Gehasst, gefürchtet, gelitten - und dennoch unumgänglich: Jeder Auszubildende muss ein Berichtsheft führen. Für viele eine lästige Pflicht: "Viele Azubis springen nicht vor Freude in die Luft", sagt Lukas Kagerbauer, der Bereichsleiter Berufsausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt.
Luftsprung oder nicht: Das Berichtsheft mit dem offiziellen Namen "Ausbildungsnachweis" ist die Voraussetzung für die Zulassung zur Gesellenprüfung. Und es betrifft viele: Etwa 10 000 Lehrlinge im Bereich der mainfränkischen IHK und gut 7000 im unterfränkischen Handwerk müssen derzeit regelmäßig dokumentieren, was sie in ihren Betrieben und der Berufsschule gelernt haben.

Vor gut einem Monat hat das neue Ausbildungsjahr begonnen - und die meisten Berufsanfänger müssen sich von ihren digitalen Gewohnheiten trennen: Selbst in Zeiten von Apps und Laptops ist das Berichtsheft in Papierform noch immer die Regel.
So jedenfalls die Beobachtung von Andrea Sitzmann, die in der Handwerkskammer für Unterfranken den Bereich Berufsbildung leitet. Der Anteil der Betriebe mit elektronisch geführten Berichtsheften "bewegt sich geschätzt im unteren einstelligen Bereich". IHK-Kollege Kagerbauer spricht indes von 20 Prozent.
Dass es beim Ausbildungsnachweis von Anfang bis Ende digital zugehen kann, zeigt das Beispiel des IT-Unternehmens FIS in Grafenrheinfeld. Es bietet eine App an, die mit Hilfe der in Smartphones integrierten Spracherkennung Berichtsheft-Einträge durch das gesprochene Wort ermöglicht. FIS hat deutschlandweit 800 Mitarbeiter, darunter 30 Auszubildende sowie 20 Duale Studenten und als Trainees bezeichnete Nachwuchskräfte.
Beispiel FIS: Welche Vorteile die App fürs Berichtsheft haben kann
Der angehende Fachinformatiker Mike Bieber aus Haßfurt möchte die App nicht mehr missen. Der 23-Jährige ist bei FIS im dritten Lehrjahr und führt seine Einträge ins Berichtsheft fast nur auf digitalem Weg: "Geht einfach schneller." Weil die Spracherkennung nicht immer alles korrekt wiedergibt, mache er später am Laptop den Feinschliff.
Davon profitiert auch sein Ausbildungsleiter: Stefan Seufert kann sich am Computer in Biebers Berichtsheft einloggen, die Einträge gegenlesen und genehmigen. Eine solche Kontrolle ist laut Berufsbildungsgesetz vorgeschrieben und soll unter anderem garantieren, dass der Lehrling bei der Gesellenprüfung nachweisen kann, alles Wesentliche für seinen Beruf gelernt zuhaben. Deswegen, so Andrea Sitzmann von der Handwerkskammer, "ist das Berichtsheft wichtiger Bestandteil jeder dualen Berufsausbildung".
Berichtsheft: Apps sind längst auf dem Markt
Diverse Apps oder Vorlagen für den Computer sind längst auf dem Markt. Die Idee mit einer eigenen App für das Berichtsheft sei vor sechs Jahren aufgekommen, sagt FIS-Ausbildungsleiter Seufert. Acht Wochen lang hätten daraufhin Lehrlinge des ersten Ausbildungsjahrgangs an der Entwicklung getüftelt. Heute nutzen nicht nur die eigenen Azubis die App mit Spracherkennung - sie ist Teil des Geschäfts von FIS. Das Grundpaket für fünf Anwender kostet 15 Euro im Monat.
Was die FIS-App mit SAP zu tun hat
Und das 1993 aus dem Schweinfurter Wälzlagerhersteller FAG Kugelfischer ausgegründete Unternehmen ging noch einen Schritt weiter: FIS biete den Kunden die Möglichkeit, die mit der App geführten Berichtshefte in die eigene, von SAP gesteuerte Personalverwaltung zu integrieren, sagt Christian Lang, Mitglied der Geschäftsleitung. Der "Einbau" von SAP-Software in fremden Firmen ist Schwerpunkt von FIS.
Mit SAP können Unternehmen sämtliche Vorgänge - vom Wareneingang über Personalabteilung, Produktion oder Buchhaltung bis hin zum Verkauf - digital festhalten, so dass die Software das komplette Wirken des Betriebs abbildet. FIS in Grafenrheinfeld arbeitet hier mittlerweile mit namhaften Großunternehmen wie Audi, Airbus, Koenig & Bauer, Knauf oder Richter+Frenzel zusammen.
Auch wenn digitale Berichtshefte in der Region eher noch selten sind: Bei den beiden Wirtschaftskammern hält man sie für sinnvoll. "Das kann gerade für Nichtmuttersprachler sinnvoll sein", meint Andrea Sitzmann von der Handwerkskammer zu der Spracherkennung. Und IHK-Kollege Kagerbauer ergänzt: "Alles, was Zeit spart, ist positiv".
Digitale BerichtshefteForm: Handschriftlich, per Word-Dokument am Computer oder mit Hilfe einer App - wie der Auszubildende sein Berichtsheft führt, ist egal. Wichtig ist, dass er es lückenlos tut. Laut Ausbildungsleiter Stefan Seufert von der Grafenrheinfelder IT-Firma FIS wird bei Gesellenprüfungen immer häufiger akzeptiert, dass der Lehrling seinen Laptop mitbringt und den Prüfern sein digital geführtes Berichtsheft zeigt. Es müsse dann nicht mehr ausgedruckt werden.Tipps und Vorlagen: Die IHK Würzburg-Schweinfurt empfiehlt Betrieben, die Berichtshefte der Lehrlinge digital führen zu lassen. Eine Pflicht zur Umstellung von Papier auf App oder Computer gebe es nicht, so Bereichsleiter Lukas Kagerbauer. Die Kammer hat Tipps und digitale Vorlagen gebündelt: www.wuerzburg.ihk.de/bildungsportal Ähnliches bietet auch die Handwerkskammer für Unterfranken unter dem Stichwort "Ausbildung": www.hwk-ufr.de. Dazu gibt es für Auszubildende mit Fluchthintergrund die App "Mein Vokabular" mit wichtigen Begriffen des Arbeitsalltages.aug