Diesen Text werden einige Leser als hartherzig empfinden, als mitleidlos und kühl. Wer eine Sozialleistung wie das neue Bürgergeld oder die geplante Grundsicherung für Kinder für zu hoch hält, gilt schnell als neoliberaler Dogmatiker, der nicht weiß, wie es sich anfühlt, jeden Euro zweimal umdrehen zu müssen. Dabei sagt die reine Höhe einer Sozialleistung noch nichts über ihre Wirksamkeit aus und die Zahl von knapp vier Millionen erwerbsfähigen Beziehern von Bürgergeld noch nichts über das Armutsrisiko in Deutschland.
Das Bürgergeld steigt um zwölf Prozent
Aus der Armut führen vor allem zwei Wege: Bildung und Arbeit. Der Druck, sich eine Arbeit zu suchen, allerdings schwindet in dem Maße, in dem die staatliche Fürsorge zunimmt. Natürlich müssen deren Regelsätze steigen, wenn die Preise steigen, zumal wenn sie das so stark tun wie im Moment. Mit dem Bürgergeld aber übertreibt es die Ampelkoalition. Schon bei seiner Einführung Anfang des Jahres hat sie den monatlichen Satz für einen Alleinstehenden gegenüber dem alten Hartz-IV-Tarif um 11,8 Prozent auf 502 Euro angehoben. Nun verspricht Arbeitsminister Hubertus Heil für das kommende Jahr noch einmal eine Erhöhung um zwölf Prozent auf 560 Euro – also weit über dem, was normale Beschäftigte gerade an Lohn- und Gehaltssteigerungen erhalten.
In Kombination mit der neuen Kindergrundsicherung, die nach ersten Zahlen aus dem Familienministerium je nach Bedürftigkeit mehr als 600 Euro pro Kind und Monat betragen kann, führt das zu einem sozialpolitisch verheerendem Ergebnis: Beschäftigte mit schlecht bezahlten Jobs oder Familien mit mehreren Kindern kommen mit dem Geld vom Staat auf ein annähernd gleiches, in einigen Fällen sogar höheres Einkommen als mit der Annahme einer Arbeitsstelle. Ganz abgesehen davon, dass diese vergleichsweise hohe und weitgehend sanktionsfreie Form der öffentlichen Alimentation auch die Schwarzarbeit fördert und weitere Flüchtlinge anzieht.
Langzeitarbeitslosigkeit wird nur noch verwaltet
Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet: Dieses als „Lohnabstandsgebot“ bekannte Prinzip sollte auch in einem Sozialstaat gelten, der zu den fürsorglichsten der Welt gehört. Mit dem kräftigen Anheben des Mindestlohns hat die Ampel auf Druck der SPD zwar versucht, Geringverdiener aus der Armutsfalle zu holen und Arbeit buchstäblich lohnenswerter zu machen. Indem sie das Bürgergeld kräftig erhöht und in einem zweiten Schritt die Absicherung von Kindern ausweitet, konterkariert sie nun aber ihre eigene Politik. Die Kluft zwischen dem, was jemand mit ehrlicher Arbeit verdienen kann, und dem, was er an Bürgergeld erhalten würde, wird so nicht größer, sondern kleiner. Von den zusätzlichen Milliarden, die die arbeitende Bevölkerung mit ihren Steuern dafür aufbringen muss, ganz zu schweigen.
Es ist einiges in Unordnung geraten im Sozialstaat Deutschland, und das nicht erst seit der Regierungsübernahme durch die Ampel. Statt auch ältere oder schlecht ausgebildete Arbeitslose wieder zurück in Arbeit zu bringen, wird Langzeitarbeitslosigkeit häufig nur noch verwaltet. Zur Wahrheit gehört dabei auch, dass sich ein Teil der Betroffenen in diesem System auch ganz gut eingerichtet hat. Sozial gerecht aber, hat der frühere FDP-Chef Guido Westerwelle einmal gesagt, sei nur die Hilfe für die Bedürftigen und nicht die für die Findigen, schließlich gebe es kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit. „Wir sitzen alle in einem Boot“, fügte Westerwelle dann noch hinzu. „Aber einige müssen auch rudern.“ Sonst kippt das Boot irgendwann um.