„Bei uns wäre der in den Main geworfen worden.“ In breitem Unterfränkisch macht der Urlauber seinem Ärger Luft. Mit „dem“ meint er Bürgermeister Matthias Piepgras: Der politische Vertreter der Hallig Hooge in der Nordsee gilt als der Vater des „Hallig-Talers“, der seit diesem Jahr die Kasse der Minigemeinde mit ihren 107 Einwohnern aufbessert. An der Mole, an der die Fähre anlegt, verlangt Hooge von jedem Tagesgast einen Euro, Kinder sind mit 20 Cent dabei. Offiziell heißt das Eintrittsgeld Kurtaxe und ist anderswo gang und gäbe. Bei manchem Hallig-Touristen sorgt es jedoch für Unmut.
Bernd Diedrichsen ist einer, der den Ärger nicht nur versteht, sondern ihn sogar anheizt. Diedrichsen ist Kapitän des Ausflugsschiffs „MS Hauke Haien“ und greift vor der Ankunft auf der Hallig zum Bordmikrofon: „Da liegt die Pirateninsel“, sagt er in einer Mischung aus Spott und Zorn, um dann friesisch-herb über die Ungerechtigkeit des Eintrittsgelds zu wettern.
Die Bank ist auch für Touristen
Hooge ist bei Nordseeurlaubern beliebt: 90 000 Tagesbesucher setzen pro Jahr auf das Eiland über, die Statistik weist 49 000 Übernachtungen aus. Die Infrastruktur der „Königin der Halligen“, die mehrmals im Jahr überflutet wird, ist teuer. Ohne Subventionierung aus verschiedenen Töpfen wäre das Leben für die Bewohner nicht bezahlbar. „Wir sind die Gemeinde Schleswig-Holsteins mit der höchsten Verschuldung“, wirbt in Vertretung des Bürgermeisters Erco Jacobsen um Verständnis; er ist in der Minigemeinde für den Taler zuständig. Die Landesregierung habe Hooge auferlegt, mehr Einnahmen zu generieren.
Wortgewandt erklärt Jacobsen, dass man den Gästen die Taxe gerne erlässt: Dann dürften sie sich aber auf keine Bank setzen, nicht aufs Klo gehen, keinen Müll in die Abfallbehälter werfen und im Notfall nicht den Hallig-Krankenpfleger rufen. „Alleine ihn vorzuhalten, kostet pro Jahr 60 000 Euro.“ 100 000 Euro fließen aus dem Gemeindesäckel an Zuschüssen in die Inselkläranlage. Kurz: Die Einnahmen aus dem Taler-Geschäft kommen auch den Touristen zugute.
Klar: Kapitän Diedrichsen hat auch ein Eigeninteresse. Spricht sich der „Hallig-Taler“ herum und sollte seine Prognose wahr werden, dass die Kurtaxe auf 3,50 Euro steigen soll, muss er um Fahrgäste fürchten. In seinem Prospekt wirbt er bewusst für einen Ausflug auf die Hallig Langeneß als „talerfreie“ Alternative. Dass er und seine Kapitänskollegen es abgewehrt haben, das Geld für Hooge an Bord einzusammeln, darauf ist er stolz. Jetzt kassieren es die Hooger selbst: „Die Personalkosten dafür fressen das meiste wieder auf“, meint Diedrichsen.
Stimmt nicht, sagt Jacobsen. Es seien nur 30 Prozent, mit denen aber zwei neue Arbeitsplätze finanziert würden. Und für die nächste Urlaubsaison habe die Gemeinde eine Zusage der Reederei: Dann wird der „Hallig-Taler“ schon beim Kauf des Tickets erhoben. Darauf werde dann zu lesen sein, dass der Passagier nicht nur einen Euro Kurtaxe bezahlt, sondern auch 75 Cent Anlegegebühr, die schon heute im Fahrpreis dabei sind. Das sorge für Transparenz und werde auch den Ärger unter den Touristen verringern, hofft Jacobsen. Ohnehin sei es ja nur einer, der gegen die Kurtaxe zu Felde zieht – der Kapitän der „Hauke Haien“.
Das ficht Diedrichsen nicht an: Streitbar wie der Schimmelreiter, nach dem er sein Schiff benannt hat, drückt er seine Erwartung aus: „Hoffentlich sägen sie den Bürgermeister in eineinhalb Jahren wieder ab.“ Irgendwie hat der Streit auch eine persönliche Note: Diedrichsen ist Hooger, Piepgras nicht: „Der kommt aus Kiel.“