"Selbstverständlich ist das nicht. Es ist Pionierarbeit, was wir hier machen", sagte der grüne Bundessprecher Werner Kogler am Sonntagnachmittag. 42 Tage nach der Wahl beschloss der erweiterte Bundesvorstand der Grünen einstimmig, in Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP einzutreten. So könnten Lösungen für Klimaprobleme und die Bekämpfung der Kinderarmut gefunden werden, meinte Kogler. Auch für ein Informationsfreiheitsgesetz stehe die Tür offen.
Überraschend ist diese Entscheidung nicht.Die Sondierungsgespräche der vergangenen Wochen waren harmonisch verlaufen und hatten vor allem dem gegenseitigen Abtasten gedient. Jetzt muss noch die ÖVP am Montag darüber entscheiden, ob sie die Koalitionsverhandlungen ebenfalls aufnehmen will. 55 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind nach einer Umfrage für ATV dafür. "Ich denke schon, dass man ihm vertrauen kann, aber er ist jemand, bei dem man nicht sofort das Gefühl hat, man kennt sich aus", sagt die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im österreichischen Parlament, Sigrid Maurer, über Sebastian Kurz, den Mann, den die Grünen am Ende erfolgreicher Verhandlungen zum Bundeskanzler machen wollen. Doch bis dahin ist der Weg noch weit.
Frage der Alternative
Der erweiterte Bundesvorstand der Grünen wählte gestern auch einen neuen Generalsekretär. Thomas Fiesel kommt aus Eberhardzell in Baden-Württemberg und hat bereits den Europa- und den Parlamentswahlkampf organisiert. Am Freitag hatten die Sondierungsteams von Österreichischer Volkspartei und Grünen ihre Vorgespräche abgeschlossen. Über das Ergebnis wurden dann die Parteigremien der Grünen und die ÖVP-Spitze informiert. Die ÖVP-Landeschefin von Niederösterreich, Joanna Mikl-Leitner, hält es jedoch auch für möglich, dass die Partei von Sebastian Kurz erneut eine Koalition mit der Freiheitlichen FPÖ eingeht. "Das ist immer eine Frage der Alternative" sagte sie am Samstag im Radio.
Doch tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Koalition mit der FPÖ nach der jüngsten Liederbuchaffäre noch kleiner geworden. Auch die SPÖ ist nur im Notfall eine Alternative, weil ihre Führung derzeit sehr instabil ist.
Koalitionsverhandlungen
Wenn die Koalitionsverhandlungen zu einer Regierung aus ÖVP und Grünen in Österreich führten, wäre dies die vierte grüne Regierungsbeteiligung in Europa. Bisher sind die Grünen in Finnland, Luxemburg und Litauen an Regierungen beteiligt. Dabei liegen die Grünen in Österreich mit einem Wahlergebnis von 13,9 Prozent an zweiter Stelle hinter den Luxemburgischen Grünen mit fünfzehn Prozent. In der Vergangenheit war die Lebensdauer konservativ-grüner Bündnisse jedoch in der Regel nur vergleichsweise kurz.
Der österreichische Grüne Thomas Waitz wurde gestern im finnischen Tampere zu einem der beiden Sprecher der europäischen Grünen gewählt, er wird Europaabgeordneter, wenn der Brexit vollzogen ist.