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WÜRZBURG: Dem Himmel so nah

WÜRZBURG

Dem Himmel so nah

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    _ Foto: suriya silsaksom (iStockphoto)

    Die Bühne ist frei, die Uhr tickt, der Puls wird immer schneller. Sechs Minuten müssen jetzt ausreichen, um mit der eigenen Idee zu begeistern. Der Saal ist bis auf den letzten Stuhl gefüllt. In den ersten Reihen richten die Investoren gespannt ihren Blick nach vorne. Ihr Urteil entscheidet über Erfolg oder Scheitern. Bloß nicht verunsichern lassen. So oder so ähnlich sieht die gängige Vorstellung von einem Gründer-Pitch aus. Große Pitch-Events können in dieser Art ablaufen. Im engeren Sinne ist der Pitch in der Start-up-Szene die Präsentation der Idee und des Geschäftsmodells vor interessierten Geldgebern. Die findet aber, so wie letztlich auch der Beschluss zur Investition, oft im viel kleineren Rahmen statt und ergibt sich über Beziehungen.

    „Ein Investoren-Pitch dauert meistens mindestens eine Stunde. Und das ist häufig nur der erste“, sagt Toni Wagner, Geschäftsführer des Würzburger IT-Start-ups vAudience. Das im Juni 2016 gegründete Unternehmen finanziert sich über Business Angels, vermögende Privatinvestoren.

    Nichts Ungewöhnliches, wie ein Blick

    auf den Deutschen Start-up-Monitor zeigt.

    Auch wenn die Zahl im Vergleich zum Vorjahr etwas geschrumpft ist, waren Business Angels im Jahr 2016 mit 22,6 Prozent die vierthäufigste Finanzierungsquelle für Start-ups in Deutschland, vor Risikokapital (18,8 Prozent) und hinter eigenen Ersparnissen (84,1), staatlichen Fördermitteln (35,5) sowie Unterstützung durch Familie und Freunde (30,2). Während Phasen, in denen Kapital benötigt wird, pitcht Wagner rund einmal die Woche vor einzelnen Investoren. Meistens über Skype oder im eigenen Büro im Innovations- und Gründerzentrum Würzburg (IGZ). Bislang hat das Start-up vier Business Angels an Bord. Wagner und sein Team entwickeln Services für Streamer. Das erste Produkt BOBMOB soll den Bereich E-Sports bedienen. Electronic Sports, das sind Computerspiel-Wettkämpfe. Gamer spielen beispielsweise League of Legends oder Counter-Strike – und Millionen Menschen schauen weltweit live zu, unter anderem auf Streaming-Portalen wie Twitch. Anhand einer Art virtuellen Stadions möchte vAudience das Streaming-Erlebnis verbessern.

    Persönliches Netzwerk

    In Zukunft soll es auch Software für Fußballvereine und deren Live-Apps geben. Einen ersten Bundesliga-Top-Klub habe vAudience schon als Partner. Bei der Investorensuche konnte Wagner vor allem auf sein persönliches Netzwerk an Kontakten zählen. Vor vAudience hatte er bereits zwei Mal ein Unternehmen gegründet. Früher war der studierte Biologe als Wissenschaftler an der Universität beschäftigt, wo er bis heute Vorträge hält. Von seiner neuen Idee erzählte er möglichst vielen Bekannten und holte sich Meinungen ein. „Und wie das in einem typischen Netzwerk ist, sagt es der eine dem nächsten“, so Wagner. „Irgendwann standen zwei Leute bei mir im Büro und haben sich die Details erklären lassen und gesagt, wenn ich Geld brauche, soll ich mich melden.“ Die Bedeutung von persönlichen Netzwerken betont auch Markus Römer, Geschäftsführer des Nürnberger Fashion-Start-ups Dress and Friends, der vor ein paar Monaten in Würzburg einen Workshop zum Pitchen leitete. Vor allem müsse man fordern: „Wenn ich mit einem Investor spreche und merke, dass er nicht investieren will, dann muss ich ihn fragen, ob er jemanden kennt, zu dem die Idee passen würde.“

