Frage: 11.45 Uhr, kommen Sie gerade aus dem OP?
Werner Mang: Ja, und ich muss auch wieder rein.
Was haben Sie heute schon operiert?
Mang: Eine Tränensack-OP, zwei Schlupflider, zwei Fettabsaugungen. Und wir haben natürlich eine Nase operiert. So beginnt mein Tag seit 30 Jahren. Zum Frühstück eine Nase sozusagen.
Warum gerade eine Nase?
Mang: In der plastischen Chirurgie ist die Nasenchirurgie die spannendste und schwierigste, weil jede Nase anders ist, und aus Knorpelknochen und Schleimhäuten besteht.
Wie reagieren Patienten, wenn sie das erste Mal ihre neue Nase sehen?
Mang: Mit Freudentränen und Ausrufen: ?Endlich bin ich den alten Zinken los.?
Gibt es auch Unzufriedene?
Mang: Ja, ein bis drei Prozent. Aber nicht etwa, weil etwas passiert ist, sondern sie sich vielmehr erwartet haben, dass das ganze Gesicht anders aussieht. Manche Patienten sind beunruhigt wegen der Schwellung, aber das kann im Einzelfall bis zu zwei Monate dauern, bis alles abgeschwollen und ganz fest ist. Normalerweise kann man nach 14 Tagen wieder alles machen.
Hatten Sie mal Angst während einer OP?
Mang: Nein, ich habe nur Angst vor Krankheiten. Mit allem anderen kann ich gut umgehen durch mein gutes Training und meine gute Psyche. Angst darf man beim Operieren nie haben. Das ist ganz schlecht.
Sie sind 66 und schreiben: „An mir nagt der Zahn der Zeit“. Woran merken Sie das?
Mang: Ich finde Altern furchtbar. Wenn einen die Kinder im Skifahren überholen und auch im Tennis viel besser sind, gibt das schon zu denken. Wobei ich mich mit 66 Jahren total fit fühle und nach wie vor zehn Stunden pro Tag arbeite. Arbeiten ist mein Hobby. Doch die Haare werden dünner und grau, die Zähne sind nicht mehr so weiß wie früher, die Muskeln bauen ab und jeden Tag gibt?s ein anderes Zipperlein. Doch bis jetzt – toi, toi, toi – war ich noch nie ernsthaft krank. Ich bete auch jeden Tag zum lieben Gott, dass ich und meine Familie gesund bleiben.
Würden Sie sich selbst bei einem Kollegen mal unters Messer legen?
Mang: Ja, ich habe zwei tolle Mitarbeiter hier, die top ausgebildet sind. Ich kann mir vorstellen, dass ich mir mal meine Schlupflider und Tränensäcke operieren lasse, wenn sie mich sehr stören.
Ans Alter haben Sie sich ja schon ein bisschen angepasst mit den OP-Zeiten: Sie operieren nicht mehr bis 17 Uhr, sondern nur noch von 7.30 Uhr bis 13 Uhr.
Mang: Ja, ich habe aber nachmittags auch mit Sprechstunde und Verwaltungs- und Managementaufgaben zu tun. Jetzt habe ich so gute Leute ausgebildet, dass die Standard-OPs auch von meinen Mitarbeitern gemacht werden können. Die Klinik soll ja die nächsten 25 Jahre noch existieren.
Sie sagten einmal, dass die Schauspielerin Grace Kelly die schönste Frau sei, nach deren Ideal Sie operieren. Wer ist denn die schönste noch lebende Frau?
Mang: Die Lippen von Angelina Jolie sind sehr schön, die Nase von Claudia Schiffer, Gisele Bündchen hat wunderbare Brüste und eine tolle Figur, Heidi Klum hat eine schöne Wangenpartie und Kinnregion. Da muss man sich an verschiedenen Frauen orientieren und versuchen, sich als ästhetischer Chirurg das Beste herauszupicken.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass 80 Prozent Ihrer Patienten Frauen seien. Kommen die alle aus eigenem Antrieb oder weil die Männer sie schicken?
Mang: Ja, in der Tat kommt der Anstoß manchmal von den Männern und die Frauen machen es ihnen zuliebe. Männer kommen oft aus beruflichen Gründen zur Tränensack- oder Schlupflider-OP oder zum Fettabsaugen. Man sagt, dass Männer, die gepflegt und schlank sind, die keine Tränensäcke haben, aber Haare auf dem Kopf, im Management weiterkommen. Doch je älter ich werde, umso kritischer werde ich und predige, dass man nicht jede Falte wegbügeln muss.
Sie gestehen in Ihrem Buch, dass Sie Frauen zu Pamela Anderson und Männer zu Brad Pitt umgebaut haben. Sie schreiben: „ . . . und ich war stolz darauf. Ich war kein Lamm in der Schönheitschirurgie.“ Höre ich da ein Bedauern oder Gewissensbisse?
Mang: Diese Dinge würde ich heute nicht mehr machen. Doch die Operierten haben teilweise besser ausgeschaut als die Originale und waren glücklich und zufrieden. Heute bin ich eben etwas weiser und kritischer geworden. Man muss sich weiterentwickeln.
Wen schicken Sie heute weg?
Mang: Wir schicken zehn Prozent der Leute wieder weg, wenn wir sehen, dass zum Beispiel psychische Probleme im Vordergrund stehen, dass eine Ehe gerettet werden soll durch eine Schönheits-OP. Oder wenn ein Mann ein Sixpack will. Den schicke ich lieber ins Fitness-Studio, denn das kann man nicht operieren. Po-Implantate machen wir auch nicht, weil die oft verrutschen. So einen Riesen-Po wie bei Kim Kardashian finde ich auch gar nicht so ästhetisch. Der Trend geht heute eher zu androgynen Frauen, wie die Ehefrau von Georgen Clooney oder Kristen Stewart.
Da geht Ihnen ja dann die Arbeit aus.
Mang: Über die Hälfte der Operationen an meiner Klinik haben nichts mit Schönheitschirurgie zu tun: Riesenhöcker-Langnasen mit Atmungsbehinderung, Mädchen mit riesigen Brüsten, die Probleme mit der Halswirbelsäule haben, Mädchen mit Gehbeschwerden wegen einer Reithose.
In den USA werden Mittelfußknochen entfernt, damit die Frauen höhere High-Heels tragen können.
Mang: Das sind unsinnige, absurde Operationen. Deswegen hat die Schönheitschirurgie noch immer einen negativen Beigeschmack. Das fängt an bei Brustimplantaten, Po- und Wadenimplantaten und Rippen-Rausschneiden, um eine Taille wie Viktoria Beckham zu bekommen. Das lehne ich ab.
Können Sie andere Leute anschauen, ohne dass ein Programm durchrattert, was man alles optimieren könnte?
Mang: Eigentlich bin ich ganz bodenständig und nicht unbedingt der Prototyp eines eitlen Menschen. Natürlich habe ich zwei Seelen: Einmal bin ich Jungfrau als Sternzeichen. Das sind mein Fleiß, meine Arbeit, mein Ehrgeiz. Als Aszendent bin ich Löwe, deshalb bewege ich mich natürlich auch in der Gesellschaft und bin sehr bekannt geworden. Ich bin ein Familienmensch, der lieber in die Berge geht zum Skifahren und auf den Tennisplatz als auf irgendwelche Partys. Zu meinem Geschäft gehört es aber auch dazu, dass ich mich auf den Events zeige und Leute kennenlerne.
Ist die Gesellschaft auf diesen Partys nicht furchtbar oberflächlich?
Mang: Das ist Präsenz und Marketing in eigener Sache. Ich bin stolz, dass ich weltweit Freunde und Bekannte habe, die meinen Rat suchen. Meine Klinik steht in Lindau und nicht in Hollywood. Ich habe alles erreicht, was ich mir als Junge erträumt habe. Ich freue mich an meinen Oldtimern und Schiffen, bin aber ansonsten sehr geerdet.
Sie beschreiben sich als „explosiv, hochgradig egozentrisch, ungeduldig, wenig diplomatisch“. Was bringt Sie auf die Palme?
Mang: Ich verlange auch von meinen Mitmenschen 110 Prozent. Da bin ich manchmal ungerecht. Auf die Palme bringt mich, wenn jemand unordentlich, nicht exakt und nicht ehrlich ist. Ich verlange oft zu viel von den Menschen. Aber ich bin etwas ruhiger geworden.
„Die Mädchen, die körperlich nicht perfekt waren, fand ich viel spannender“, schreiben Sie in Ihrem Buch über sich selbst als jungen Mann. Ihr Rat an junge Männer?
Mang: Sie sollten nicht nur auf Äußerlichkeiten achten. Die Wellenlänge und die Gefühle müssen stimmen. Es muss nicht alles ebenmäßig sein. Doch wer unter Schlupflidern, Tränensäcken oder seinen Brüsten leidet, soll sich auch operieren lassen. Das ist legitim.
Was lassen die Männer operieren?
Mang: Ab 18 Jahren sind das Haartransplantationen und Nasenkorrekturen, dann mit 40 Jahren Fettabsaugungen an Bauch und Hüfte, mit 50 Schlupflider, Tränensäcke und Facelift. Jeder fünfte Patient ist ein Mann, Tendenz steigend.
Sie behaupten im Buch: „Männer sind Affen“. Das müssen Sie erklären.
Mang;: Das ist provokativ. Forscher haben nachgewiesen, dass für die Menschenaffen das sexuell wichtigste Teil das Hinterteil ist. In Brasilien gilt der Po als anziehendstes, erotisches Merkmal. Deswegen gibt es in Brasilien so viele Po-Implantate. Ich persönlich meine, dass ein zartes Hinterteil wie bei Kristen Stewart auch erotisch sein kann. Von der Entwicklungsgeschichte her ist es so, dass Männer auf den Po erotisiert werden, mehr als auf die Brust.
Wer ist der schönste lebende Mann?
Mang: George Clooney finde ich gut.
Sie haben es in Ihrem Leben nach oben geschafft, besitzen mehrere Villen, Schiffe, Oldtimer, Hubschrauber. Erleben Sie Neid?
Mang: Mit Prominenten geht man in Deutschland sehr speziell um. Das haben Til Schweiger, Boris Becker und Franz Beckenbauer erfahren. Das ist nicht gut, wie man mit diesen Leuten umgeht, nur weil sie erfolgreich sind.
Ihre Frau war nicht begeistert von Ihrer Idee einer Autobiografie. Sie sagte: „Meinst du denn, Werner, dass dein bisheriger Lebenslauf interessant genug dafür ist?“ Was würden Sie heute anders machen?
Mang: Ich würde alles gleich machen, aber mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen. Ihr Aufwachsen habe ich nicht richtig mitbekommen. Und bevor andere die Biografie schreiben, habe ich es selbst gemacht.
Werner Mang
Der 66-Jährige ist Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und plastische Operationen. 2003 eröffnete er die Bodenseeklinik in Lindau. Bekannt wurde Mang durch seine polarisierenden Auftritte in den Medien. Der Mediziner, Sohn eines Forstwirts und einer Hausfrau, war mit 48 Jahren Professor. Seit 30 Jahren ist er verheiratet und hat zwei Kinder. Soeben ist seine Autobiografie erschienen. Text: SK Werner Mang: „Das wird ja immer schöner“, Orell-Füssli-Verlag Zürich, 224 Seiten, 19.95 Euro.