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WÜRZBURG/PAPEETE: 28 Jahre Knast für Südsee-Mörder Arihano

WÜRZBURG/PAPEETE

28 Jahre Knast für Südsee-Mörder Arihano

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    Ein Bild aus glücklichen Tagen: Auf Panama konnte der in der Südsee ermordete Stefan R. (links) noch mit seinen Freunden lachen. Mit auf dem Bild seine Lebensgefährtin Heike Dorsch (Mitte, unten) aus dem Raum Würzburg sowie der frühere Würzburger Radiomoderator Bertel Bühring (rechts) und dessen Freundin Ute.
    Ein Bild aus glücklichen Tagen: Auf Panama konnte der in der Südsee ermordete Stefan R. (links) noch mit seinen Freunden lachen. Mit auf dem Bild seine Lebensgefährtin Heike Dorsch (Mitte, unten) aus dem Raum Würzburg sowie der frühere Würzburger Radiomoderator Bertel Bühring (rechts) und dessen Freundin Ute. Foto: Foto: B. Bühring
    Für den Mord an dem deutschen Segler Stefan Ramin und den Angriff auf dessen Würzburger Freundin Heike Dorsch im Jahr 2011 muss Arihano Haiti 28 Jahre hinter Gitter.
    Für den Mord an dem deutschen Segler Stefan Ramin und den Angriff auf dessen Würzburger Freundin Heike Dorsch im Jahr 2011 muss Arihano Haiti 28 Jahre hinter Gitter. Foto: Gregory Boissy Oissy (Afp)
    Entkam knapp dem Mörder ihres Freundes: Brutal veränderte der Mord an ihrem Freund in der Südsee vor zwei Jahren das Leben von Heike Dorsch. Darüber schrieb sie ein Buch.
    Entkam knapp dem Mörder ihres Freundes: Brutal veränderte der Mord an ihrem Freund in der Südsee vor zwei Jahren das Leben von Heike Dorsch. Darüber schrieb sie ein Buch. Foto: Screenshot: MP

    Die Richter in Papeete auf Tahiti machten es sich nicht leicht: Sechs Stunden berieten sie, um 21.15 Uhr fiel das Urteil: Für den Mord an dem deutschen Segler Stefan Ramin und den Angriff auf dessen Würzburger Freundin Heike Dorsch muss Arihano Haiti 28 Jahre hinter Gitter. Das melden zwei Zeitungen auf Tahiti auf ihrer Internetseite. Der Verurteilte will demzufolge das Urteil nicht anfechten, obwohl er dafür zehn Tage Zeit hätte.

    Das Gericht hatte nach bald zweijährigen Ermittlungen und vier Tagen der Anhörung zu entscheiden: Glaubt es dem angeklagten Arihano Haiti (33), dass er nach einem sexuell motivierten Angriff den Weltumsegler Stefan Ramin (40) in Notwehr erschossen hat? Oder schickt es ihn wegen Mordes lebenslänglich hinter Gitter? Das Urteil wurde bei zwölf Stunden Zeitunterschied nach Deutschland gerade erst bekannt, wo die damals ebenfalls attackierte Heike Dorsch, Lebensgefährtin des Getöteten, inzwischen wieder lebt.

    Der Prozess fand in der internationalen Presse fast so viel Aufmerksamkeit wie das Verbrechen im Oktober 2011. Von Australien bis Frankreich, von den USA bis Deutschland berichten Medien seit Tagen darüber.

    In Tahitis Hauptstadt Papeete wird nach französischem Recht geurteilt. Ein Untersuchungsrichter hat dort im Vorfeld die Beweise zusammengetragen. Das Verfahren war jetzt eher eine Anhörung, bei der die Beweise präsentiert und bewertet wurden, als ein Prozess, wie man ihn in Deutschland kennt. Der Angeklagte kam dort selbst zu Wort und betonte „Ich bin kein Monster“. Gutachten wurden verlesen.

    Die Eltern des getöteten Weltumseglers aus Schleswig-Holstein erschienen nicht zum Prozess. Auch Heike Dorsch ist nach Angaben von Familienangehörigen zuhause in Unterfranken geblieben.

    Ramin und Dorsch waren seit 17 Jahren zusammen und wollten mit ihrem 14 Meter langen Katamaran "Baju" die Meere erkunden, menschenleere Strände und malerische Buchten entdecken. Bei einem Zwischenstopp im Sommer 2011 auf Nuku Hiva verschwand Stefan Ramin. Ermittler fanden seine sterblichen Überreste in einem Lagerfeuer im Landesinnern. Er hatte den jetzt angeklagten Arihano kurz zuvor kennengelernt und zur Ziegenjagd begleitet. Arihano blieb vor Gericht bei seiner Darstellung, er sei abends am Lagerfeuer abrupt von dem Segler angefallen und sexuell bedrängt worden. Er habe in Notwehr geschossen, Ramin sei ins Feuer gestürzt und gestorben.

