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TEL AVIV: Israel – ein Land im Zwiespalt

TEL AVIV

Israel – ein Land im Zwiespalt

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    Strandtreiben in Tel Aviv: Der Sandstreifen erstreckt sich nahezu über die komplette Länge der Stadt.
    Strandtreiben in Tel Aviv: Der Sandstreifen erstreckt sich nahezu über die komplette Länge der Stadt.

    War es denn schön im Urlaub? Das ist eine Frage, die im Falle von Israel nicht ganz so leicht zu beantworten ist. Natürlich ist Israel schön und interessant. Es ist in seinen politischen Querelen und der angespannten Lage zwischen Juden und Palästinensern aber auch bedrückend und schwer zu verdauen.

    Die meisten Touristen reisen über Tel Avivs Flughafen Ben Gurion ein. Ein zeitloser, schlichter aber großzügiger Bau, durch den man zur Passkontrolle geführt wird. Alles läuft hier etwas ausführlicher und genauer ab als in manch anderem Land. Aber für die meisten Touristen unkompliziert.

    Wer wie wir an einem Samstag landet, findet schnell heraus, dass er in ein sehr religiöses Land gereist ist. Für die Juden ist Sabbat, ihr Ruhetag. Nichts geht. Alles ist geschlossen, der öffentliche Nahverkehr ruht. Die Aufzüge laufen in der Sabbatschaltung: Der jüdische Glaube verbietet die Bedienung technischer Geräte am Sabbat, also fahren die Fahrstühle automatisch und halten in jedem Stock. Nur die meist arabischen Taxifahrer befördern frisch Eingereiste wie uns in die Innenstadt von Tel Aviv.

    Nach Sonnenuntergang öffnen wieder zahllose Bars und Cafés ihre Theken und Terrassen für die ausgehhungrigen Menschen der Stadt. Tel Aviv ist jung und quirlig. Überall wird gefeiert, geplaudert und geshoppt. Alles ist hip und modern. Eine Stadt zum Wohlfühlen. Der breite Sandstrand erstreckt sich über die gesamte Länge der Stadt. Hier wird vor allem am Sabbat geruht und Hollow Racket gespielt. Der Strand ist auf eine gemütliche Weise voll mit Menschen die Erholung und Austausch suchen. Die an Großstädte wie Miami erinnernde Skyline der Stadt erhebt sich direkt hinter der Strandpromenade mit Blick über das Mittelmeer. Nichts lässt darauf schließen, das nur zwei Stunden Fahrzeit entfernt gelegentlich ein Geschoß aus Syrien auf den Golanhöhen landet oder zwei Stunden südlich mal ein Schusswechsel am Gazastreifen stattfindet. Oder dass im nur 45 Minuten entfernten Jerusalem immer wieder einmal Messerattacken auf israelische Soldaten gibt. Es muss die schon so lange Dauer dieser Konflikte sein, die die Menschen hier abgestumpft hat gegen die Angst.

    Im Süden der Stadt wird es flacher und der Strand läuft aus. Die arabische Altstadt Jaffa empfängt hier ihre Besucher mit einem letzten Rest orientalischem Charme. Ein Markt, viele Cafés und Imbisse warten auf Kundschaft. Auf den T-Shirts einiger arabischer Gastwirte wird für eine friedliche Koexistenz von Moslems und Juden geworben.

    So gut wie nichts erinnert hier daran, dass man sich in einem nahezu ewigen Krisenherd befindet. Erst 2014 bombardierte die israelische Armee, das kaum 100 Kilometer entfernte Gaza heftig.

    Das Bild ändert sich erst, wenn man sich nach Jerusalem begibt. In die ewige Stadt. Magnet für Gläubige aus aller Welt. Hier erhöht sich die Armeepräsenz deutlich. Im Straßenbild tauchen orthodoxe Juden auf, und in größeren Kaufhäusern und Bahnhöhen gibt es strenge Sicherheitskontrollen wie sonst nur an Flughäfen.

    Die Altstadt Jerusalem hat ihre Magie, wenn sich auch im Lauf der Jahrzehnte fast alles komplett auf den Glaubenstourismus aus aller Welt eingerichtet hat. Die Grabeskirche, die Klagemauer und den Tempelberg darf man sich nicht entgehen lassen. Man muss sich aber zumindest für den Tempelberg genau informieren, da der Zugang stark beschränkt ist.

    Ansonsten ist Jerusalem eine laute und pulsierende Großstadt. Die moderne Architektur geht nahtlos in die ältere über. Alles ist sandsteinfarben und schlicht. Keine Schnörkel, nichts Unnötiges. So erlebt man auch den täglichen Umgang mit den Menschen Israels. Kein Wort zu viel und keines zu wenig. Alles sachlich. Unnötige Höflichkeiten gelten als lachhaft.

    Shopping, Kultur und Restaurants – alles ist in allen Qualitätsstufen vorhanden. Vom Falafelstand auf dem Markt in Ostjerusalem bis hin zu schicken Sushi Bars in den riesigen Shoppingmalls voller Designerläden. Wer weiter will nach Bethlehem oder Jericho muss auf die andere Seite der mittlerweile 750 Kilometer langen Sperranlage, die zu einem großen Teil aus einer acht bis zwölf Meter hohen Mauer besteht. Das Westjordanland, aufgeteilt in drei Zonen. Zone A steht komplett unter palästinensischer Verwaltung, Israelis dürfen hier per Gesetz nicht rein und riesige Schilder warnen mit „Lebensgefahr!“ davor, diese Bereiche zu betreten.

