Noch vor wenigen Monaten wurde der Teufel eifrig an die Wand gemalt: Über die Region und den Rest von Deutschland werde in Folge der Corona-Krise bald eine Pleitewelle rollen. Während die zweite Corona-Welle gerade abklingt, ist die Pleitewelle ausgeblieben. Bislang. Und nur bezogen auf Unternehmen.
Denn mittlerweile zeigt sich, dass es eher Privatleute sind, die wegen Corona finanziell in Bedrängnis kommen. Das jedenfalls lässt sich anhand aktueller Zahlen des Landesamtes für Statistik in München interpretieren. Kernaussage für Bayern: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen verharrt seit Wochen auf unerwartet niedrigem Niveau, die der Privatinsolvenzen dagegen wächst.

Das verdeutlicht laut Landesamt die Summe dieser Verfahren in den vergangenen Monaten im Freistaat: Im November waren es 338, im Dezember 442 und im Januar 721. Das sei allerdings gegenüber Januar 2020 eine kaum veränderte Zahl. Beantragte Insolvenzen von Unternehmen blieben hingegen auf nahezu gleichem Niveau: 126 im November, 168 im Dezember und 138 im Januar.
Experten führen das vor allem auf die staatlichen Hilfsgelder für notleidende Firmen und auf die Kurzarbeit zurück, die in den vergangenen Monaten auch in Mainfranken extrem stark in Anspruch genommen worden ist und die sich als rettender Strohhalm für weite Teile der Wirtschaft erwiesen hat.
Was die Pleite-Zahlen (noch) nicht sagen
Im vergangenen Januar gab es in Bayern 138 Insolvenzverfahren bei Unternehmen, 33 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. In Unterfranken waren es zwölf, was einem Rückgang um 29 Prozent entspricht. Unklar ist, inwieweit diese Zahlen über den wahren Zustand der Unternehmen hinwegtäuschen und ob das dicke Ende noch kommt.
Das sei in der Tat noch nicht sicher, äußerten sich erst kürzlich die Würzburger Insolvenzverwalter Markus Schädler und Kornelius Klatt gegenüber dieser Redaktion. Festzustellen sei hingegen, dass "vielen ganz normalen Leuten" allmählich das Geld ausgehe.

Ohne schon verwertbare Zahlen zu haben, sieht auch Michaela Link Leiterin der Kolping-Schuldnerberatung in Schweinfurt einen diffusen Zusammenhang zwischen der Corona-Krise und der finanziellen Potenz mancher Verbraucher. "Gerade in den unteren Einkommensbereichen" sei zu erkennen, dass manche Verbraucher Kredite nicht mehr zurückzahlen können – vor allem, wenn Kurzarbeit oder Jobverlust im Spiel sind.
Für Link und ihr Team ergibt sich eine Herausforderung an anderer Stelle: Es liegen private Insolvenzverfahren auf Halde. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber vor wenigen Monaten die Regeldauer der Restschuldbefreiung auf drei Jahre halbierte. Bis dahin seien Fälle vorsichtshalber aufgeschoben worden. So könnten erst jetzt 50 bis 60 Verfahren von ihrem Team bearbeitet werden, so Link. "Das hat aber mit Corona direkt nichts zu tun."
"Wir rechnen damit, dass es mehr werden."
Michaela Link von der Schuldnerberatung in Schweinfurt über die Zahl der Ratsuchenden im Zusammenhang mit der Corona-Krise
Geht es bei Pleiten immer auch um viele herbe Einzelschicksale, sind allein schon die blanken Zahlen erdrückend. So kamen im Januar laut Landesamt für Statistik bei den 859 bayerischen Insolvenzverfahren aller Art Forderungen in Höhe von 140 Millionen Euro zusammen, in Unterfranken 9,8 Millionen. Allein bei Privatinsolvenzen sind es in Bayern 24 Millionen Euro an Forderungen (Unterfranken: 6,1) gewesen.
Was die privaten Verfahren angeht, hat Beraterin Link eine positive Beobachtung gemacht: Banken und Inkassounternehmen reagierten derzeit bei Problemen von Schuldnern kulant. Es würden zum Beispiel nicht sofort die Kreditverträge gekündigt.
Warum Corona-Kontaktregeln bei Insolvenzverfahren schwierig sind
Jeweils etwa 800 Klienten hatte die Schweinfurter Schuldnerberatung in den vergangenen beiden Jahren. "Wir rechnen damit, dass es mehr werden", so Link mit Blick auf 2021 und die Folgen der Corona-Krise für Verbraucher.
Derzeit bringen die Kontaktbeschränkungen ein Problem mit sich: Das Vier-Augen-Gespräch ist für die Berater nur in Ausnahmefällen möglich. Wenn aber ein privates Insolvenzverfahren eröffnet werden muss, gibt es laut Link eine wichtige Pflicht: "Wir müssen persönlich beraten." Das gehe nicht zum Beispiel per Video-Schalte.
Schuldnerberatung in der RegionIn Mainfranken ist die Schuldnerberatung dezentral organisiert. Es gibt sieben Anbieter: Christopherus-Gesellschaft (Würzburg, Neubaustraße 40), Kolping-Bildungszentrum (Schweinfurt, Fischerrain 2), Landratsamt Main-Spessart (Karlstadt, Marktplatz 8), Diakonisches Werk (Kitzingen, Mühlbergstraße 1 und Bad Neustadt, Marktplatz 11), Caritasverband (Haßfurt, Obere Vorstadt 19) sowie Landratsamt Bad Kissingen (Münchener Straße 5). Die Beratungen sind kostenlos und vertraulich.Tipp: Wenn sich erste Anzeichen von finanziellen Problemen zeigen, sollte zügig eine Schuldnerberatung in Anspruch genommen werden, rät das bayerische Sozialministerium. Solche Anzeichen können sein: erste Mahnungen von Gläubigern, das Girokonto ist immer wieder überzogen, dringende Anschaffungen können nur noch über Ratenkäufe bewältigt werden.aug