dass der impulsive 70-Jährige diesen Kurs durchhält, ist allerdings ziemlich fraglich.

    Es dürften nicht nur sein empfindliches Ego und die miserablen Umfragewerte sein, die Trump zu einer disziplinierten Wortwahl bewogen haben. Die Rede fiel auch politisch in ein prekäres Umfeld. Die demokratische Opposition hält nichts von Trumps Wahlversprechen, die Gesundheitsreform zu kassieren und großzügig Steuern zu senken; die Republikaner sind bei beiden Themen zerstritten. Mit präsidentiellen Verfügungen ist es diesmal nicht getan: Trump braucht den Kongress, um hier etwas zu ändern.

    Image als Erfolgsmensch und Verhandler

    Den Erfolg bei seinen Anhängern verdankt Trump seinem Image als Erfolgsmensch und Verhandler. Er hat versprochen, all jene Probleme zu lösen, an denen andere scheitern. Wenn er nicht liefern kann, weil er im Kongress strandet, beschädigt er den Kern seiner Marke. Seine Zugeständnisse an die Gepflogenheiten im Kapitol verdanken sich also nicht nur dem Respekt vor dem Ort, sondern der Einsicht in die Notwendigkeit, Brücken zu schlagen.

    Die Opposition hörte freilich kaum mehr als einen Wolf, der Kreide gefressen hat: In der Substanz ließ Trump keine Verhandlungsbereitschaft erkennen. Unmittelbar vor der Ansprache förderte das Weiße Haus zwar Gerüchte, wonach der Präsident bereit sein soll, im Rahmen einer breiten Einwanderungsreform auch solchen Menschen eine Perspektive zu eröffnen, die sich illegal im Land aufhalten – das wäre ein Bruch mit einem zentralen Argument aus dem Wahlkampf. Doch in Trumps Rede war davon nichts zu hören. Und dass er zahlreiche Vorhaben ausließ, die wichtige Anliegen der Demokraten bedrohen, bedeutet nicht, dass er sie vergessen hätte.

    Über Freiheit von Angst referiert

    Die Witwe eines im Jemen getöteten US-Soldaten erhielt den längsten Beifall des Abends, doch Trumps Charakterisierung des Einsatzes im Jemen ist höchst umstritten. Dass ausgerechnet die Regierung der „alternativen Fakten“ die Fackel der Wahrheit schwenkte, war kaum weniger zynisch als die Passagen, in denen der routinierte Untergangsprophet über Freiheit von Angst referierte. „Die Zeit kleingeistiger Kämpfe liegt hinter uns“, verkündete der Twitter-König ansonsten, der sich allmorgendlich über Nichtigkeiten echauffiert.

    Nichtsdestotrotz war der Grundton der Rede einer, der gemäßigte Konservative an Ronald Reagan erinnern könnte. Trumps Agenda hielt einige bittere Pillen für sie bereit, neben der unberechenbaren Handelspolitik vor allem eine mutmaßlich weiter steigende Verschuldung. Gleichzeitig gibt es durchaus Anliegen, die Demokraten ansprechen – breite Infrastrukturinvestitionen hat ihr Präsident Barack Obama in den vergangenen Jahren gebetsmühlenhaft gefordert. Der persönlich eher pragmatische Trump hat im Wahlkampf die ideologischen Lager gesprengt und hätte womöglich auch in Washington dazu eine Chance, wenn er dauerhaft darauf verzichtete, Ängste und Hass zu bedienen.

    Das ist allerdings zweifelhaft. Trump lebt von einem Image als zorniger Elefant im Porzellanladen, seine Anhänger feiern Tabubrüche. Wer das mit einem konstruktiven Verhältnis zum politischen Establishment verbinden wollte, bräuchte ein extremes Maß an persönlicher Disziplin genauso wie einen effizient organisierten Stab professioneller Mitarbeiter. Nichts davon hat Trump bislang erkennen lassen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden