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BRÜSSEL: Worauf es beim Brexit-Deal ankommt

BRÜSSEL

Worauf es beim Brexit-Deal ankommt

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    Ein Anti-Brexit-Aktivist demonstriert vor dem Parlament in London.
    Ein Anti-Brexit-Aktivist demonstriert vor dem Parlament in London. Foto: Foto: Tolga Akmen, afp

    Es könnte eine Schicksalsstunde für die EU werden, wenn sich die EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel zu Beratungen über den Brexit treffen. Fast eineinhalb Jahre wird der Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft nun schon verhandelt. Und doch hakt es weiter. Hier haben wir die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Brexit zusammengestellt. Alles, was man wissen muss, wenn es morgen zum Showdown kommen sollte.

    Warum ist dieses Gipfeltreffen am Mittwoch so wichtig?

    Ein Austrittsvertrag soll in dieser Woche eigentlich fertig sein. Denn er muss noch vom Europäischen Parlament und den Volksvertretungen der Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Dafür sind einige Monate Vorlauf nötig, um den Termin am 29. März 2019 zu erreichen. Dann tritt das Königreich offiziell aus.

    Kann man den Austritt nicht verschieben, um mehr Zeit zu gewinnen?

    Nein, das Austrittsverfahren nach Artikel 50 der Europäischen Verträge legt fest, dass die Kündigung der Mitgliedschaft zwei Jahre nach Einreichen des Antrags automatisch in Kraft tritt. Nun könnte es sich für Premierministerin Theresa May rächen, dass sie den Prozess eingeleitet hat, ohne dass sich die britische Regierung auf eine Strategie geeinigt hatte.

    Deal, no Deal, harter und weicher Brexit – was hat es damit auf sich?

    Unter einem Deal verstehen die Verhandler einen Austrittsvertrag sowie eine „politische Erklärung“ mit Eckpunkten über das künftige Verhältnis zwischen London und Brüssel, das in der Übergangsphase konkret festgelegt werden soll – unter welchen Auflagen beispielsweise Großbritannien Zutritt zum Binnenmarkt hat oder wie andere EU-Gesetze geregelt sind. Premierministerin Theresa May hat mehrfach den klaren Bruch mit Brüssel versprochen und den Verbleib in der Zollunion und im gemeinsamen Binnenmarkt ausgeschlossen. Es wäre ein harter Brexit. Bei einem von EU-Freunden bevorzugten weichen Brexit würde das Königreich eine ähnlich enge Anbindung an die EU suchen wie Norwegen inklusive vollem Zugang zum Binnenmarkt und fortdauernder Personenfreizügigkeit. Bei einem No-Deal-Szenario handelt es sich um einen ungeordneten Austritt, der für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals drastische Folgen haben könnte. Dann sind von einem Tag auf den anderen alle britischen Zertifikate oder Vorschriften für die EU ungültig.

    Welche Folgen hätte ein harter Bruch für Deutschland?

    Großbritannien ist ein wichtiger Handelspartner für die Bundesrepublik. Das bilaterale Außenhandelsvolumen beträgt rund 120 Milliarden Euro pro Jahr, das sind 1,4 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Ohne einen geregelten Austritt wäre das also auch für die hiesige Wirtschaft ein herber Rückschlag.

    Und welche Konsequenzen gäbe es für die britische Wirtschaft?

    Die Unternehmen auf der Insel hadern seit dem Referendum mit der vorherrschenden Unsicherheit und warnen vor einem ungeregelten Austritt. So stagnieren etwa Investitionen, weil noch nicht klar ist, wie das künftige Verhältnis des Königreiches zur Gemeinschaft aussieht. Zwar hat sich mittlerweile herausgestellt, dass Ökonomen die kurzfristigen negativen Folgen des Brexit-Votums überschätzt hatten, denn die befürchtete Rezession ist ausgeblieben. Doch die Wirtschaft wächst schwächer als vor dem 23. Juni 2016. Das Pfund, das deutlich an Wert verloren hat, hilft zwar der Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie, macht aber auch Importe teurer und führt dazu, dass die Inflation auf der Insel steigt.

    Es heißt, dass rund 90 Prozent aller strittigen Themen geklärt sind. Welche sind das zum Beispiel?

    Bei zwei sehr wichtigen Themen hat man tatsächlich eine Übereinkunft erreicht. Zum einen hat London akzeptiert, dass es für eingegangene Verpflichtungen noch rund 100 Milliarden Euro an Brüssel überweisen muss. Zum anderen wurden Regelungen für alle jene EU-Bürger gefunden, die lange auf der Insel leben und arbeiten beziehungsweise für die Briten, die auf dem Kontinent in einem EU-Land tätig sind. Sie dürfen bleiben, können auch Familien nachziehen.

    In welchen Fragen ist man sich weiter uneinig?

    Offen ist die Frage, welches Gericht in Streitfällen zuständig ist. Die 27 EU-Länder pochen darauf, dass dies nur der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg sein kann. Die Briten lehnen dies ab, weil damit ein „ausländisches“ Gericht Hoheiten auf dem Boden des Vereinigten Königreiches hätte. Eine Lösung könnte das Modell sein, das Brüssel gerade mit der Schweiz diskutiert: Ein Richter der EU sowie ein britischer Kollege berufen einen dritten neutralen Juristen und bilden so ein besonderes Schiedsgericht.

    Was ist mit der Nordirland-Frage?

    Das ist das Kernproblem in den Verhandlungen. Nordirland als Teil des Vereinigten Königreichs verlässt die EU, was zu einer künftigen Grenze zur Republik Irland führt. Das Karfreitagsabkommen, das 1998 nach den jahrzehntelangen Unruhen beschlossen wurde, verbietet aber eine harte Grenze zwischen den beiden Staaten und sowohl London als auch Brüssel sind sich einig, dass sie den Friedensprozess in Nordirland nicht gefährden wollen. Die EU und May hatten deshalb eine Auffanglösung, den sogenannten Backstop, ausgehandelt, nach der Nordirland zunächst Teil der Zollunion mit der Gemeinschaft und als eine Art Sonderzone im EU-Regelwerk bliebe, bis eine bessere Lösung gefunden wird.

    Wo liegt das Problem?

    Sowohl die Hardliner in Mays Partei lehnen diese Option ab als auch die nordirische Unionistenpartei DUP. Auf deren Unterstützung ist die konservative Regierung jedoch nach dem Verlust der absoluten Mehrheit angewiesen. Die DUP lehnt jegliche Regelung ab, wonach der Landesteil anders behandelt würde als der Rest des Königreichs. Als Kompromiss war im Gespräch, dass das gesamte Land vorübergehend in einer Zollunion verbleiben und Nordirland zudem dann auch weiterhin am EU-Binnenmarkt für Güter teilnehmen könnte.

    Aber es gibt doch eine zweijährige Übergangsperiode?

    Diese Zeit soll genutzt werden, um ein Freihandelsabkommen zwischen beiden Partnern auszuhandeln. Denn Großbritannien wird für die EU künftig wie ein Drittstaat sein. London hat zugesagt, in dieser Phase alle EU-Gesetze zu akzeptieren.

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