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    Unterwegs im All:So elegant reiste das Raumschiff Enterprise in der Star-Trek-Serie von 1966 bis 1969 schneller als das Licht durchs All./ UNIVERSITÄT TÜBINGEN
    Unterwegs im All:So elegant reiste das Raumschiff Enterprise in der Star-Trek-Serie von 1966 bis 1969 schneller als das Licht durchs All./ UNIVERSITÄT TÜBINGEN Foto: FotoS: Cinetext

    Beamen, Impulsantrieb, Warp-Antrieb, Wurmlöcher, Zeitreisen – könnten wir mit dem entsprechenden technologischen Fortschritt im Rahmen der uns bekannten Naturgesetze ein interstellares Imperium a la Star Trek aufbauen? Ermöglicht die Relativitätstheorie von Einstein vielleicht Reisen zu „Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“? Professor Hanns Ruder, Astrophysiker aus Tübingen, glaubt zwar nicht an Wurmlöcher – aber ist großer Star-Trek-Fan. Im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim überprüft er am Donnerstag die Ausrüstung, die Captain Kirk, Spock, Scotty und Pille bei ihren Missionen im All verwenden, auf ihre „Machbarkeit“. Vorab ein Gespräch über die Physik im Star-Trek-Universum.

    Frage: Professor Ruder, ich würde mich gerne zu Ihnen ins Büro an die Uni Tübingen beamen. In Star Trek gibt es dafür den „Transporter“. Wie sieht es aus – ist das bei uns denkbar?

    Hanns Ruder: Im Prinzip kann man mit verschränkten Zuständen in der Quantenmechanik eine Art Beamen produzieren. Aber man kann nur Dinge beamen, die in einem festen Grundzustand sind. Niemals würde man ein kleines Tier, geschweige denn einen Menschen beamen können. Uns fehlen die Vorteile von Star Trek. Das Beamen geht erstens nur mit Lichtgeschwindigkeit – das heißt man muss die Informationen mit Lichtgeschwindigkeit übermitteln. Und zweitens hat der Mensch so viel Information, dass es mit unseren heutigen Datenübertragungsraten Millionen Jahre dauern würde, bis alle Information rübergebeamt wäre. Also: Im Prinzip können Sie einen Gegenstand an einen entfernten Ort reproduzieren, wenn Sie ihn vorher quantenmechanisch verschränkt haben. Aber für makroskopische Systeme ist es völlig illusorisch, dass das jemals geht.

    Schade.

    Ruder: Es war bei Star Trek einfach eine schöne Erfindung der Filmemacher, durch die sie sich eine etwas aufwendige Kulisse für das Starten und Landen sparen konnten. Die Kosten für die optischen Effekte bei der allwöchentlichen Landung der Enterprise auf fremden Planten waren enorm. Also die Sparlösung: Die Crew wird einfach auf die Planetenoberfläche gebeamt. Immerhin, die Idee für diese Art Transport war gut! Im Prinzip ist in der Quantenmechanik ja eine Art Beamen möglich. Das war schon sehr weitsichtig.

    Also gut, dann müssen wir uns aufs Telefonieren beschränken. Da war Star Trek auch sehr weitsichtig. Etwas Handy-ähnliches gab es da schon vor 40 Jahren.

    Ruder: Handys, Touchscreens – genau das finde ich so bemerkenswert an der Serie: dass sie früher schon so schöne Ideen hatte. In den 1960er Jahren wurde die Enterprise-Crew belächelt für ihren „Communicator“. Auch die neueren Geschichten mit der Zeitschleife – das ist sehr pfiffig!

    Was von den neueren Star-Trek-Erfindungen ist denn aus heutiger Sicht gar nicht so undenkbar?

    Ruder: Das Holodeck, eine moderne 3-D-Visualisierungseinrichtung womöglich, mit dem man eine virtuelle Wirklichkeit schaffen kann.

    Und der Warp-Antrieb? Lässt sich Raum krümmen?

