Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat ein Problem – angesichts stark steigender Ausgaben bei gleichzeitig sinkenden Steuereinnahmen wegen eines deutlich schwächeren Wirtschaftswachstums klafft in seiner Finanzplanung bis zum Jahr 2023 ein Loch von rund 25 Milliarden Euro. Allein für den Etat des kommenden Jahres, mit dessen Aufstellung der Finanzminister in diesen Tagen beginnt, fehlen nach einer internen Berechnung seines Hauses 6,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im abgelaufenen Jahr hatte der Bund noch einen Überschuss von fast elf Milliarden Euro erzielt.
Angesichts dieser Zahlen bereiten Scholz und sein für den Haushalt zuständiger Staatssekretär Werner Gatzer alle Ministerinnen und Minister auf einen harten Sparkurs vor. Wenn die Regierung an ihrem erklärten Ziel festhalte, weiter Haushalte ohne neue Schulden zu beschließen, könnten neue Maßnahmen nur noch durch Einsparungen innerhalb des jeweiligen Ressorts in Angriff genommen werden, heißt es in einem 22-seitigen Brandbrief Gatzers an alle Ministerinnen und Minister der Großen Koalition. Besonders hart könnte es Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) treffen, ihre Etats sollen nur noch im Jahr 2020 wachsen, danach nicht mehr.
Das Loch im Haushalt wäre noch größer, könnte Scholz nicht auf die Rücklage von 35,2 Milliarden Euro zurückgreifen, in die die Haushaltsüberschüsse der vergangenen Jahre geflossen sind. Allein im vergangenen Jahr erzielte der Bund ein Plus von fast elf Milliarden Euro. Diese Rücklage ist für die Zusatzkosten vorgesehen, die durch die Aufnahme der Flüchtlinge entstehen. 22,8 Milliarden Euro sind dafür bislang vergeben, bleiben noch 12,4 Milliarden für andere Zwecke.
Gegenüber dieser Redaktion übte Haushaltsexperte der Grünen, Sven-Christian Kindler, massive Kritik an der Koalition. „CDU, CSU und SPD können einfach nicht gut mit Geld umgehen.“ Nun räche sich, dass Olaf Scholz sich nur „auf das Prinzip Hoffnung“ verlasse. „Seit Jahren ist klar, dass die Überschüsse nicht ewig so weiter gehen werden. Doch weder Schäuble noch Scholz haben richtig am Haushalt gearbeitet, um ihn für die Zukunft fit zu machen.“ Stattdessen hätten sie die strukturelle Arbeit am Haushalt „einfach verweigert“. Kindler forderte unter anderem den Abbau umweltschonender Subventionen, die sich auf über 50 Milliarden Euro belaufen, sowie ein „hartes Controlling“ im Verteidigungsministerium. „Bei Ursula von der Leyen wird das Geld zum Fenster rausgeschmissen, zur Freude der Rüstungsindustrie und teurer Unternehmensberater.“ Zudem setze die Koalition mit ihren Beschlüssen „den Presslufthammer an das Fundament des Haushalts an“. So koste das Baukindergeld zehn Milliarden Euro, ohne das Familien günstig Wohnraum finden, weil die Immobilienpreise weiter angeheizt werden. Und der geplante Abbau des Soli werde ein „zweistelliges schwarzes Loch“ in den Haushalt reißen.
Kritik an der Ausgaben- und Sozialpolitik der Großen Koalition kam auch vom Wirtschaftsflügel der CDU. „Hier zusätzliche Milliarden für die Rente, dort ein zweistelliger Milliardenbetrag für Kohle-Ausgleichsmaßnahmen – eine solide Politik sieht anders aus“, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, Wolfgang Steiger. „Die breite Beglückungspolitik mit der Gießkanne kommt nicht bei den Wählern an, denn ansonsten müssten die sie tragenden Parteien aus ihrem Umfragetief längst heraus sein.“ Finanzminister Olaf Scholz, der in der SPD-internen Arbeitsteilung eigentlich die Wähler in der Mitte gewinnen sollte, „verliert als neugeborener forscher Verteilungspolitiker, Sozial- und Rentenreformer die seriöse Reputation, die er als Hanseat im Finanzressort zugesprochen bekam“, so Steiger. „Da passt nichts zusammen.“
Der für Haushalt und Finanzen zuständige Vize-Fraktionschef der Unionsfraktion, Andreas Jung (Konstanz), sagte, die schwarze Null und die Absage an Steuererhöhungen seien „in Stein gemeißelt“, beides stünde im „glasklar“ im Koalitionsvertrag. Zwischen diese Koordinaten müsse sich alles andere einfügen. „Mit anderen Worten: Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben.“ Das sei man den Steuerzahlern von heute und den Generationen von morgigen schuldig. Gleichwohl dürfe die Koalition einer möglichen Abschwächung der Konjunktur nicht tatenlos zuschauen. „Wir müssen uns entgegen stemmen und nun erst recht klare Impulse bei Wettbewerbsfähigkeit, Mittelstand, Forschung und Infrastruktur setzen.“ Für die Union gelte die Devise „Handeln statt Abwarten!“