Über Kunst lässt sich trefflich streiten. Über Kunstschnee vielleicht noch besser. Doch wie sieht es mit dem guten Geschmack aus? Und was hat dieser mit Skifahren zu tun? Berechtigte Fragen. Sie alle spielen in den Dolomiten eine Rolle. Wer dorthin reist, sollte sich hierzu seine Gedanken machen. Antworten findet er dann in der Praxis.
Der Ruf hervorragend gepflegter Pisten eilt dem norditalienischen Skigebiet seit vielen Jahren voraus. Doch was mindestens ebenso gepflegt daherkommt, ist die dortige Küche. Was viele nicht wissen: Die Bibel der Feinschmecker, der Guide Michelin, führt dort 13 Sterne-Restaurants. Eine solche Dichte an Spitzenköchen findet sich in keinem anderen Wintersportgebiet.
So wundert es nicht, dass Urlauber mit einer Kombination aus beidem umworben werden. Alta Badia, eine der zwölf Talschaften des Skiverbunds Dolomiti Superski, bietet über die ganze Wintersaison, von Anfang Dezember bis April, „Skifahren mit Genuss“ an. Hierzu haben die besten Küchenchefs aus weltweit 14 Skigebieten für je eine Skihütte in Alta Badia ein spezielles Gericht kreiert, das dort während dieser Zeit gekocht wird.
Dass sich die heimische ladinische Küche nicht hinter der internationalen Spitzenküche verstecken braucht, zeigt vom 12. bis 19. März die „Roda dles Saus“. Die Hütten entlang der Skitour „La Crusc“, die von der Ortschaft La Villa aus erreichbar ist, bieten während dieser Woche traditionelle Gerichte, wie sie die Bergbauern dort seit je her kennen. Die Bauern sind es auch, die in Alta Badia während der Skisaison viele der Hütten entlang der 130 Kilometer Skipisten in dem Gebiet betreiben. Christof Pitscheider ist einer von ihnen. An diesem Tag hat er alle Hände voll zu tun in seiner Hütte „L'Tama“ bei La Villa. Sein Bruder, der ausschenken sollte, musste kurzfristig zurück ins Tal, auf seinen Hof. Eine Kuh kalbt. So steht Christof nun auch noch hinter der Theke. Doch heute hat er mittags einen Freund bei sich in der Hütte, der ihm dabei hilft, die Schlutzkrapfen zu kochen: Andrea Irsara. Der 42-Jährige führt in der Ortschaft Badia ein Gourmet-Hotel.
In der Küche ist er ein absoluter Profi. Es ist ein mehr oder weniger offenes Geheimnis, dass er als Anwärter gilt, Alta Badias nächster Sternekoch zu werden. Darauf angesprochen sagt Irsara nur: „Ich suche nicht den Stern.“ Und er fügt hinzu: „Meine Sterne sind meine drei Kinder.“ Die Bodenständigkeit, die er völlig ungekünstelt verkörpert, spiegelt sich auch der Art und Weise wider, wie er kocht. Sie hat nichts von dem Tamtam, das manche Gourmet-Köche um sich und ihre pikfeine Küche verbreiten. „Ich liebe die Einfachheit, ich liebe die Menschen, die immer wieder zu mir kommen. Das ist für mich das eigentliche Ereignis am Kochen“, sagt der Küchenchef.
Das wird auch mittags deutlich, als er in der Skihütte seines Freundes nach den Schlutzkrapfen, der südtiroler Variante von Maultaschen, ein einfaches Gersten-Risotto zubereitet. Die grüne Soße des Risottos besteht aus Kräutern und Flechten, die seine Tante, „die Kräuterhexe“, wie der 42-Jährige sie scherzhaft nennt, im Sommer an den Berghängen ringsum gesammelt hat. Eine Soße aus geschmolzenem Graukäse rundet das Risotto ab. Ein Genuss ohne jeden Schnickschnack.
„Koche einfach mit guten Produkten.“ Diesen Rat hat ihm sein Vater gegeben, der ebenfalls Koche war. Als dieser vor vier Jahren starb, hat Andrea Irsara das „Gran Ander“, den elterlichen Betrieb mit Hotel und Restaurant übernommen. Er kocht heute in der früheren Stube der Großmutter, der „Stüat Lala“, wie es auf Ladinisch, der Dialektsprache in den südtiroler Tälern, heißt. Diesen Namen trägt heute das Restaurant von Andrea Irsana. Sollte dort demnächst ein Michelin-Stern neben der Tür prangen, „dann werde ich den nicht vor mir hertragen“, sagt der Koch. Er sähe darin allerdings eine Anerkennung seiner Küche, über die er sich natürlich freuen würde, gibt er zu.