    Ruder: Das ist genau das Problem. Es gibt an sich exakte Lösungen der Einstein'schen Feldgleichungen, die so einer Warp-Blase entsprechen. Man könnte im Prinzip tatsächlich ein Raumschiff in eine Warp-Blase setzen. Dann würde das Warp-Feld den Raum vorne verkürzen und nach hinten „ausspucken“, also als Raumverzerrung wandern. Das Problem ist nur das: Um eine Blase zu schaffen, in die die Enterprise hinein passt, bräuchte man zehntausend Mal mehr Energie, als das gesamte Universum hat. Der Warp-Antrieb ist zwar eine pfiffige Idee und im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie im Prinzip durchaus denkbar – aber es scheitert einfach an der Energie. Der Raum ist so „steif“, man bräuchte so viel Energie, um ihn zu verzerren, dass es wirklich nicht geht. Das ist also auch sehr schade. Das Einzige, was noch etwas spannender ist als der Warp-Antrieb, sind die Wurmlöcher.

    Wurmlöcher?

    Ruder: Diese Wurmlöcher sind sozusagen Abkürzungen: eine spezielle Krümmung der Raumzeit, die Orte an verschiedenen Punkten im Raum und teilweise auch in der Zeit miteinander verbindet. So lassen sich große Entfernungen in wenigen Sekunden überwinden. Statt 23 Lichtjahre weit zu reisen, wäre man je nach Wurmloch schon in einem Kilometer bei der Wega. Diese Wurmlöcher sind echte Lösungen der Einstein'schen Feldgleichungen. Aber nicht alles, was mathematisch korrekt ist, gibt es auch in der Realität. Immerhin wird wirklich ernsthaft untersucht, ob es sie geben könnte oder nicht.

    Also, steckt in Star Trek ernste Physik?

    Ruder: Zumindest diskutiert Captain Picard mit seiner Mannschaft sehr ernsthaft: Sie entdecken ein Wurmloch, doch das Problem ist: Wurmlöcher sind nicht stabil, sie müssen mit negativer Materie stabilisiert werden. Das ist alles sehr richtig überlegt und gut gemacht. Auch die Überlegungen, wo die Antimaterie gelagert wird – gut ausgedacht! Bei Star Trek sind manche Annahmen falsch, aber die Schlussfolgerungen sehr korrekt! Anders als bei den meisten anderen Science-Fiction-Autoren – da ist leider alles falsch.

    Wenn man nun ein Wurmloch produzieren könnte . . .

    Ruder: . . . könnte man Zeitmaschinen bauen. Man könnte nicht nur von einem Ort zum anderen, sondern auch von einem Zeitpunkt zu einem anderen reisen. Leider gibt das Riesenprobleme wegen der Kausalität. Das immer genannte, primitive Beispiel: Ich reise in die Vergangenheit und bringe meine Mutter um, bevor ich geboren wurde. Der klassische Widerspruch. Viele Physiker glauben einfach, dass man nicht rückwärts in die Vergangenheit wirken kann. Dann darf es auch keine Wurmlöcher geben. Allerdings: Man weiß nicht, welcher Mechanismus es verbietet, dass es in der Natur Wurmlöcher gibt.

    Gut, bei dem Beispiel ist das dann ja wiederum nicht so schade.

    Ruder: Was auch ein Problem ist: die Lichtgeschwindigkeit. Im Prinzip kann man mit Materie und Antimaterie, mit Photonentriebwerken, Antriebe schaffen, die eine Rakete auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigen könnten. Damit kann man ziemlich weit fliegen. Doch leider tritt dann das Zwillingsparadoxon auf.

    Zwillingsparadoxon?

    Ruder: Mein Beispiel ist immer: Wenn ich ein Raumschiff zehn Jahre lang mit einem „g“, der Erdanziehungskraft, beschleunige, habe ich nach zehn Jahren 99,9999998 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Dann muss ich zehn Jahre bremsen, bis ich wieder zum Stehen komme. Ich bin also 20 Jahre unterwegs. Im Weltall aber wäre ich in der Zeit 22 000 Lichtjahre weit gekommen. Im Prinzip könnte man mit einem solchen Raumschiff ins Zentrum unserer Milchstraße fliegen – und wieder zurück.

