Der Mammutprozess um die Freiburger Gruppenvergewaltigung zieht sich. Elf Angeklagte – acht Syrer, ein Iraker, ein Algerier und ein Deutscher, stehen unter Verdacht, eine damals 18-Jährige im Oktober in einem Gebüsch unmittelbar neben dem Eingang einer Discothek in einem Industriegebiet vergewaltigt zu haben. Zehn Prozesstage sind vorbei, die verbleibenden 17 werden nicht reichen – so viel ist schon jetzt zur Sommerpause des Landgerichts klar. Bislang scheint der Prozess mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten.
Wie sieht die Beweislage gegen die elf Angeklagten aus?
Darüber wurde bisher nur wenig im Prozess bekannt. Der Hauptangeklagte Majd H. streitet den Geschlechtsverkehr mit dem mutmaßlichen Opfer Franziska W. gar nicht ab, behauptet aber, es sei einvernehmlich gewesen. Auch Timo B. behauptet, die junge Frau habe sich ihm regelrecht aufgedrängt. Von Muhamad M. hat die Staatsanwaltschaft offenbar keine DNA-Spuren beim Opfer gefunden, trotzdem soll auch er sich an ihr vergangen haben. Die anderen Angeklagten wollten nicht aussagen. Die Beweislage sei bei den einzelnen Angeklagten sehr unterschiedlich, sagt die Staatsanwaltschaft.
Wie sehr belastet die Aussage der 18-Jährigen die Angeklagten?
Ihre Aussage fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Staatsanwaltschaft bestätigte aber, dass sich die heute 19-Jährige zum Teil nicht mehr erinnern könne, was in der Nacht geschehen sei. Unstrittig ist aber, dass sie den Haupttäter identifizieren konnte.
Gibt es ein rechtsmedizinisches Gutachten?
Ja. Der Gutachter muss nach der Sommerpause seinen Bericht erst noch vorbringen. Einzelheiten sind aber bereits bekannt. Demnach hat das mutmaßliche Opfer Hämatome an den Oberschenkelinnenseiten erlitten, ebenso sei ihr Körper von Schürfwunden gezeichnet, unter ihren Fingernägeln wurden fremde Hautpartikel gefunden – was auf ein Abwehrverhalten hindeuten kann.
Gab es Zeugen der Tat?
Ja. Diejenigen, die bislang aussagten, stehen aber selbst unter Verdacht – die Staatsanwaltschaft ermittelt noch wegen einer möglichen Tatbeteiligung. Ein Zeuge machte deshalb Gebrauch von seinem Aussageverweigerungsrecht. Ein weiterer sagte zwar aus, gab aber an, er habe gehört, wie Franziska W. mit derben Aussagen den Sex eingefordert habe, während ein Mann im Gebüsch Geschlechtsverkehr mit ihr hatte. Andererseits war er sich nicht sicher, ob die Frau wollte, was geschah. Insgesamt sind 47 Zeugen geladen. Darunter sind Besucher der Discothek, Freunde des mutmaßlichen Opfers und der Angeklagten, Mitarbeiter des Clubs.
Wie argumentiert die Verteidigung?
Der Anwalt des Hauptangeklagten Majd H., Jörg Ritzel, kündigte schon zum Prozessauftakt an, dass er einen Freispruch für seinen Mandanten erwirken wolle, da es keine Vergewaltigung, sondern einvernehmlicher Sex gewesen sei. Andere Verteidiger stützen sich auf angebliche sexuelle Vorlieben und die frühere Partnerwahl des mutmaßlichen Opfers. Die Verteidigerin von Jekar D. machte von sich reden, weil für sie offenbar relevant war, ob das Opfer an dem Abend Strapse oder normale Strumpfhosen trug.
Welche Rolle spielen Drogen in diesem Prozess?
Im Blut des mutmaßlichen Opfers waren Spuren eines Betäubungsmittels wie K.-o.-Tropfen gefunden worden. Erschwerend kommt hinzu, dass Franziska W. zu Beginn ihres Discobesuchs die Partydroge Ecstasy einnahm. Die Staatsanwaltschaft beschreibt die Nacht in der Anklage so, dass die junge Frau durch die Wirkung des Betäubungsmittels irgendwann nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich physisch zu wehren, zu schreien und zunehmend das Bewusstsein verlor. Zeugen behaupten dagegen, dass die damals 18-Jährige „voll auf Drogen“ gewesen wäre, aufgeputscht durch Ecstasy, euphorisch und sexhungrig. Männer aus dem Umfeld der Angeklagten sagten vor Gericht aus, die Partydroge verstärke die sexuelle Lust. Hier wird die Einschätzung des Drogenexperten Torsten Passie eine entscheidende Rolle spielen. Der als Gutachter geladene Wissenschaftler hat die Wirkung verschiedener Drogen erforscht.
Wie geht es weiter?
Am 9. September wird der Prozess fortgesetzt. Dann sollen die Vorstrafen der Angeklagten verlesen werden. Richter Stefan Bürgelin sprach von einer „ellenlangen Liste“. Gegen den Hauptangeklagten Majd H. und einen Mitangeklagten wird zudem ein weiteres Verfahren geführt werden – auch hier geht es um die Vergewaltigung einer jungen Frau.