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Berlin: Wo bleibt die neue Weiterbildungskultur?

Berlin

Wo bleibt die neue Weiterbildungskultur?

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    Die Grünen werfen Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) Planlosigkeit vor.
    Die Grünen werfen Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) Planlosigkeit vor. Foto: Federico Gambarini

    An hehren Worten herrscht im Koalitionsvertrag kein Mangel. Ausdrücklich bekennen sich Union und SPD darin zur beruflichen Weiterbildung und Qualifizierung von Arbeitnehmern und sprechen sich für eine „neue Weiterbildungskultur“ aus. Die Regierung wolle „mit allen Akteuren eine nationale Weiterbildungsstrategie für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende entwickeln“, heißt es in den Zeilen 1798 und 1799 des Koalitionsvertrags, über die Bundesagentur für Arbeit würden alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein „Recht auf Weiterbildungsberatung“ erhalten. In der Realität ist davon allerdings wenig zu spüren. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, die dieser Redaktion vorliegt, haben sich die Akteure der nationalen Weiterbildungsstrategie bislang erst ein einziges Mal getroffen, am 12. November vergangenen Jahres.

    Dabei wurden, wie der Parlamentarische Staatssekretär im Bildungs- und Forschungsministerium, Thomas Rachel (CDU) schreibt, „der Prozess zur Erarbeitung der Nationalen Weiterbildungsstrategie sowie die thematischen Schwerpunkte (Systematisierung, Beratung, Unterstützungs- und Anreizstrukturen, Zertifizierung, Anerkennung und Qualitätssicherung) besprochen, die in folgenden Workshops ausgearbeitet werden sollen“. Hierzu sollen auch „weitere Akteure“ eingebunden werden. Ziel sei es, „arbeitsmarkt- und bildungspolitische Instrumente besser zu verzahnen und Weiterbildungsprogramme von Bund und Ländern zu bündeln“. 

    Keine eigene Strategie

    Für die Grünen ist diese Antwort ein Beleg dafür, dass die Bundesregierung noch immer keine eigene Strategie für die berufliche Weiterbildung und außer „wolkigen Ankündigungen, die bereits im Koalitionsvertrag zu lesen waren“, nichts zu bieten habe sowie das Handeln „in andere Gremien“ verschiebe. „Die Antwort zeigt einmal mehr die Planlosigkeit der Bundesregierung und insbesondere der Ministerin Anja Karliczek“, sagt Beate Walter-Rosenheimer (Germering), die Sprecherin für Berufliche Bildung der Grünen-Fraktion. „Zukunftsfeste Antworten auf drängende Fragen werden auf später vertagt.“ In Kürze sei die Hälfte der Legislaturperiode vorbei, doch geschehen sei nichts. „Mit Aufschieberitis werden wir die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, denen sich Beschäftigte heute stellen müssen, nicht lösen.“

    Angesichts der Digitalisierung müsse sich die Weiterbildungskultur „grundlegend ändern“, so Walter-Rosenheimer. Eine nachhaltige Weiterbildungsförderung, die auf Dauer die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen sichere, erfordere ein solides Wissen über zukünftige Bedarfe auf dem Arbeitsmarkt. „Die Bundesregierung fährt aber weiter auf Sicht.“ Damit drohe die versprochene Nationale Weiterbildungsstrategie „ins Leere“, zumindest aber „am Ziel vorbei“ zu laufen. „Eine echte Strategie ist mehr als die Summe ihrer Ankündigungen.“

    Grüne sehen dringenden Handlungsbedarf

    Aus Sicht der Grünen besteht angesichts der dramatischen Veränderungen der Arbeitswelt dringender Handlungsbedarf. Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, nahm 2016 exakt jeder zweite Beschäftigte an einer Weiterbildungsmaßnahme teil, das ist zwar mehr als 2010, als es nur 41 Prozent waren, aber praktisch unverändert im Vergleich zu 1997, als sich 48 Prozent der Beschäftigten weiterbildeten. Besonders auffällig – je höher die Gehälter, desto höher auch die Zahl derer, die sich fortbilden. Bei Beschäftigten, die 3000 Euro und mehr brutto pro Monat verdienen, waren es 72 Prozent, bei Geringverdienern mit einem Einkommen zwischen 750 und 150 Euro hingegen nur 45 Prozent. „Die Bildungsprämie, die für diesen Kreis gedacht ist, aber eine Selbstbeteiligung von 50 Prozent vorsieht, ist offensichtlich nicht die richtige Antwort auf das Problem“, sagt Beate Walter-Rosenheimer.

    Und gerade einmal 8,6 Prozent der Arbeitslosen würden in den Genuss einer Weiterbildung kommen, in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen sind es gar nur 2,1 Prozent, bei Beziehern von Hartz-IV gar nur 0,3 Prozent. „Wenn nur einer von hundert Menschen in der Grundsicherung eine Weiterbildung macht, liegt ein Fehler im System“, sagt die Grünen-Expertin aus Bayern. Arbeitsagenturen und Job-Center müssten hier zukünftig besser beraten und Weiterbildungen vermitteln. Zudem fordert Walter-Rosenheimer die Ausweitung des Aufstiegs-Bafög auch auf Fortbildungen unterhalb des Meisters oder Fachwirts. „Damit können zum Beispiel Gesundheits-, Pflege- und Erziehungsberufe attraktiver werden. Erst dann sind wir hier auf dem Weg zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, deren Angebote ja vom Staat bezahlt werden.“

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