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Biblisches Hindernis für Journalisten: Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein

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Biblisches Hindernis für Journalisten: Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein

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    Ohne Prediger zu sein, muss ich der Quelle, dem Johannes-Evangelium, kurz nähertreten. Darin sagt Jesus angesichts einer Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Die Frau entging der schweren Strafe, bekam damit die Chance zur Besserung.

    Steinigung droht hier niemandem. Nahezu gleichgesetzt wird ihr aber heutzutage anhaltende Medienkritik an Persönlichkeiten. Als Beispiele sollen Karl-Theodor zu Guttenberg oder aktuell, Bundespräsident Christian Wulff, genannt sein.

    Würde man der Moral der Mahnung an den ersten Steinwerfer folgen, hieße das für den Journalismus: Lasst die Leute in Ruhe, schließlich seid ihr selbst nicht fehlerfrei. Auch wenn Journalisten nie abgeschrieben oder Vorzugskredite erhalten haben, trifft sie das. Sie werden vorbeugend disqualifiziert. Die Logik: Niemand ist ohne Fehl, so darf es auch der Politiker sein. Freilich waren mit solcher Sozialisierung eines Werteverfalls bisher weder Journalismus noch Rechtsprechung lahmzulegen.

    Hilfsweise habe ich ein literarisches Zitat herausgekramt: „Ein Mensch ohne Fehler ist kein vollkommener Mensch.“ Es wird Alfred Polgar (1873-1955) zugeschrieben, einem österreichischen Schriftsteller, der auch Kritiker gewesen ist. Gut möglich, dass er sich mit seiner menschlichen Erhöhung der Fehler in dieser Rolle gestärkt hat. Ich nehme das dankbar in Anspruch, bevorzuge sonst aber die Volksweisheit, dass nicht mit Steinen werfen soll, wer im Glashaus sitzt. Die steht Journalisten nämlich nicht im Wege, etwa wenn sie ihrer Kontrollfunktion gegenüber wichtigen Politikern kritisch nachkommen; deshalb nicht, weil Medien keine Glashäuser sein dürfen. Sie müssen sich offen der Diskussion mit ihren Nutzern stellen. Die erreicht sie nicht mehr alleine über Leserzuschriften, sondern oft schonungslos in den Foren des Internets. Dabei zerbricht nichts, also auch kein Glas. Deshalb habe ich vergangene Woche hier zu nützlicher Leserkritik herausgefordert.

    Kontraproduktiv ist es, vor Kritik und damit gleichsam vor der Meinungsfreiheit, ein biblisches Hindernis zu erbauen. Oft verbirgt sich dahinter Schuldbewusstsein, verknüpft mit der Forderung, es endlich gut sein zu lassen. – Ab hier möge nun aber bitte wieder die Geistlichkeit Deutungen der Bibel übernehmen.

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