Namenstage sind so was von vorbei. Doch sollten heute Millionen von Dankgebeten gen Himmel steigen: Danke, heilige Hildegard, an deinem Festtag für das Dinkelbrot, die Dinkelsauce, die Dachsfellschlappen, die Schrundensalbe, die Entspannungsmusik, die sanfte Medizin, die Geistheilung und Kristalltherapie nach Deiner Art, und Danke vor allem für das Geld, das man in Deinem Namen verdienen oder verschleudern kann. Hätte sie vorausschauend ihren guten Namen patentieren lassen, wäre der magischen Mystikerin aus dem 12. Jahrhundert als Vielzweck-Patronin manches erspart geblieben im Land der „Heiler, Scharlatane und Gurus“ („Der Spiegel“). Hardcore-Fans müssen jetzt nicht weiterlesen. Wagt es doch eine frische Doktorarbeit, den Hype um die Heilige zu entzaubern. Maura Zátonyi, Nonne im Hildegardiskloster Eibingen, ging der Überlieferung aller Werke der Äbtissin nach. Ihr Fazit: „Die heute weltweit bekannte Marke ,Hildegard-Medizin‘ beruht auf einem Missverständnis. Die Hildegard-Heilkunde entfremdet das Bild jener Hildegard (…) und verzerrt ihre Lehre, die sie in ihren Schriften hinterließ.“ Denn die meisten Werke stammten nicht von ihr selbst oder seien nach ihrem Tod entstanden und ihr einfach zugeschrieben worden. Vor allem sei es unhaltbar, „Hildegards Wirkung als Ärztin herauszustellen“, schreibt die Autorin. Trotz dieser wissenschaftlichen Gemeinheit werden geschäftsschädigende Nebenwirkungen ausbleiben. Denn zertifizierte Experten und Internetweisheiten werden Hildegards segensreiche Chakren weiter wabern und wuchern lassen.
Unterm Strich