    Sympathie und Vertrauen

    Das gelte auch für Beziehungen zu anderen Start-ups. „Sie haben ja auch Kontakte zu Investoren. Vielleicht haben sie mit jemanden gesprochen, der nicht zu ihnen passt, der aber bei einem selbst passen könnte und umgekehrt“, so Römer weiter. Man müsse ein aktiver Netzwerk-Partner sein und immer klarmachen, was man sucht. Auch beim Pitch sei das wichtig: „Am Ende kommt es darauf an, dass der Investor ganz klar versteht, was man möchte. Was man erreichen will, was man vom ihm erwartet und warum.“ In der Seed-Phase – der Anfangsphase, in der das Produkt oder die Dienstleistung noch nicht am Markt ist – komme es beim Pitchen zudem besonders auf Sympathie und Vertrauen an. „Da investiert eigentlich niemand, weil es eine gute Idee ist. Da ist die Investition immer der Glaube daran, dass dieses Team in der Lage ist, etwas Gutes zu bauen“, ist sich Toni Wagner sicher.

    Schwierige Lage in Würzburg

    Das sei auch der Grund, warum Investoren in der Regel nicht zum Pitch einladen, sondern das Büro des Start-ups besuchen. Dort können sie das Team und dessen Arbeitsumgebung kennenlernen. vAudience habe bei Pitches bislang eine Erfolgsrate von 50 Prozent. Eingerechnet seien auch Investoren, die zugesagt haben, vom Start-up aber abgelehnt wurden. Selbstverständlich sei das nicht. „Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, mit dem ich spreche, tatsächlich investiert, ist immer sehr gering. Ich würde sagen, maximal fünf Prozent.“ Dass es bislang so viel besser lief, schätzt Wagner in erster Linie als Glück ein. Man sei einfach an die richtigen Leute geraten.

    Und das ist gerade in Würzburg nicht einfach. Diese Wahrnehmung hat Jan Wiesner, Gründungsberater und Inhaber der Gründerwerkstatt Würzburg

    : „Mein Eindruck ist, dass es in Würzburg viele Menschen gibt, die Geld haben und dieses auch gerne in ein Start-up investieren möchten.“ Dennoch sei es für Start-ups in Würzburg nicht einfach, an Investoren heranzutreten. „Die meisten Privatinvestoren bleiben gerne anonym oder sind zumindest eher zurückhaltend“, ergänzt Wiesner. Zudem gebe es keine offiziellen Business-Angels-Netzwerke wie in anderen Großstädten. In Frankfurt am Main beispielsweise richtet der Verein Business Angels FrankfurtRheinMain regelmäßig Speed-Pitches aus, wo gezielt Start-ups und potenzielle Investoren zusammengebracht werden. Solche Veranstaltungen gibt es in Würzburg bislang nicht. Ein größeres Pitch-Event – allerdings ohne organisierte Investoren im Publikum – findet beispielsweise beim Mobile Media Day statt.

    Die Initiative gründen@Würzburg

    , zu der auch die Gründerwerkstatt gehört, veranstaltete außerdem 2016 erstmalig den Start-up-Preis Würzburg, bei dem sechs Start-ups in Pitches gegeneinander antreten und von einer Jury und dem Publikum bewertet werden.

    Ein leichteres Zusammenbringen von Investoren und Start-ups sei auch deshalb wünschenswert, weil lokale Investoren Vorteile bringen: „Ein enger Kontakt hilft, Stimmungen sofort wahrzunehmen und macht auch kurzfristige Treffen möglich“, so Wiesner. „Da es hier in Würzburg bis dato aber noch recht wenig Angebote gibt, sind Start-ups häufig gezwungen, sich außerhalb nach einem passenden Investor umzusehen.“

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