Er trägt eine Glatze, einen dunklen Dreiteiler und fährt Porsche. Er ist Betriebsratschef und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei dem schwäbischen Autobauer. Uwe Hück ist das, was man gemeinhin eine „Marke“ nennt. Mit Porsches Ex-Chef Wendelin Wiedeking stand er mitten im Orkan, als in den Jahren 2007 bis 2009 die Übernahme zwischen Porsche und Volkswagen tobte. Dieses Jahr ist er 50 Jahre alt geworden und hat eine Autobiografie herausgebracht. Wir haben uns mit ihm über Kampfsport, Porsche und die Politik unterhalten.
Frage: Haben Sie denn diese Woche schon geboxt?
Hück: Am Freitagabend werde ich. Jeden Freitag stehe ich mit meinen Jungs im Ring.
Ihre Jungs, das sind die Jugendlichen im Pforzheimer Stadtteil Haidach mit 14 000 Spätaussiedlern, mit denen Sie im FSV Buckenberg Thaiboxen trainieren?
Hück: Genau. Es sind Italiener, Türken, Russen, Deutsche . . . Die meisten sind in der Pubertät. In dieser Phase entwickelt sich eine Aggressivität, mit der man noch nicht umgehen kann. Sport kann das lösen.
Inwiefern?
Hück: Im Leben wird es immer Probleme geben, die man lösen muss. Das lernen die jungen Leute bei mir: standhaft zu sein und Respekt vor allen anderen zu haben.
In Städten wie Augsburg gibt es ebenfalls Jugendliche, die frustriert sind und sich oft schwertun, einen Arbeitsplatz zu finden. Was sagen Sie ihnen?
Hück: Wenn man in Deutschland lebt, muss man deutsch sprechen, man muss das Grundgesetz beachten und die Chancen nutzen, die Schulen und Arbeitgeber eröffnen. Diese Spielregeln muss man einhalten. Wer zum Fußball geht, kann auch nicht nach Handballregeln spielen. Auf dem Haidach kam einmal einer der Jungs zu mir, der von mir Arbeit haben wollte. Er konnte nur gebrochen Deutsch. Ich habe ihm gesagt, wenn du hier leben und arbeiten willst, musst du deutsch lernen. Ich habe ihn auf die Schule geschickt. Heute arbeitet er und kann sehr gut deutsch. Wir müssen die Wattebällchenmentalität und Weichspülerstrategie ablegen und Klartext sprechen – freundschaftlich und kameradschaftlich. Was mir aber auch wichtig ist: Integration heißt, dass man seine Seele behalten darf! Es heißt nicht, seine Identität aufzugeben.
Sie sind selbst im Heim großgeworden, berichten von Schlägen und Ungerechtigkeiten. Heute sind Sie Betriebsratschef und Vize-Porsche-Aufsichtsratschef. Wie schafft man das?
Hück: Es gibt einen Spruch für mich: Das Trikot schwitzt nicht von allein. Ich musste immer mehr machen als die anderen. Als ich noch klein war – acht Jahre –, da dachte ich einmal, es hätte keinen Sinn zu leben. Dann aber habe ich mit dem Herrgott eine Vereinbarung geschlossen: Wenn er mich groß und mächtig macht, dann werde ich mich später um Schwache kümmern. Der Herrgott hat mir einen starken Körper gegeben und eine große Gosche. Daraus habe ich viel gemacht. Ich bin jetzt mächtig und löse mein Versprechen ein.
Sie sprechen von Werten, von Höflichkeit und Rücksichtnehmen – und dann Kampfsport. Passt das zusammen?
Hück: Ja, denn im Ring lernt man Respekt im Umgang. Wenn einer auf dem Boden liegt, dann schlagen wir nicht mehr zu.
Beinahe hätte Sie einmal ein Staatsanwalt wegen Körperverletzung ins Gefängnis schicken wollen, wie Sie schreiben. Dann haben Sie persönlich mit ihm gesprochen. Aufgeben ist Ihre Sache nicht?
Hück: Ich habe ihn damals gebeten, er soll mir eine Chance geben, das Ganze mit sozialen Diensten gutzumachen, dann würde ich mich bemühen. Er hat mir geglaubt. Ich weiß nicht, als welcher Mensch ich aus dem Knast herausgekommen wäre. Auch wenn man Mist gebaut hat, müssen wir durch unsere Werte und unseren Willen das Leben so gerecht wie möglich machen.
Apropos Gerechtigkeit: Kürzlich hat eine Studie gezeigt, dass die Reichen immer reicher werden. Wie steht ein Porsche-Aufsichtsrat dazu?
Hück: Im Grundgesetz steht in Artikel 14, dass Eigentum verpflichtet – zum Wohl der Allgemeinheit. Wer gut verdient, muss etwas abgeben. Diese Kultur müssen wir in Deutschland wieder einführen.
Sie selbst fahren aber gerne Ihren Porsche?
Hück: Ja, ich fahre einen Porsche und zahle für ihn. Der hat einen Spoiler, damit ich auf dem Boden bleibe. Ich könnte ja auch ein Geschäftsauto haben, das mache ich aber nicht! Wissen Sie, ich fahre auch mit dem Porsche auf den Haidach, steige aus – Jeans, 104 Kilo, Glatzkopf – und frage: Wo kann ich euch helfen? Ich verstecke mich nicht. Der Charakter und das Herz sind für mich wichtig, nicht ob jemand mit dem Porsche kommt oder dem Fahrrad.
