In der Sprache der sizilianischen Mafia ist der Consigliere der juristische Beistand des Familienoberhaupts. Die persönliche Bindung ist eng, Vertrauen wichtig. Holger Loos erzählt mit Stolz, wie ihn einer seiner Mandanten so bezeichnet: „Das ist für mich die größte Ehre überhaupt.“
Der Rechtsanwalt für IT- und Medienrecht bewegt sich in einem digitalisierten Arbeitsumfeld. Den persönlichen Kontakt ersetze das aber nicht: „Es geht nur über eine gemeinsame Vertrauensbasis.“ Digitale Zeiten hin oder her.
Schon früh den Computer eingesetzt
Loos beschäftigte sich früh mit den Möglichkeiten, die der technische Fortschritt bietet. Er spricht voller Faszination über den Commodore C128, der Computer seiner Jugend. Für ein Informatikstudium sei er aber nicht „Nerd“ genug gewesen. Also Jura: „Ich war schon als Kind ein Gerechtigkeitsfanatiker.“
Im Arbeitsalltag des heute 43-Jährigen geht es viel um Kompromisse, Mittelwege oder taktische Abwägungen. Also um juristische Nuancen, die noch kein Algorithmus beherrscht. Dass der digitale Wandel den Arbeitsalltag von Rechtsanwälten dennoch beeinflusst, ist unbestritten. Laut der Studie „Legal Technology 2018“ arbeiten aber beispielsweise nur drei Prozent der Rechtsabteilungen in deutschen Unternehmen mit digitalen Anwendungen.
„Viele sind erzkonservativ“
Und Holger Loos? Er kümmerte sich schon während des Studiums an der Universität Würzburg um den Internetauftritt der Jura-Fachschaft. 1997 beantragte er als einer der ersten Studenten einen E-Mail-Account. Loos wollte all das Neue kennenlernen, jede Information aufsaugen.
Als ob er gewusst hätte, dass das, was er vor sich hat, die Zukunft maßgeblich bestimmen kann. Sein Urteil heute über die digitalen Fortschritte seiner Kollegen fällt daher vernichtend aus: „Viele sind erzkonservativ. Die können den Computer nur einsetzen, wenn ihn jemand eingerichtet hat.“ Loos spricht gerade heraus, mit durchdringender Stimme. „Was die Digitalisierung anbelangt, haben Anwälte noch erheblichen Nachholbedarf.“
Loos legte sich schon während des Referendariats eine eigene Webseite an. „Die sah für heutige Verhältnisse noch schrecklich aus“, schmunzelt er. 13 Jahre später ist sein Internetauftritt auf der Höhe der Zeit: Ein 360-Grad-Video führt durch seine Kanzlei. Außerdem bloggt der gebürtige Ansbacher zu aktuellen juristischen Fragen und nutzt das digitale Erzählformat Storytelling, um sich und seinen Werdegang zu präsentieren.
Damit der Beruf transparenter wird
Damit will er nicht nur für sich werben, sondern auch den Anwaltsberuf transparenter und nahbarer gestalten. Die Digitalisierung erleichtert das.
Holger Loos jongliert mit technischen Details, die er in seinen Alltag einbettet. Er könne sich vorstellen, einen Legal Chat Bot zu programmieren – also einen Algorithmus, der Mandanten im Stile eines Messengers selbstständig in einfachen Rechtsfragen berät. Die Verwaltung der Kanzlei ist vollständig digitalisiert. Mit Hilfe optischer Texterkennung werden dort Schriftsätze analysiert.
Beratungsbedarf hat zugenommen
Globalisierung und Digitalisierung haben auch dazu geführt, dass rechtliche Beratungen zur Informationstechnologie immer gefragter sind. Holger Loos erkannte das. 2014 gründete er mit seiner Frau Beatriz die SiDIT GmbH. Das Unternehmen befasst sich mit dem Thema Datenschutz. Loos war sich der Bedeutung des Themas bewusst, lange bevor die Europäische Union die Datenschutz-Grundverordnung verabschiedete. Ein Gespür, das sich gelohnt hat: Der Umsatz der SiDIT GmbH hat sich in den ersten Monaten dieses Jahres im Vergleich zu 2017 versechsfacht.
Unsere Serie „Arbeitswelten der Zukunft“ zeigt anhand vieler Beispiele aus der Region, wie sich die Digitalisierung auf Berufe und Unternehmen ausgewirkt hat – oder noch auswirken wird.
Alle Beiträge finden Sie in unserem Extra: www.mainpost.de Nächste Folge: Digitalisierung im Holzhandwerk.
Rechtsanwälte und Digitalisierung In welchem Maße die Digitalisierung den Beruf des Rechtsanwaltes an sich verändern wird, ist ein Aspekt. Der andere: Der Einsatz von Robotern oder künstlicher Intelligenz wirft für Juristen grundsätzliche Fragen auf – und landet somit unter Umständen zur Prüfung bei Rechtsanwälten. Beispiel: Ein Roboter in einem Krankenhaus macht einen Fehler, ein Patient wird deswegen falsch operiert. Frage: Wer haftet? Oder: Ein selbstfahrendes, also datengesteuertes Auto verschuldet einen Unfall. Wer haftet? Dass hier Juristen oft noch keine Antworten haben, zeigte zum Beispiel der bundesweite Kongress Net.Law.S vor gut einem Jahr in Nürnberg, bei der der auf Robotrecht spezialisierte Würzburger Uniprofessor Eric Hilgendorf eine tragende Rolle spielte. Indes gibt es erste Anläufe, dass digitale Technik zumindest einen Teil der Anwaltsarbeit übernimmt: Auf der Konferenz „Berlin Legal Tech“ im Februar wurde der Einsatz von Datenbanken mit tausenden von Gerichtsurteilen vorgestellt, mit deren Hilfe die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits vorhergesagt werden können. Das jedenfalls berichtet das Kölner Fachportal Legal Tribune Online. (aug)