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ROM: Letta soll Italiens neue Regierung bilden

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Letta soll Italiens neue Regierung bilden

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    Im Präsidentenpalast: Enrico Letta wurde mit der Regierungsbildung beauftragt.
    Im Präsidentenpalast: Enrico Letta wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Foto: Foto: dpa

    Er ist kein Aufrührer, kein Lautsprecher. Bislang war Enrico Letta (46) vor allem ein Mann, der im Hintergrund agierte. Mit Anzug, Nickelbrille und kurzem, nicht mehr ganz fülligem Haar wirkte der Vizechef der Mitte-Links-Partei Partito Democratico (PD) für die meisten Landsleute wie ein unauffälliger Parteifunktionär. Seit Mittwoch nun steht der moderate Politiker, der im rechten und linken Parteienspektrum Freunde hat, voll im Rampenlicht. Italiens wieder gewählter Staatspräsident Giorgio Napolitano (87) erteilte Letta am Mittwoch das Mandat zur Regierungsbildung.

    „Die Politik hat ihre gesamte Glaubwürdigkeit verspielt“, sagte Letta in einer ersten Stellungnahme und skizzierte den Entwurf eines Regierungsprogramms. Als Prioritäten nannte der 1966 im toskanischen Pisa geborene Politiker die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Unterstützung der Unternehmen und institutionelle Reformen wie die Änderung des Wahlrechts. Letta gilt als arbeitnehmerfreundlich, unterhält aber beste Kontakte in die Wirtschaft. In seinem Statement kritisierte der designierte Regierungschef die EU. Sie konzentriere sich zu sehr auf eine Sparpolitik ohne Impulse für die Wirtschaft zu geben. „Das genügt nicht mehr“, sagte er.

    Staatspräsident Napolitano zeigte sich bei einem kurzen Auftritt vor der Presse in Rom zuversichtlich, dass dem ehemaligen Christdemokraten Letta schnell die Regierungsbildung gelingen werde. Sie könnte noch diese Woche vereidigt werden und bald darauf vom italienischen Parlament das Vertrauen ausgesprochen bekommen. Die meisten politischen Kräfte hätten in den Beratungen am Dienstag „offen ihre Wertschätzung für Letta“ geäußert, sagte Napolitano.

    Integer und ohne Feinde

    Erwartet wird die Bildung einer Koalition aus PD, der von Silvio Berlusconi geführten Mitte-Rechts-Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) sowie Mario Montis „Bürgerwahl“ (Sc). Eine rasche und breite Übereinkunft war Napolitanos Bedingung gewesen, sich am Samstag erneut zum Staatspräsidenten wählen zu lassen.

    Der dreifache, verheiratete Familienvater Letta gilt mit nur 46 Jahren für italienische Verhältnisse als Jungspund, bringt aber bereits viel Erfahrung mit. Er wurde 1998 mit 32 Jahren als politischer Senkrechtstarter jüngster Minister einer italienischen Regierung. Zunächst war er unter Ex-Premier Massimo D'Alema für die Ressorts Europaangelegenheiten, später für Industrie- und Handelspolitik verantwortlich.

    Seine Qualifikation und Zugehörigkeit zu einer jüngeren, politisch weniger vorbelasteten Generation und weil er als integer gilt und keine erklärten Feinde hat, haben bei Napolitano wohl den Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben. Auch dürfte es der in einer schweren Krise befindlichen Mitte-Links-Partei PD leichter fallen, sich um ihren gemäßigten Vize zu scharen als um andere Kandidaten wie etwa den aufrührerischen Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi.

    Berlusconi als Belastung

    Ex-Premier Romano Prodi berief Letta 2006 zum Untersekretär beim Ministerrat, einer Art Kanzleramtsminister. Lettas Vorgänger und Nachfolger in dieser Position war sein Onkel Gianni Letta (73), ein Intimus von Silvio Berlusconi (76). Mit Onkel Gianni wird Neffe Enrico künftig vermehrt beruflich zu tun bekommen. Berlusconi hat dem Staatspräsidenten versprochen, einer der Stützpfeiler der neuen Regierung zu sein. Die informellen Kontakte zwischen den beiden werden wohl von Gianni Letta koordiniert.

    Die Beziehung zwischen dem designierten Premier und Berlusconi wird entscheidend für die Bildung und das Fortbestehen der Regierung sein. Eine zur kooperativen Atmosphäre förderliche Eigenschaft kann Letta junior bereits vorweisen: Er ist seit jeher Anhänger des AC Mailand, dessen Eigentümer Silvio Berlusconi ist. Doch es gilt vor allem, Differenzen zu überbrücken. Nicht nur hatte Berlusconi Lettas Partei im Wahlkampf heftig attackiert. Letta selbst verglich Berlusconi vor der Wahl mit einer „biblischen Plage“.

    Schwere Belastungsproben zeichnen sich für die Verhandlungen über ein Regierungsprogramm und die Besetzung der Ministerien ab. Berlusconi hatte im Wahlkampf die Abschaffung der Immobiliensteuer versprochen und dürfte auf dieser Forderung trotz der maroden Staatskasse beharren. „Diese Regierung wird nicht um jeden Preis entstehen“, warnte Letta am Mittwoch. Zudem kündigte er den Versuch einer „Moralisierung des öffentlichen Lebens unseres Landes“ an. Wie dies im Zusammenspiel mit Berlusconi gelingen soll, können sich nur die wenigsten vorstellen.

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