Noch lange nach dem Krieg galten die deutschen Autobahnen als die „Straßen des Führers“. Der Diktator wollte den Autobahnbau erfunden haben, um die Arbeitslosen von der Straße zu holen. In Wahrheit wurde die erste Autobahn schon 1932 eröffnet. Von Konrad Adenauer. Vor 80 Jahren, am 6. August 1932, eröffnete er als Kölner Oberbürgermeister die erste deutsche Autobahn, die heutige A 555. „So werden die Straßen der Zukunft aussehen“, prophezeite er – und behielt recht.
Propagandaminister Joseph Goebbels pflegte zu behaupten, dass Adolf Hitler die geniale Idee mit den Autobahnen schon während seiner Haftzeit nach dem misslungenen Putsch von 1923 gekommen sei. In Wahrheit waren die Nazis bis zur Machtübernahme ausgesprochene Autobahn-Gegner. Für normale Leute war ein Automobil schließlich unerschwinglich. Wieso sollte der Staat da hingehen und Unsummen für ein Straßennetz verpulvern?
Oberbürgermeister Adenauer sah es anders. Erstens hatte er ein Faible für schnelle Autos – später als Kanzler spornte er seinen Chauffeur immer wieder mit den Worten an: „Jeben Se Jas!“ (Geben Sie Gas). Und zum zweiten war zwischen Köln und Bonn wirklich die Hölle los. Die alte Landstraße zwischen den beiden rheinischen Städten galt als die am stärksten befahrene des ganzen Deutschen Reiches – regelmäßig gab es Tote. Deshalb regte Adenauer eine „Nur-Autostraße“ an, auf der Fußgänger und Radler ebenso verboten sein sollten wie das „Treiben und Führen von Tieren“.
Als die Arbeitslosigkeit immer weiter anstieg, ließen sich die rheinische Provinzialregierung und die Reichsregierung in Berlin dazu bewegen, den Bau der Köln-Bonner-Autobahn als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu bezuschussen. 5500 Männer fanden vorübergehend Arbeit. Die örtliche Presse bejubelte die „breite, mit grauschwarzem Splitt bedeckte Straße“, die schon fast so aussah wie eine heutige Autobahn. Das einzige, was fehlte, war die Mittelleitplanke – stattdessen gab es nur einen dicken Streifen zur optischen Abtrennung.
Schon im nächsten Jahr wurde Adenauers Autobahn von den Nazis zur Landstraße herabgestuft, damit sich Hitler als Erfinder der Autobahn profilieren konnte. Der „Führer“ – der übrigens nie einen Führerschein besaß – tat am 23. September 1933 vor einem Pulk von Fotografen selbst ein paar Spatenstiche. Generalinspektor Fritz Todt verkündete: „Wir gehen nicht mehr stempeln, sondern wir bauen Straßen.“
Dass die Arbeitslosigkeit nun tatsächlich sprunghaft abnahm, hatte allerdings nur zu einem geringen Teil mit den Autobahnen zu tun. Historiker führen Hitlers Beschäftigungswunder heute vor allem auf die staatlichen Rüstungsprogramme und das Anziehen der Weltkonjunktur zurück.
Die Reichsautobahnen blieben unter Hitler immer nur Teilstücke. Ein zusammenhängendes Autobahnnetz entstand erst, als Adenauer erneut regierte – diesmal allerdings nicht in Köln, sondern am anderen Ende seiner Autobahn: in Bonn.