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Kinder, die durch die Hölle gehen

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Kinder, die durch die Hölle gehen

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    Hamburg (dpa) Der Hungertod der siebenjährigen Jessica ist kein Einzelfall. Allein in dieser Woche häuften sich Meldungen über Aufsehen erregende Misshandlungsfälle: In Landau (Rheinland-Pfalz) erhalten Eltern Bewährungsstrafen, die ihr Baby verhungern ließen; eine Leipziger Mutter wird zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, weil sie ihren Säugling bei eisiger Kälte aussetzte; in Bückeburg (Niedersachsen) werden die Eltern und die Oma eines Babys angeklagt, das bis aufs Skelett abgemagert war.

    Verantwortliche in der Politik wie Bürger fordern Sanktionen und Strafen, um "so etwas" in Zukunft zu verhindern. Aber Experten warnen vor pauschalen Lösungsansätzen. "Es handelt sich um bedauerliche Einzelfälle. Man kann daraus nicht ableiten, dass in der Gesellschaft grundsätzlich etwas schief läuft", sagt der Mainzer Familiensoziologe Norbert Schneider.

    Das "Dorf" zerfällt

    Der Hamburger Kinderpsychiater Peter Riedesser zitiert ein afrikanisches Sprichwort: Zur Erziehung eines Kindes braucht man ein ganzes Dorf. "Doch dieses Dorf zerfällt zum Teil in galoppierender Form", sagt der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätskrankenhaus Eppendorf. Doch durch den Zerfall von familiären Bindungen gebe es "immer weniger kompensatorische Bezugsgruppen in Verwandtschaft und Nachbarschaft", die helfend eingreifen.

    Dabei seien die Eltern, die heute ihre Kinder misshandeln, oft die traumatisierten Kinder von gestern. "Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen", fordert Riedesser. Dem Kinderpsychiater (59) schwebt ein Fünf-Jahres-Plan vor, um Deutschland "zum kinderfreundlichsten Land der Welt" zu machen.

    Mutter war "überfordert"

    "Wir müssen langfristig wieder für ein kinderfreundlicheres Klima in der Gesellschaft sorgen", fordert die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Gabriele Wichert. Bis heute gebe es in der Kriminalstatistik keine Zahlen über die Vernachlässigung von Kindern. Häufig seien Eltern den familiären Problemen einfach nicht gewachsen.

    Vor dem Gericht in Leipzig sagte die sechsfache Mutter, sie sei überfordert gewesen und habe deshalb ihr Kind ausgesetzt. Das Mädchen habe viel öfter als ihre anderen Kinder geschrien. Angesichts dieser Schicksale versucht der Kinderschutzbund, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren: Für den 30. April hat er zum zweiten Mal zum Tag für gewaltfreie Erziehung aufgerufen.

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