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Medienkonsum: Richtige Dosis zählt

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Medienkonsum: Richtige Dosis zählt

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    Gerade ist die Computerspiel-Messe Gamescom in Köln eröffnet worden, und dort stellen 600 Aussteller das Neueste auf dem Sektor der Computerspiele vor – dieses Jahr vor allem Online-Spiele und Spiele für Smartphones und Tablet-PCs, natürlich insbesondere für Kinder und Jugendliche. Damit stellt sich aber insbesondere für Eltern heute verstärkt die Frage, wie sie mit den Computerwünschen ihrer Kinder umgehen sollen. Und die Schule steht vor dem Problem, wie der Unterricht darauf reagieren soll, dass Schülerinnen und Schüler Geräte besitzen, mit denen sie permanent mit dem Internet verbunden sein können. Hat der Hirnforscher und Psychiater Manfred Spitzer recht, wenn er Computer als schädlich für das Gehirn ansieht und die Meinung vertritt, dass Laptops nicht in Kindergarten und Grundschule gehören (vgl. Main-Post vom 14. August 2012, Das Thema)? Im Folgenden sollen einige Fragen im Zusammenhang mit der zukünftigen Bedeutung digitaler Medien für Erziehung und Bildung angesprochen werden.

    Sollen Kinder einen Computer bekommen?

    Kinder haben heute frühzeitig Zugang zu Computern und müssen den – sinnvollen – Umgang mit dieser Technologie lernen. Dieses Lernen – und das gilt für alle technischen Geräte – geht nur in Wechselbeziehung mit der Nutzung dieser Medien. Sinnvoll kann aber nur jemand den Computer benutzen, wenn er Fragen und Problemstellungen hat, zu deren Beantwortung oder Lösung der Computer – beziehungsweise das Internet – verwendet werden kann. Wer fragen kann, muss aber Wissen und Interesse haben. Dieses auszubilden, dafür gibt es viele Wege; neben Büchern und Gesprächen ist dabei die Nutzung digitaler Medien heute eine wichtige Quelle.

    Brauchen Kinder ein Smartphone?

    Diese Frage berührt den uralten und doch immer wieder aktuellen Bereich der Beziehung zwischen Bildung, Erziehung und Gesellschaft. Schülerinnen und Schüler haben oder werden in nächster Zeit (fast) alle ein Smartphone besitzen. Das können Erziehung und Schule nicht ignorieren, das muss vielmehr positiv genutzt werden. Es gibt heute bereits zahlreiche Lernprogramme und -software – etwa für den Mathematikunterricht – die in nächster Zeit in der Schule eingesetzt werden können. Smartphones im Unterricht werden – teilweise – Laptops und Taschencomputer verdrängen (sobald Fragen des Prüfungseinsatzes und Internetabkopplung zufriedenstellend geklärt sind).

    Verbringen Jugendliche zu viel Zeit am Computer?

    Der durchschnittliche Medienkonsum von Jugendlichen in Deutschland liegt bei mehr als sieben Stunden pro Tag. Zu den Medien zählen dabei Fernsehen, Radio, Musikhören und Online-Zeitungen. Das ist sehr viel Zeit und man mag das – berichtigt – als zu viel ansehen. Andererseits sind Leistungsbereitschaft und der Sinn für soziale Beziehungen – nach der letzten Shell-Jugendstudie – stark ausgeprägt. Aktivitäten wie Sport, Kultur oder ein Musikinstrument lernen haben bei Jugendlichen immer noch eine hohe Bedeutung. Solange es eine Ausgewogenheit zwischen digitalem Medienkonsum und sonstigen „analogen“ Aktivitäten gibt, und wenn sogar das Benutzen des Computers in Beziehung zu diesen Aktivitäten steht, so mag das noch(!) als akzeptabel erscheinen.

    Was bringen Computer überhaupt für das Lernen?

    In Schule und Bildungssystem sind Medien kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum besseren oder anderen Verständnis von Inhalten. Medienkompetenz ist keine technische Bediener-, sondern eine inhaltsorientierte Benutzerkompetenz. Deshalb muss und kann es nur das Ziel eines jeglichen Einsatzes neuer Medien in Schule und Bildungssystem sein, das Verständnis beim jeweils zu behandelnden Inhalt, sei es in Deutsch, Mathematik oder Physik, zu erhöhen. Wird das durch den Einsatz neuer Medien nicht erreicht, haben diese in der Schule auch keinen Platz. Es ist allerdings heute so, dass Schulabgänger – wenn es über die Benutzung von Text- und Präsentationssoftware hinausgeht – nur rudimentäre Kenntnisse in der fachlichen Verwendung – etwa in der Mathematik – neuer Medien haben. Hier hat Deutschland gegenüber anderen Ländern noch einen deutlichen Nachholbedarf.

    Verlernt man durch Computer das Denken?

    Das Suchen in langen Listen, das Ordnen von Daten oder Durchführen langer Rechnungen ist mit einem Computer eine große Erleichterung. Führt dies zu einer Trägheit oder gar einer Demenz des Gehirns? Grundfertigkeiten müssen heute in der Grundschule verstärkt geübt und trainiert werden. Kopfrechenübungen und händische Tätigkeiten wie Basteln sind noch wichtiger als früher geworden. Darüber hinaus stehen der Denkerleichterung mit Computern heute kreative Tätigkeiten gegenüber, die Computer nicht beherrschen, wie etwa das Finden von Problemlösungen oder das Interpretieren von Daten. Eine computerunterstützte Beschäftigung kann so zu einer kreativitätsfördernden Aktivität werden.

    Zum Schluss nochmals eine Warnung vor neuen Medien. Durch sie werde „die deutsche Sprache . . . zerfetzt, zerzaust und zerfleischt“. Neue Medien sollten deshalb mit einem Warnhinweis für Heranwachsende versehen werden, damit man „daraus ersieht, wie man nicht schreiben soll“. Dies meinte Arthur Schopenhauer zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die neuen Medien waren damals die gedruckten Zeitungen.

    Hans-Georg Weigand

    Hans-Georg Weigand beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Einsatz neuer Medien im Mathematikunterricht. Der gebürtige Würzburger hat zahlreiche Bücher und Artikel zu diesem Thema verfasst. Der 60-Jährige ist auf nationaler und internationaler Ebene in verschiedenen Kommis- sionen zur Erforschung der Bedeutung digitaler Medien in der Bildung tätig. Weigand kommt aus dem Schuldienst und ist heute Professor für Didaktik der Mathematik an der Universität Würzburg. FOTO: Weigand

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