Von der Kochkunst ist es in den winterlichen Dolomiten nur ein kleiner Schritt zu einer anderen Kunst, die man hier mit großer Sorgfalt pflegt: dem Herstellen von Kunstschnee, dem maschinell erzeugten Schnee. Hierbei ahmt der Mensch mit Hilfe von Schneekanonen und Schneelanzen das nach, was die Natur in ihrer Wetterküche schon immer macht: Aus Wasser entstehen bei ausreichender Kälte mit Hilfe von Druckluft Schneekristalle. Doch während das Wetter macht, was es will, lässt sich beim Kunstschnee steuern, wann und wo Schnee entsteht. Und dies wird in Wintern, in denen Frau Holle es recht spät, und manchmal auch noch spärlich schneien lässt, immer wichtiger.
Im Skiverbund von Dolomiti Superski können 97 Prozent der 1200 Kilometer Pisten künstlich beschneit werden. Dies sorgt für frühe Saisonstarts bereits im Dezember, selbst wenn bis dahin keine einzige Schneeflocke vom Himmel gefallen ist. Wie weiße Schnüre ziehen sich die präparierten Pisten dann über grün-braune Berghänge. Für Skifahrer, die sich weiße Winterlandschaften wünschen, ist dies gewöhnungsbedürftig. Doch wer sich alleine aufs Skifahren konzentriert, der darf sich deswegen in den Dolomiten bis weit in den April hinein über gut befahrbare Pisten freuen. Denn Kunstschnee ist nicht nur stabiler als Naturschnee, er hält auch länger.
„Klimaerwärmung ist für uns kein Thema“, sagt folglich Andrea Varallo, Vizepräsident von Dolomiti Superski. Vielmehr soll die Zahl der Skitage pro Saison ausgebaut werden von 130 auf 150. Sein Optimismus gründet zum Teil auf dem Ergebnis der vergangenen Saison 2015/16. Diese verbuchte laut Thomas Mussner, dem Generaldirektor des weltgrößten Skiverbunds, Rekordzahlen bei den verkauften Skipässen. Und das, obwohl es nur wenig Naturschnee gegeben hat. Bereits jetzt verursacht die Beschneiung der Pisten bis zu 14 Prozent der Kosten von Dolomiti Superski.
Tendenz steigend. Logischerweise müssen die Skifahrer deshalb weiter mit steigenden Skipass-Preisen rechnen. Dass gut präparierte Kunstschnee-Pisten allein nicht genügen, um als angesagte Wintersportregion zu bestehen, liegt auf der Hand, auch deshalb, weil Kunstschnee nicht jedem gefällt.
Varallo formuliert diese Erkenntnis für Dolomiti Superski so: „Die Marke Skisport muss mit Lifestyle verbunden werden.“ Die Marketingmannschaft von Dolomiti Superski hat Ideen, was dies bedeuten könnte: mehr individuelle Angebote, eine Online-Plattform, auf der Skifahrer von der Unterkunft über den Skikurs bis zum Skipass alles buchen können. Und eine Smartphone-Anwendung soll den klassischen Skipass mit Chipkarte ersetzen.
Tipps zum Trip Infos: Dolomiti Superski, Tel. 00 39/04 71/ 79 53 97; Internet: www.dolomitisuperski.com (mit Suche für Unterkünfte, Skiverleih und Skipass-Kauf). Tourismusverband Alta Badia, Tel. 00 39/04 71/ 83 61 76; Internet: www.altabadia.org Anreise: Alta Badia ist mit dem Auto über die Brennerautobahn (A 22) zu erreichen. Ab der Ausfahrt Brixen-Pustertal sind es noch 50 Kilometer. Wer per Bahn anreist: Als Endbahnhof empfiehlt sich Bruneck (37 Kilometer bis Alta Badia), Alternativen wären Brixen oder Bozen (je 65 Kilometer). Von den Bahnhöfen fahren mehrmals täglich Linienbusse des Südtiroler Verkehrsverbundes nach Alta Badia. Unterkunft: Preisbeispiele (gültig ab 18. März): Im Hotel Tofana (vier Sterne) in San Cassiano gibt es das Doppelzimmer mit Halbpension ab 114 Euro pro Person und Nacht; im Hotel Gran Ander (drei Sterne superior) in Badia kostet das Doppelzimmer mit Halbpension 86 Euro pro Person und Nacht. In vielen Hotels in den Dolomiten gilt bis Saisonende das Angebot „Dolomiti Super Sun“: sieben Nächte zum Preis von sechs. Skipass: Im Verbund Dolomiti Superski kostet der Tagespass für Erwachsene je nach Saison 46 bis 57 Euro, der Sechs-Tage-Pass 229 bis 287 Euro. Für Familien, Kinder, Jugendliche und Senioren gelten Angebote bis Saisonende (in den meisten Skigebieten am 2. April, in einzelnen Skigebieten Mitte oder Ende April). Einen Ausflug wert: Im Keller des Hotels La Perla in Corvara verbirgt sich „Mahatma Wine“, einer der bedeutendsten Weinkeller Italiens. 28 000 Flaschen lagern dort, darunter absolute Spitzentropfen. Die Führung durch den Keller ist ein multimediales Ereignis.