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BERLIN: Aus Blogger-Affäre wird Staatsaffäre

BERLIN

Aus Blogger-Affäre wird Staatsaffäre

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    Seinen Urlaub hat sich Justizminister Heiko Maas anders vorgestellt - und das Echo auf seine Entscheidung vermutlich auch.
    Seinen Urlaub hat sich Justizminister Heiko Maas anders vorgestellt - und das Echo auf seine Entscheidung vermutlich auch. Foto: Karlheinz Schindler (dpa-Zentralbild)

    Seinen Urlaub hat er sich anders vorgestellt – und das Echo auf seine Entscheidung vermutlich auch. Am Tag nach dem vorläufigen Höhepunkt der Blogger-Affäre, der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range, steht Justizminister Heiko Maas genau dort, wo er partout nicht stehen wollte: im Auge des Orkans. Überzogen und falsch, tobt der Justiziar der Union, Hans Peter Uhl, habe der SPD-Mann gehandelt. „Range als Bauernopfer reicht nicht“, warnt der Grüne Konstantin von Notz. „Jetzt muss alles auf den Tisch.“ Seine Parteivorsitzende Simone Peter nimmt gar ein Wort in den Mund, das auch im politischen Berlin mit seinen täglichen Aufgeregtheiten und Übertreibungen selten fällt: Staatsaffäre.

    • Lesen Sie auch: Staatsanwaltschaft prüft Anzeigen gegen Justizminister Maas

    Nicht einmal eine Woche nach den ersten Berichten über ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Redakteure eines Internetportals ist ein vermeintlicher Angriff auf die Pressefreiheit in ein Verteidigungsgefecht eines Bundesministers umgeschlagen. Eines Ministers – das nur nebenbei –, der es mit der politischen Korrektheit bislang eher über- als untertrieben hat und nun plötzlich im Verdacht steht, die Ermittlungen eines Staatsanwaltes abzuwürgen.

    Maas ist jedenfalls lange genug in der Politik, um am Dienstagmorgen zu wissen, dass am Ende dieses Tages nur noch einer im Amt sein würde: Range oder er. Die Kritik des Generalbundesanwaltes, der Minister habe sich „unerträglich“ in seine Arbeit eingemischt und die Unabhängigkeit der Justiz missachtet, ist eine Kampfansage. Ob das Justizministerium Range nun angewiesen hat, ein politisch nicht opportunes Gutachten zurückzuziehen, oder ob diese Entscheidung tatsächlich im Einvernehmen zwischen Karlsruhe und Berlin getroffen wurde, spielt da schon fast keine Rolle mehr. Maas muss handeln, um Herr des Verfahrens zu bleiben. „Innerhalb weniger Stunden“, bilanziert der Berliner Tagesspiegel, „wird Maas vom Verteidiger der Pressefreiheit zur Gefahr für die Freiheit der Justiz.“

    Organisierter Rauswurf

    Bei seiner Entscheidung, Range in den Ruhestand zu versetzen, geht es ihm dem Vernehmen nach nicht um das Verfahren selbst, sondern alleine um den Auftritt des Bundesanwaltes vor der Karlsruher Justizpresse. Kein Justizminister lässt sich gerne vorwerfen, er habe in laufende Ermittlungen eingegriffen – zumal mehrere Beamte von Maas offenbar noch versucht haben, Range zu bremsen, nachdem sie von der geplanten Pressekonferenz erfahren haben.

    Der Generalbundesanwalt aber ist da schon nicht mehr zu sprechen oder will mit niemandem mehr aus dem Ministerium sprechen.

    Einen ganzen Tag braucht das Justizministerium, um den Rauswurf Ranges zu organisieren, den als Nachfolger auserkorenen Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank zu kontaktieren und eine Sprachregelung zu finden, die weniger Fragen aufwirft als sie beantwortet. „Es hat keine Weisung gegeben“, wird ein Sprecher des Ministeriums später versichern. Maas habe Range lediglich seine „Bedenken“ mitgeteilt, die er wegen der Ermittlungen wegen Landesverrates habe. Soll heißen: Da hat jemand die persönliche Einschätzung des Ministers als Befehl missverstanden oder missverstehen wollen.

    Range allerdings hat zuvor explizit von einer „Weisung“ gesprochen, das Gutachten zurückzuziehen, der er auch „Folge geleistet“ habe. Erschwerend hinzu kommt, dass Maas und der Generalbundesanwalt seit Tagen nicht mehr miteinander geredet haben, sondern nur über Dritte.

    Obwohl der Justizminister am Freitag vergangener Woche so klingt, als habe er Range persönlich über seine Zweifel unterrichtet, sind es in Wirklichkeit seine Staatssekretärin Stefanie Hubig und ein Abteilungsleiter, die den Kontakt nach Karlsruhe halten. Angeblich will Maas auch nur den Anschein einer Einflussnahme verhindern.

    Ranges Vorwärtsverteidigung

    Range aber hat genau den gegenteiligen Eindruck – und entschließt sich spontan zur Vorwärtsverteidigung. Ein paar Stunden später telefoniert Maas dann bereits mit Angela Merkel, um sich den Segen der Kanzlerin für seine Entscheidung zu holen.

    Fürs Erste hat der Mann sich damit durchgesetzt, den bei der Besetzung der Ministerposten zunächst niemand auf der Rechnung hatte. Der 48-Jährige galt zwar lange als vielversprechendes Talent in der SPD, lief irgendwann aber dann doch Gefahr, im Saarland zu versauern. Als Parteichef Sigmar Gabriel ihm nach der Wahl das Amt des Justizministers anbot, musste der Sohn eines Soldaten deshalb nicht lange überlegen.

    Ob er die Chance genutzt hat, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Viele stört etwa die Volte, die Maas im Streit um die Vorratsdatenspeicherung vollzogen hat. Erst dagegen, dann dafür: Der Vorwurf, er mache sich mit seinem Gesetzentwurf zum Büttel von CDU und CSU, war im Frühjahr noch einer der freundlicheren. Verglichen mit dem Kampf, den Maas nun zu bestehen hat, ist der Streit um die Vorratsdatenspeicherung allerdings nur eine lockere Aufwärmübung. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft liegen bereits mehrere Anzeigen gegen Beamte seines Ministeriums. Der Vorwurf, um den es geht, ist durchaus brisant: Strafvereitelung im Amt.

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