    Was würden wir dort sehen, im Zentrum der Milchstraße?

    Ruder: Ein schwarzes Loch. Wir wären total enttäuscht.

    Oh. Das lohnt den Aufwand vielleicht nicht.

    Ruder: Genau. Und vor allem: Man beschleunigt zehn Jahre, bremst zehn Jahre ab, macht ein Foto vom schwarzen Loch, auf dem nichts zu sehen ist. Beschleunigt wieder zehn Jahre rückwärts, bremst zehn Jahre ab und ist bei Ankunft auf der Erde 40 Jahre älter geworden. Nur: Mein Zwilling ist 44 000 Jahre älter, denn auf der Erde sind in der Zeit 44 000 Jahre vergangen.

    Gibt's da dann noch Rente?

    Ruder: Es wäre die Lösung der Rentenversicherung! Ich fliege mit 20 los, komme mit 60 zurück, muss noch sieben Jahre warten – und habe insgesamt 44 000 Jahre eingezahlt, bis ich die erste Pension bekomme. Die Rentenkassen wären gut gefüllt!

    Nichts als Schwarz in der Mitte unserer Milchstraße – wie weit müsste man reisen, um mal was zu sehen im Weltall?

    Ruder: Zur nächsten Galaxie, zum Andromeda-Nebel, sind es 2,6 Millionen Lichtjahre.

    Also ist es völlig sinnlos, sich mit Wurmlöchern und Zeitreisen zu beschäftigen?

    Ruder: Es ist sicher lustig darüber nachzudenken – und es ist lehrreich. Die Beschäftigung mit Zeitreisen und ihren paradoxen Konsequenzen für die Kausalität hilft uns, die Einstein'sche Physik besser zu verstehen.

    Wo könnten die Physiker denn außerirdische wissenschaftliche Hilfe gebrauchen?

    Ruder: Die einzige Lücke, die wir in den Naturgesetzen momentan haben, ist die Quantisierung der Gravitation. Wir haben die allgemeine Relativitätstheorie als unglaublich exakte, gute Theorie für das Makroskopische, und wir haben die Quantenmechanik für das Mikroskopische. Wenn man aber Mini-Schwarze-Löcher baut, wo die Gravitation auf mikroskopisch kleinem Raum eine Rolle spielt, dafür fehlt uns die Theorie. Wir sind nicht in der Lage, Quantenmechanik und Relativitätstheorie zusammen zu bringen. Gerade bei der Physik der Wurmlöcher spielt das eine Rolle. Da müsste jemand mal eine geniale Idee mathematischer Natur haben.

    Professor Hanns Ruder

    Sein Arbeitsgerät ist der Hochleistungscomputer, seine Spezialgebiete sind unter anderem Materie in extrem starken Magnetfeldern, Röntgenpulsare oder magnetisierte Weiße Zwerge. Astrophysiker Hanns Ruder, 1939 in Nürnberg geboren und seit 1983 an der Universität Tübingen tätig, kann die Einstein'sche Relativitätstheorie anschaulich vermitteln. Beispielsweise, wenn er im Vortrag den Ausblick aus Raumschiffen simuliert, die mit angenäherter Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos eilen. 2006 hat der Professor für Theoretische Astrophysik die Medaille für Naturwissenschaftliche Publizistik von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erhalten. Für das Deutschordensmuseum Bad Mergentheim hat Ruder das Konzept der aktuellen Sonderausstellung „Faszination Universum. Eine Reise durch Raum und Zeit“ entwickelt. Am kommenden Donnerstag, 14. Juli, hält er dort um 19.30 Uhr einen Vortrag über „Die Physik des Star-Trek-Universums“. Infos zur Sonderausstellung: www.deutschordensmuseum.de

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