Stichwort Porsche: Das Unternehmen hat zuletzt einiges erlebt. Porsche war auf der Suche nach einem Partner und wollte keinen Geringeren als Volkswagen unter das Porsche-Dach holen. Heute gehört Porsche zu VW. Man hat einen Kredit nicht bekommen. Hatte sich Porsche übernommen?
Hück: Ich war ja in dieser Zeit mittendrin, an vorderster Front. Wissen Sie, wenn man zum Schluss keine Freunde mehr hat, darf man sich nicht wundern, wenn so was passiert. Die Auseinandersetzung hat letztlich aber dazu geführt, dass wir im Moment nur Gewinner haben: Porsche hat fast doppelt so viele Mitarbeiter – früher waren es 8000, heute sind es weltweit 16 000. Außerdem haben wir unsere Eigenständigkeit vertraglich gesichert. Mich ärgert nur, dass diese Auseinandersetzung unnötig war wie ein Kropf.
Welche Fehler haben Sie gemacht?
Hück: Wir haben keine rechtlichen Fehler gemacht, aber menschlich hätten wir manchmal anders agieren sollen. Wir hätten zum Beispiel verstärkt das Gespräch suchen müssen.
Kein Zweifel an der Strategie, mit VW zusammenzugehen?
Hück: Die Allianz mit VW ist intergalaktisch gut. Alleine lassen sich die Entwicklungskosten einfach nicht mehr stemmen.
Wendelin Wiedeking und Ex-Finanzchef Holger Härter sehen sich mit harten rechtlichen Vorwürfen konfrontiert. Es geht teils um Kreditbetrug, Untreue, Marktmanipulation. Wie stehen Sie dazu?
Hück: Ich bin selbst stellvertretender Aufsichtsratschef. Ich habe die Manager mit kontrolliert. Und ich bin überzeugt, dass es keine rechtliche Verfehlung gab. Aber ich lebe in einem Rechtsstaat. Und der wird jetzt Recht sprechen. Das muss man akzeptieren.
Sie sind in der SPD, haben früher Gerhard Schröder unterstützt. In den Umfragen aber liegt die SPD derzeit abgeschlagen hinter der Union. Damit können Sie nicht zufrieden sein, oder?
Hück: Überhaupt nicht! Ich habe aber ein gemischtes Gefühl zu Umfragen: Hätte Moses eine Umfrage gemacht, ob man das Rote Meer durchqueren soll, müssten wir die Bibel umschreiben. Man muss stattdessen Mut haben.
Würden Sie gerne in die Politik gehen?
Hück: Ich kämpfe für die SPD – als Motivator, als Unterstützer. Aber ich werde kein Amt übernehmen, wie viele denken. Ich bleibe bei Porsche! Die Porscheaner waren schon ganz nervös, dass ich in die Politik wechseln könnte. Sie wissen, wir treten in der Automobilindustrie 2013 und 2014 eine härtere Zeit an. Wenn das Schiff in einen Sturm hineinfährt, werde ich als Kapitän nicht einen Hubschrauber suchen, der mich da herausholt. Aber ich werde mich immer in die Politik einmischen, um für Gerechtigkeit zu kämpfen.
Wie sehen Sie Porsche für die kommende harte Zeit aufgestellt?
Hück: Porsche ist intergalaktisch gut aufgestellt. Sagen Sie mir ein Unternehmen, das eine Umsatzrendite von 15 Prozent hat? Wir haben zuletzt vom Ingenieur bis zur Küchenfrau jedem 7600 Euro Erfolgsbeteiligung gezahlt. Das muss man erst einmal hinkriegen. Aber – und jetzt kommt's – mit einer gewissen Demut sollten wir alle auf 2013 und 2014 blicken. Dann werden wir es schaffen.
„Wenn Uwe 50 wird, hauen wir ihn um!“ – Diese Wette hatten die jungen Boxer einmal mit Ihnen abgeschlossen. So schnell lassen Sie sich offenbar nicht umhauen?
Hück: Ja, tatsächlich haben sie inzwischen das Alter auf 55 erhöht.
Uwe Hück
Herkunft: Uwe Hück ist wahrscheinlich am 22. Mai 1962 in Stuttgart geboren worden. Es gibt keine Geburtsurkunde. Aufgewachsen ist er im Heim.
Sport: Uwe Hück ist zweifacher Europameister im Thaiboxen. Im Pforzheimer Stadtteil Haidach trainiert er mit Spätaussiedlern. Beruf: Er begann nach der Schule eine Malerlehre in Pforzheim, später ging er als Lackierer zu Porsche und ist dort seit rund 20 Jahren tätig. 1990 wurde er Betriebsrat, 1997 Betriebsratsvorsitzender und ein Jahr später Mitglied des Aufsichtsrats.
Familie: Hück ist verheiratet mit einer Vietnamesin, hat einen Sohn und zwei Adoptivsöhne. Buch: Uwe Hück 82012: Volle Drehzahl. Mit Haltung an die Spitze. Frankfurt am Main: Campus