Nach über 18-jähriger Flucht ist der italienischen Polizei ein weiterer Super-Mafioso ins Netz gegangen: Pasquale Condello, „Boss Nummer 1“ der kalabrischen 'Ndrangheta. Am Montagabend wurde der 57-Jährige in seiner Heimatstadt Reggio Calabria festgenommen. Condello, der in Mafia-Kreisen „Il Supremo“ (der Oberste) genannt wird, wurde unter anderem wegen Mordes, Drogenhandels und illegalen Waffenbesitzes gesucht. In Abwesenheit war er zu viermal lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Seit zehn Jahren fahndete eine Sondereinheit der Carabinieri nach ihm.
Die Festnahme lief wie in einem Mafia-Film ab: Nach monatelangen Observierungen von Mafiosi und ihren Helfershelfern umstellten rund 100 Polizisten das Haus im Stadtteil Pellaro, in dem der Boss vermutet wurde. Rund 30 Carabinieri drangen in die Wohnung im zweiten Stock ein, wo Condello sich mit drei weiteren mutmaßlichen Mafiosi befand, darunter sein Sohn. „Condello hat sich wie ein echter Clan-Chef der 'Ndrangheta verhalten: Er leistete keine Gegenwehr, und obwohl er eine Waffe hatte, hat er nicht einmal versucht, sie zu benutzen“, sagte Giampaolo Ganzer, der die Polizeiaktion leitete. „Und er hat den anderen befohlen, auch stillzuhalten.“
Jahrzehnte der Flucht
Die Festnahme ist ein weiterer Erfolg der Anti-Mafia-Ermittler, die in den vergangenen Monaten zahlreiche Clan-Chefs der sizilianischen Cosa Nostra, der kampanischen Camorra und der 'Ndrangheta hinter Schloss und Riegel bringen konnten. Innenminister Giuliano Amato betonte: „Condello war der oberste Boss der 'Ndrangheta, die Ermittler bezeichneten ihn als Provenzano von Kalabrien und genau wie für Provenzano haben auch für ihn die Handschellen geklickt.“ Aber im Vergleich zu Condello sei Provenzano „geradezu ein Dilettant“ gewesen, meinte ein Ermittler.
Der sizilianische Super-Pate Bernardo Provenzano war im Frühjahr 2006 nach über 40-jähriger Flucht in einem Landhaus in der Nähe der berüchtigten Mafia-Hochburg Corleone gefasst worden. Ebenso wie Condello hatte er sich in den Jahren der Flucht – entgegen der Erwartung vieler Fahnder – nicht ins Ausland abgesetzt, sondern blieb stets ganz in der Nähe seines Heimatortes.
Stichwort
'Ndrangheta Die 'Ndrangheta, ein Verbrechersyndikat aus Kalabrien, gilt als unberechenbarer und undurchsichtiger als die sizilianische Mafia. Den italienischen Behörden zufolge agieren ihre 4000 bis 5000 Angehörigen nicht nur lokal, sondern auch international. Die 'Ndrangheta geht auf eine kriminelle Vereinigung aus Spanien zurück, die im 15. Jahrhundert das Glücksspiel kontrollierte. Später etablierte sie sich im armen Kalabrien im Südwesten Italiens und spezialisierte sich auf Entführungen.