Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von „großen Differenzen“. Ihr österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz sah eine Einigung „in den Sternen“. Und EU-Ratspräsident Charles Michel verzichtete kurz vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel darauf, von einem möglichen Durchbruch zu sprechen. Er wäre schon froh, wenn es Fortschritte gebe, sagte er. Wenn ein Spitzentreffen der 27 Staats- und Regierungschefs so beginnt, kann es nur um Geld gehen. Nach monatelangem Vorgeplänkel kamen die Staatenlenker am Donnerstag in Brüssel zusammen, um sich auf den Ausgabenrahmen für die nächste Finanzperiode von 2021 bis 2027 zu verständigen.
Und jeder hatte seinen Wunschzettel dabei: Die Kanzlerin forderte weitere Hilfen für die ostdeutschen Bundesländer sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung, für den Außengrenzschutz und zur Bewältigung der Migration. Die baltischen Ministerpräsidenten erwarteten in ungewohnter Übereinstimmung mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron die ungekürzte Fortsetzung der Direktbeihilfen für die Bauern. Die Ost-Länder pochten auf die ungeschmälerte Fortzahlung der sogenannten Kohäsionsmittel, also jenes Fonds, aus dem die Verbesserung der Infrastruktur getragen wird.
Unterschiedliche Entwürfe
Wie man, ohne die bisherigen Fördermittel zu kürzen, die durch den Brexit fehlenden zehn bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr auffangen und gleichzeitig neue Herausforderungen wie den Umbau der Wirtschaft zur klimaneutralen Produktion plus neue Initiativen zur Digitalisierung finanzieren soll, konnte beim Beginn des Treffens niemand sagen. Die auf dem Tisch liegenden Entwürfe reichen von einer bis zu 1,3 Billionen Euro für sieben Jahre. Das ist ein Unterschied von 300 Milliarden Euro.
Das eigentliche Problem aber liegt in der fairen Verteilung der Mehrausgaben. Vor allem Deutschland besteht darauf, dass die Mehrbelastungen, die im zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr liegen dürften, besser aufgeteilt werden – oder dass Berlin in den Genuss von Rabatten kommt. Ähnlich unbeugsam zeigten sich die sogenannten „sparsamen Vier“ („Frugal Four“), wie die Regierungschefs der Niederlande, Schwedens, Österreichs und Dänemarks inzwischen genannt werden. Ihre Position: Mehr als ein Prozent ihrer Jahreswirtschaftsleistung wollen sie nicht für die Gemeinschaft investieren – wie bisher auch.