    „Das ist absurd,“ sagte Yves Pirou , Berater der Familie des Getöteten. Der Angeklagte hatte  während der Voruntersuchung mehrere abweichende Versionen des Tatablaufs geschildert. Sein Anwalt Vincent Dubois widersprach gegenüber Medien vor Ort dem Eindruck, sein Mandant habe da gelogen. „ Mein Mandant ist kein Monster“. Für ihn sind die abweichenden Versionen Zeichen seiner Scham über die sexuelle Attacke auf ihn.

    Gutachter bestätigten vor Gericht aber, dass man Erkundigungen in Deutschland über frühere Verhaltensweisen des Segler eingezogen habe. Sie ergaben keinen Hinweis auf homosexuelle Neigungen oder Gewalttätigkeit. Haiti dagegen werden Kontakte zu Transvestiten auf der kleionen Insel von 3000 Einwohnern nachgesagt.

    Überdies weisen Kriminalisten darauf hin, dass der Tatablauf unglaubwürdig klang: Der damals 31jährige Angeklagte ist ein athletischer Mann von 95 Kilo, der 40jährige Segler war schlaksig, kleiner und 20 Kilo leichter. Laut Arihano soll ihm der Deutsche das Gewehr entrissen, ihn bedroht und gegen einen Baum gedrückt haben. Dann will er das Gewehr wieder an sich gerissen und auf Ramin geschossen haben – eine ziemlich abenteuerliche Version. Spuren gewaltsamen Analverkehrs fanden die Ermittler nach Arihanos Festnahme jedenfalls nicht. Da war er aber schon 50 Tage auf der Flucht gewesen.

    Unglaubwürdig klingen auch die Erklärungen Arihanos zu der späteren Attacke auf die Lebensgefährtin des Seglers. Weil es Verständigungsprobleme gegeben habe, will er ihr praktisch demonstriert haben, was ihr Freund zuvor mit ihm angestellt habe: Er lockte sie vom Boot mit der Begründung, ihr Freund habe einen Unfall gehabt. Er lief mit ihr ins Landesinnere, fesselte sie an einen Baum und begann sie massiv sexuell zu bedrängen. Würde seine Erklärung stimmen, hätte er die Unterfränkin ja spätestens dann wieder losbinden müssen. Stattdessen drohte er, sie zu töten und verschwand kurzzeitig. In der Zwischenzeit konnte sie sich befreien und flüchtete auf ein anderes Boot, das in der Bucht neben ihrem ankerte.

    Heike Dorsch lebt heute wieder in der Nähe von Würzburg. Sie hat vor den Behörden in Französisch-Polynesien ihre Aussagen gemacht. Im Frühling 2012, wenige Monate nach der Bluttat, kam sie zu einer Rekonstruktion der Ereignisse wieder nach Nuku Hiva, saß plötzlich mit dem mutmaßlichen Mörder ihres Lebensgefährten in einem kleinen Flugzeug auf dem dreistündigen Flug von Tahiti zum Tatort. Sie schilderte im Interview (und in ihrem Buch), wie sie ihn zunächst nicht anschauen konnte, dann aber Stück für Stück Ihre Fassung zurückgewann und Arihano am Ende doch in die Augen schaute: „Ich musste diesen Blick noch einmal sehen, damit ich weiß, dass seine Worte "Du stirbst jetzt" nicht mehr da sind. Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass man in solche Augen guckt und hört "Du stirbst jetzt". Deswegen musste ich da noch einmal hinfahren, um zu wissen: Jetzt kann er mich nicht mehr umbringen. Das war mir ganz wichtig.“

    Schon im Gespräch mit dieser Zeitung hatte sie Zweifel geäußert, ob sie bei einem späteren Prozess als Hauptbelastungszeugin dabei sein müsste: „Ob ich noch mal runterfliegen muss, weiß ich heute nicht. Es kann sein. Aber wie ich es verstanden habe, kann mich meine Anwältin auch vertreten.“

    Nach der Bluttat in der Südsee kehrte Heike Dorsch in ihre Heimat zurück, schlüpfte erst einmal bei ihrer Familie unter, versuchte, wieder Fuß zu fassen.

      Inzwischen ist auch ein Bildband von ihrem Leben auf dem Meer erschienen, mit vielen beeindruckenden Bildern, die ihre glückliche Zeit mit Stefan Ramin vor dem schrecklichen Ereignis auf Nuku Hiva zeigen.

    Heike Dorschs Buch erzählt von einem Traum: Der Liebesgeschichte zweier junger Menschen, die 17 Jahre lang die Idee verband, als Entdecker auf gut Glück auf den Ozean hinaus zu fahren. 2008 starteten sie von der Türkei aus mit ihrem Katamaran. Nach drei Jahren wurde der Traum in der Südsee zum Albtraum.

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