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Der Mann in den zweitbesten Jahren

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Der Mann in den zweitbesten Jahren

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    Der Mann in den zweitbesten Jahren
    Der Mann in den zweitbesten Jahren

    Blond, braun gebrannt und muskulös – welches Mädchen wird da nicht schwach? Dabei ist Mädchen wörtlich zu nehmen, denn dieser Mann ist nur 30,5 Zentimeter groß und zählt zu den erfolgreichsten Spielzeugen der Welt: Barbies Freund Ken wird 50. Die neueste Ausgabe des Plastikmanns ist sportlich, smart und sexy. „Er ist loyal, leidenschaftlich und hat sich seine Kreativität und sein Einfühlungsvermögen bewahrt“, behauptet Spielwarenhersteller Mattel. Auch Prominente wie George Clooney, Barack Obama, Tom Ford und Lothar Matthäus feiern in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Ein besonderer Jahrgang?

    1961 ist das Jahr, in dem das ZDF auf Sendung geht, Twist der Modetanz ist, die Antibabypille in Deutschland zugelassen wird, der Mauerbau in Berlin beginnt und Elvis Presley die Hitparaden anführt. Genau in diesem Jahr erblickte Ken Carson am 7. März 1961 das Licht der Welt. Damit ist er zwei Jahre jünger als Barbie, die 1959 auf den Markt kam. Der Ur-Ken kam in einer roten Badehose, mit Badesandalen, dünnen Beinen und völlig untrainiert daher. Haare hatte er nicht, die sind laut Mattel bei den Testpuppen immer ausgefallen. Also wurde der Kopf schlicht braun angemalt. Um die Schulter trug er lediglich ein gelbes Handtuch. Mager und blass erinnerte er eher an einen Zwölfjährigen. So erblickte Ken vor 50 Jahres das Licht der Puppenwelt.

    Während Ken gerade sein Comeback feiert, stecken viele seiner Altersgenossen in der Krise. Sie lassen die Ehefrau für eine Jüngere sitzen, verfallen dem Fitnesswahn, färben sich die Haare oder lassen Fett absaugen: Männer um die 50 sind eben eine besondere Spezies. Davon weiß Klaus Schmalzl, Mitarbeiter in der Männerseelsorge und Ehe- und Partnerberater bei der Diözese Würzburg zu berichten. Schuld daran ist die Midlife Crisis oder die Andropause, die Wechseljahre des Mannes. „Viele Männer wollen ihren Marktwert noch einmal testen. Sie brechen aus den normalen, geordneten Bahnen aus“, so Schmalzl. Er ist ebenfalls 50 Jahre alt, seit 26 Jahren verheiratet und Vater dreier Kinder. Doch nicht nur der Rebell, der sich beim Marathon oder auf dem Motorrad austobt, ist typisch für den Mann in der Lebensmitte. „Viele Männer werden geschieden.“ Weil sie nicht so sind, wie Frau sie sich erträumt hat.

    Ken war immer Traummann. Er trug in den 70er Jahren Schlaghosen und Plateauschuhe, zeigte sich endlich mit echten, langen Haaren. Die roten Badeshorts wurden durch legere und markant männliche Outfits ersetzt. Ken sieht einfach gut aus: im Feinripp-T-Shirt, im karierten Hemd, im Smoking. Ken gab es als Hippie, als Dandy, als Taucher und Skifahrer, als Discotänzer und Superstar, mit langen Haaren und kurzen, mit Oberlippen-, Seiten-, Dreitage- oder gar mit Vollbart. „Frauen wünschen sich einen stolzen Mann, der auch auf sein Äußeres achtet“, weiß Klaus Schmalzl. „Sie wollen einen Mann, der sich pflegt und keinen, der sich gehen lässt.“

    Doch Schönheit ist nicht alles. Die moderne Frau sucht den beziehungsfähigen Mann, der in der Lage ist, eine Ehe partnerschaftlich zu gestalten. Daran scheitere es bei vielen Männern. „Bis in die 70er Jahre hinein war das vorherrschende Leitbild des Mannes eindeutig das des Familienernährers“, sagt Schmalzl. „Doch das hat mit dem Aufstieg der Frauen in der Arbeitswelt seine Verbindlichkeit verloren.“ Immer schwieriger sei es für Männer geworden, sich in der Gesellschaft zu verorten. „Die Frauen möchten uns immer gern erziehen, weg vom Machotum. Aber dann langweilen sie sich doch, wenn sie einen Schlaffi zu Hause haben“, hat es Til Schweiger im Nachrichtenmagazin „Focus“ auf den Punkt gebracht. „Focus“ hat in einer repräsentativen Studie Männer befragt, was Frauen ihrer Meinung nach von ihnen erwarten. Die Ergebnisse zeigen das Ausmaß der Überforderung: Der Mann soll sich um die Kindererziehung kümmern, meinen 83 Prozent, gleichzeitig das Geld verdienen (80 Prozent) und die Frau, die er einst erobert hat, dauerhaft beschützen (71 Prozent). Gefragt ist der Supermann des Alltags.

