Frage: Herr Kuby, was ist Glück?
Clemens Kuby:
Glück ist ein Joker. Ein Joker für Nichtwissen. Aber wir wissen so vieles nicht, also brauchen wir viele Joker. Es ist einfach das, was sich unserem Bewusstsein entzieht. Denn wenn man es streng nimmt, gibt es im Universum nichts außerhalb des Gesetzes von Ursache und Wirkung. Und wenn einer Glück hat, muss es dafür eine Ursache geben. Nur, wenn ich die nicht kenne, sage ich: Es ist Glück gewesen.
Oder Zufall?
Kuby:
Es gibt keinen Zufall. Wenn einem etwas zufällt, gibt es dafür eine Ursache. Wenn man das Bewusstsein entsprechend erweitert, weiß man, warum mir das passiert ist.
Sie sind jemand, der nach den Ursachen sucht?
Kuby:
Ja. Denn in dem Moment wo ich die Ursache von einem Symptom kenne, hat es seine Dramatik verloren.
Also empfehlen Sie zu grübeln?
Kuby:
Wir müssen wissen, wie unser Gehirn funktioniert. Synapsen im Nervensystem entstehen viel schneller durch geistige Tätigkeit und mentale Einflüsse als durch irgendwelche Medikamente. Wir sind geistige Wesen, also sollten wir geistig vorgehen. Gesundheit ist dann keine medizinische Frage mehr, sondern eine philosophische Frage seines Menschenbildes. Der sich als geistiges Wesen definierende Mensch kann durch geistige Impulse auch sein System verändern.
Also statt zum Arzt lieber zum Philosophen gehen?
Kuby: Ich plädiere dafür, wenn man eine Krankheit hat, sich erst einmal selbst hinzusetzen und zu überlegen: Warum habe ich diese Krankheit? Was will mir diese Krankheit sagen? Welche Botschaft steckt dahinter? Die Antwort finde ich normalerweise nicht mit meiner linken, logischen Gehirnhälfte heraus.
Sondern mit rechts?
Kuby: Wenn wir in der rechten Gehirnhälfte, im intuitiven Bereich, danach suchen, kommen Szenen und Antworten aus unserem Unbewussten. Die rechte Gehirnhälfte ist eine unglaubliche Ressource, und sie liegt im Grunde brach. 76 Prozent aller Nobelpreise werden nicht mit der linken Gehirnhälfte gewonnen. Auch meinem Onkel Werner Heisenberg ist seine Unschärfen-Relation im Traum gekommen. Er hat ein halbes Jahr lang jeden Tag versucht, die geträumte Formel abzuleiten, bis er sie schließlich verstand. Aber die Formel hat er nicht erdacht, die hat er aus seiner rechten Gehirnhälfte geschöpft.
Also war's Intuition?
Kuby: Sie können es auch innere Stimme, Bauchgefühl, Gewissen oder Seele nennen. Ich sage Seele. Intuition ist immer richtig.
Und die gibt die Antwort, warum jemand krank wird?
Kuby: Krankheit im physischen Sinne ist nur die Oberfläche. Dahinter steckt immer eine individuelle Geschichte. Warum tut Ihnen das Knie weh? Zwingt mich jemand in die Knie? Kann zum Beispiel die Frage sein, mit der ich an meine persönliche Ursache für meine Knieschmerzen gelange. Und wenn das dann so ist, muss ich die Beziehung zu dem klären, der mich in die Knie zwingt, dann hat der Knieschmerz seine Schuldigkeit getan.
Und bei einer Grippe oder einem Schnupfen? Da sind doch vor allem Viren und Bakterien schuld.
Kuby: Es gibt immer Einflüsse von außen. Aber die Frage ist doch: Wie und warum reagiere ich darauf? Es werden ja nicht immer alle krank. Die Medizin sagt „Da steckt man nicht drin, den einen trifft's, den anderen nicht“. Der Körper sei ein Mysterium, damit müsse man leben. Ich will aber wissen: Warum?
Sie sind 1981 vom Dach gefallen und waren querschnittsgelähmt. Und die Heilung . . .
Kuby: . . . war ein aktiver Prozess. Sie war Arbeit. Und es war notwendig, dafür einiges zu unternehmen.
Also ist der Begriff „Spontanheilung“ etwas überspannt . . .
Kuby:
Es gab einen entscheidenden Moment. Ich bin mit dem Bundeswehrhubschrauber von Bad Mergentheim nach Heidelberg verlegt worden und wir mussten mitten durch ein Gewitter. Das war so heftig, ich dachte: Jetzt bist du nicht nur querschnittsgelähmt, jetzt stürzt du auch gleich noch ab. In dem Moment wusste ich: Ich muss etwas Grundlegendes in meinem Leben ändern. Die Querschnittslähmung hat noch nicht ausgereicht, um zu diesem Schluss zu kommen, das hat bei mir erst die Todesangst geschafft.
Sie sind dann doch noch gut in Heidelberg gelandet . . . und haben Sie dann was geändert?
Kuby: Ja, das war ich meinem eigenen Gewissen schuldig. Ich musste mir ein neues Leben überlegen. Es war hart, denn am alten hing viel dran. Ich hatte vorher ein Haus gebaut und meiner Mutter versprochen, dass sie dort alt werden kann. Ich musste mich von meinen Angehörigen, von meiner Vergangenheit, von allem trennen. Dazu hatte ich davor keinen Mut gehabt. Mein Lebensweg war korrigiert, ich wusste nur noch nicht wofür.
Was haben die Ärzte gesagt?
Kuby: Gar nichts. Damals konnte man Wirbel noch nicht mit Titan überbrücken, man wurde wochenlang liegen gelassen. Das gab mir Zeit über meine Vergangenheit und Zukunft nachzudenken. Es war eine Art Zwangsmeditation. Die hat bei mir bewirkt, dass ich begonnen habe, meine rechte Gehirnhälfte zu benutzen.
Was wollen Sie den Menschen in Ihren Seminaren mitgeben?
Kuby: Dass sie keine Angst haben müssen. Dass Krankheit kein Fluch ist, sondern der stärkste Entwicklungsmotor, den wir haben. Eigentlich ein Segen. Jede Krankheit gibt mir die Chance oder fordert von mir mich weiter zu entwickeln.
War es ein Segen, vom Dach zu fallen?
Kuby
: Interessant finde ich die Logik, die dahintersteckt. Ich bin vom Dach gefallen, weil ich meine Lebensaufgabe nicht gelebt habe. Und jetzt lebe ich meine Lebensaufgabe, weil ich vom Dach gefallen bin.