Wenn die Ukrainer einer Bestätigung für ihre Enttäuschung über Deutschland bedurften, dann haben sie diese im Bundestag bekommen. Ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Abgeordneten und der Bundesregierung geschildert, was Krieg ist. Er hat den Politikern des mächtigsten Landes der EU ins Gewissen geredet und sie auch hart kritisiert. Nach dieser historischen Bitte um Beistand ging das deutsche Parlament zur Tagesordnung über. Es wurde zum Geburtstag gratuliert, dann über die Impfpflicht gestritten. Kanzler Scholz (SPD) hielt es nicht für nötig, auf Selenskyj zu antworten, der eine weitere Bombennacht hinter sich hatte.
Weniger Taktgefühl, weniger Empathie, weniger Sinn für Symbolik kann man nicht haben. Es wäre so wichtig gewesen, gerade weil der Bundeskanzler Selenskyj nicht geben kann, was er will. Deutschland kann dieses Jahr noch nicht auf russisches Gas verzichten, weil es sonst in eine schwere Wirtschaftskrise fällt. Eine Flugverbotszone kann die Nato nicht riskieren, weil sonst ein Atomkrieg droht. Jetzt rächt sich, dass Deutschland seine Sicherheit in die Hände der USA, seine Energieversorgung in die Hände Russlands und sein Exportwachstum in die Hände Chinas gegeben hat.
Für die Ukrainer ist diese Erkenntnis ernüchternd. Sie müssen weiter alleine kämpfen und werden durch russische Bomben sterben. Umso wichtiger wären kraftvolle Symbole, die zumindest ihren Widerstandswillen mit neuen Funken nähren. Die politische Klasse Deutschlands hat sich blamiert.