    Wie erfolgreich Ken ist, will der Spielwarenhersteller Mattel nicht verraten. Die Marke Barbie hat in Deutschland einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent. Laut dem Internet-Lexikon Wikipedia besitzt jedes Mädchen sieben Barbiepuppen. „Statistisch gesehen werden weltweit drei Barbiepuppen pro Sekunde verkauft.“ Mattel lässt Ken zum 50. Geburtstag in die Offensive gehen: Er twittert und hat eine Facebook-Seite, was ihm neue Fans bringen soll.

    „Für Männer über 50 ist das Alter selbst die größte Kränkung“, formulierte es Diplom-Psychologe Rolf Kirchmair vom Institut für Senior Research in Frankfurt. Männer wollen lange leben, älter werden wollen sie dabei nicht. „Bevor der endgültige Rentenbescheid kommt, kommt erst einmal männlicher Jugendwahn auf“, bestätigt auch Kirchmair. Und der unterscheide sich nicht von dem der Frauen: Auch Männer färben sich ihre grauen Strähnen blond. Wie TV-Entertainer Thomas Gottschalk, der 2008 in seiner Sendung „Wetten, dass. . . “ gestand, dass er seine grauen Haare färbt. Damit steht er nicht alleine da: Eine repräsentative Studie der GfK Marktforschung zeigt, dass sich mehr als 30 Prozent der Männer die ergrauten Haare färben. Denn mit Grau wird Alter und Langeweile assoziiert. 2008 wurden für die Umfrage „Männer und graue Haare“ 550 Männer im Alter zwischen 30 und 65 Jahren in Deutschland befragt.

    Ken trug in 50 Jahren neun verschiedene Haarfarben – von gelockt bis geformt, darunter kastanienbraun, schwarz, blond, braun, brünett, hellbraun, rot, zweifarbig und gelb. Grau fehlt bislang Und trotzdem hatten Ken und Barbie vor sieben Jahren eine Krise: Mattel verkündete 2004, dass sich die beiden getrennt hätten. Ken verschwand aus den Regalen. Aber jetzt, zum 50. Geburtstag, wolle Barbie ihren Mann zurück. Doch welchen Mann wollen Frauen eigentlich? Frauen wollen einerseits einen Mann, der seine Interessen pflegt, sportlich ist und dabei gepflegt aussieht, andererseits muss dieser Mann auch beziehungs- und konfliktfähig sein. Das Problem: Der moderne Mann ist nett, adrett, beruflich engagiert, aber er hat es kaum gelernt, mit seiner Frau konstruktiv zu streiten. „Für Frauen ist männliches Schweigen Gift“, sagt Schmalzl. Streit und Auseinandersetzung erzeugten Wärme und Kontakt in einer Partnerschaft. „Wenn der Mann für die Ehe so trainieren würde wie für einen Marathon, würde es funktionieren.“

    Ken hat immer viel trainiert. Selbstbestimmt, souverän, abgeklärt – das sind Eigenschaften, aus denen sich das Rollenbild des Mannes zu Beginn dieser zweiten Dekade formt. „Was männlich ist? Charakter“, schreibt die Autorin und Kuratorin Nadine Barth im Bildband zu der Ausstellung „Traummänner“, die noch bis 22. Mai in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen ist. Ken, der jahrelang als Barbies „bestes Accessoire“ bezeichnet wurde, will das nicht mehr hinnehmen. Dabei hat er in den letzten 50 Jahren viel geleistet: Laut Mattel hat er in 40 Berufen reüssiert, war Geschäftsmann, Pilot und Schauspieler. Und doch machte er keinen Stich gegen Barbie, die Astronautin war und Chirurgin. „Egal was er tat, er blieb der ewige Sidekick, der Prinzgemahl, der immer ein paar Schritte hinter der Königin im Spielzeugland herdackelte“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

    „Ken steht für den ultimativen Boyfriend, für den perfekten Mann an der Seite einer modebewussten, ehrgeizigen Frau.“ Für Mattel ist Ken der perfekte Lover und Traumschwiegersohn. Doch echten Männern bereiten ehrgeizige Frauen oft Probleme. Daher hat Klaus Schmalzl als Mitarbeiter der Männerseelsorge eine Vortragsreihe ins Leben gerufen: „Vom Umgang des selbstbewussten Mannes mit der selbstbewussten Frau“. Die Nachfrage ist groß. In zehn Thesen hat der Pastoralreferent alles Wichtige über das Mannsein heute zusammengefasst. Ein kreativer Liebhaber soll er sein, gut kommunizieren können und Frieden mit dem eigenen Vater schließen. Klaus Schmalzls Tipp: „Bleib ein lebendiger, stolzer und auch spiritueller Mann! Pflege dein Äußeres! Flirte! Glaube und bete!“

    Klaus Schmalzl

    Der Diplom-Theologe ist in Marktbreit (Lkr. Kitzingen) aufgewachsen und arbeitet heute in der Würzburger Ehe-, Familien und Lebensberatungsstelle der Diözese. Der Pastoralreferent ist zudem Diözesanrichter am kirchlichen Ehegericht. Er begleitet Menschen, die nach dem Scheitern ihrer Ehe nach einem Neuanfang mit der Kirche suchen, sowie Menschen, die mit professioneller Hilfe ihre Ehe- oder Partnerschaftskrise überwinden wollen.

    FOTOs: Mattel, POW, Montage Biscan

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