    Etwas mulmig wird einem schon, wenn man im öffentlichen Bus beim Übertritt von Israelischen Soldaten mit Maschinengewehren kontrolliert wird. Arabischstämmige Mitfahrer müssen aussteigen und sich einer längeren Passkontrolle unterziehen. Auf der anderen Seite angekommen ruckelt der Bus gleich ein bisschen heftiger auf den schlechten Straßen. Reich und wohlhabend ist hier kaum einer mehr, die öffentliche Infrastruktur ist deutlich schlechter.

    In Bethlehem gibt es die Geburtskirche Jesu zu bewundern, im nahen Umland das Herodion. Herodes ließ hier eine Bergkuppe abtragen und baute seine Festung auf den gekappten Berg. Oben am Informationsstand gibt es Postkarten mit zwei winzigen jüdischen Siedlungen im Hintergrund. Wenn man heute vom Berg schaut, sind die Siedlungen um ein vielfaches gewachsen.

    Hamad ist Taxifahrer und fährt mich in ein seit 1948 von den Vereinten Nationen betriebenes Flüchtlingslager in Bethlehem. Palästinenser, die vor nun fast 70 Jahren aus der Altstadt von Tel Aviv vertrieben wurden, leben hier samt nachfolgender Generationen. Über 6000 sollen es sein. Eine Entschädigung für die verlorenen Häuser und Grundstücke haben sie bis heute nicht bekommen.

    Es gibt einige dieser Lager im Westjordanland. Überall hört man Geschichten von jüdischen Siedlern, die nachts angeblich auf Leute schießen, die Bauern die Ernte zerstören. Ein Lehrer in Ramallah sagt mir: „Wir können uns vorstellen, mit Juden zusammenzuleben. Es wird nur immer schwerer, mit Israelis zusammenzuleben.“ Der Glaube auf der einen und das politische Handeln des israelischen Staates auf der anderen Seite. Er zeigt mir Videos von Juden aus Tel Aviv, die ihm unbekannterweise zum Geburtstag gratulieren. Die ihn und andere Palästinenser unterstützen. Juden, die nicht mit der israelischen Siedlungspolitik einverstanden sind.

    Nur – was hat das alles mit Urlaub zu tun? Schwere Kost an magischen Orten wie dem Toten Meer oder dem Kloster der Versuchung an den Hängen vor Jericho. Sicher könnte man auf einer geführten Rundreise die Augen so weit verschließen, dass man von alledem kaum etwas mitbekommt.

    Aber warum sollte man, es gibt hier viel zu lernen und vieles zu sehen. Auch einen Konflikt, der seit Jahrzehnten als unlösbar gilt. Der es aber vielleicht gar nicht wäre, wenn Israel mit seine aggressive und laut deutscher Bundesregierung gegen das Völkerrecht verstoßende Siedlungspolitik beenden würde. Sie ist eine ständige Provokation der Menschen, die seit Generationen in einem Land leben, das ihnen nach und nach genommen wird. Auch unter den Augen der UN.

    Ob es schön war? Zurück am Strand von Tel Aviv unter einem der vielen kostenlos aufgestellten Sonnensegel stellt sich die Frage. Und ja, es ist schön, es ist aber auch sehr schwer mit anzusehen. Städte wie Akko oder Haifa im Norden des Landes mit einem hohen arabischen Bevölkerungsanteil beweisen, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist. Die immer wieder aufflammenden Konflikte zeigen wie angespannt und fragil das komplette Gebilde ist. Offensichtlich haben im Lauf der Jahrzehnte beide Seiten zu viel gelitten.

    „Make Hommus, not war“ ist ein beliebter Slogan auf den T-Shirts vieler Jugendlicher. Hummus – wein Kichererbsenbrei. Wenn es nur so einfach wäre.

    Unser Fotografen-Kollege Daniel Biscan hat Urlaub in Israel gemacht. Mit seinem Bericht setzen wir die Reihe „Meine Reise“ fort. In loser Folge veröffentlichen wir hier sehr persönliche Berichte über Urlaubsreisen, die nicht alltäglich sind. Sie haben zum Beispiel Deutschland zu Fuß durchquert, einen Survivaltrip in die sibirische Tundra unternommen, einen Kochkurs auf den Bahamas gemacht oder auf einer Alm Melken gelernt? Melden Sie sich bei uns: Tel. (09 31) 60 01-282. Wir klären dann ab, ob Ihr Urlaub in unsere Reihe passt.

    Tipps zum Trip Wer sich frei und selbstständig in Israel und Palästina bewegen will, kann dies problemlos tun. Das Netz des öffentlichen und privaten Nahverkehrs ist sehr gut. Die Preise sind moderat, in Palästina günstig. Zum Beispiel kostet eine Zugfahrt von Tel Aviv nach Akko und zurück umgerechnet zirka 20 Euro. Eine Busfahrt von Jerusalem nach Ramallah kommt auf unter zehn Euro. Übernachtet werden kann überall, auch das Angebot bei Airbnb ist groß. Wichtig ist, sich im Vorfeld regelmäßig über die aktuelle Situation im Land zu informieren. Vor allem in der Altstadt von Jerusalem kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Bankautomaten und Wechselstuben gibt es reichlich. Durch die strengen Essensregeln der Juden gibt es an den zahlreichen Feiertagen nicht immer alles zu kaufen.

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