Kampfjets am Himmel, Soldaten mit Maschinengewehren vor Straßensperren, Polizisten sichern Hotels und Konferenzräume mit Sprengstoff-Schnüffelhunden: Der Alpenkurort Davos gleicht bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF), die an diesem Mittwoch beginnt, einer Festung. Geschützt vor Anschlägen und Störenfrieden, soll eine internationale Elite von Politikern, Wirtschaftskapitänen und Wissenschaftlern im „Spirit of Davos“ Gegensätze hinter sich lassen und nach Wegen in eine bessere Welt suchen. Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs haben sich angesagt. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), eigentlich Stammgast in Davos, wird fehlen.
„Wir bedauern ihren Skiunfall“, sagt WEF-Präsident Klaus Schwab. Längst wird aber in Diplomatenkreisen getuschelt, die Kanzlerin sei – auch angesichts des holprigen Starts der Großen Koalition – nicht traurig gewesen, einen echten Grund für die Absage gehabt zu haben. Warum dann nicht Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) zum Parlieren unter dem Motto „Die Neugestaltung der Welt: Konsequenzen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft“ nach Davos kommt, blieb unklar. 2013 waren neben der Kanzlerin noch vier Minister angereist. Diesmal haben sich mit Wolfgang Schäuble (CDU, Finanzen) und Gerd Müller (CSU, Entwicklungspolitik) nur zwei angesagt. „Meiden deutsche Politiker das Gipfeltreffen in Davos?“, fragte das „Manager-Magazin“. Dies sei eine „verquere Vorstellung“, denn Deutschland habe „ein vitales Interesse daran, in den Foren und auf den Gängen des Konferenzzentrums (...) politisch deutlich Flagge zu zeigen“.
Auch wenn Davoser Champagner-Empfänge operettenhaft anmuten mögen, bietet das WEF-Treffen hinter den Kulissen einzigartige Gelegenheiten zu vertraulichen Gesprächen mit einigen der wichtigsten „Player“ der Welt. Für so manchen Konflikt wurden hier schon Lösungen im direkten Kontakt der Mächtigen gefunden oder zumindest angeschoben. Aus Frankreich kommen sieben Regierungsmitglieder, aus Italien fünf – mit Ministerpräsident Enrico Letta an der Spitze. Und der britische Premier David Cameron muss diesmal nicht mit Widerworten einer Kanzlerin rechnen, wenn er gegen die EU wettert. Immerhin steht Bundesbankpräsident Jens Weidmann Finanzminister Schäuble zur Seite, sollte Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, wieder einmal Ideen verkünden, die nicht recht zu den Berliner Vorstellungen über die Eindämmung der Euro-Schuldenkrise passen.
Dass diese noch längst nicht gebannt ist, macht der WEF-Risikobericht klar: „Entwickelte Volkswirtschaften sind weiterhin von der Finanzkrise bedroht“, heißt es in der Studie, die auf der Befragung von 700 Managern und Wirtschaftswissenschaftlern beruht. Sie wird ein Thema des Treffens sein. Als große Gefahren werden des Weiteren die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich eingestuft. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, warnte vor ihrem Auftritt in Davos, dass der Wohlstand immer ungerechter verteilt wird, während die Probleme von Armut und Arbeitslosigkeit nicht gelöst werden. Freilich betrifft das Deutschland derzeit weniger.
Als Showbühne könnte sich Davos diesmal ohnehin eher für die Hauptdarsteller weiter entfernter Konflikte erweisen: Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt nimmt mit Hassan Ruhani wieder ein Präsident des Iran teil. Erwartet wird, dass er nach der vorläufigen Vereinbarung mit den Weltmächten über das iranische Atomprogramm für dringend benötigte Investitionen in seinem Land wirbt. Noch vor einem Jahr wäre beim Davoser Treffen ein solches Diskussionsforum mit der iranischen Führung undenkbar gewesen: Weithin wurde vielmehr mit einem Angriff der USA auf iranische Nuklearanlagen gerechnet, der die Entwicklung von Atombomben stoppen sollte. Doch Ruhani, der im August 2013 sein Amt antrat, schlug nach eigenen Worten den Kurs der „Kooperation statt der Konfrontation“ ein. Das drei Monate später erreichte Abkommen über die vorläufige Einfrierung des iranischen Atomprogramms ebnete dem Iran auch den Weg auf die Davoser Weltbühne.
WEF – Treffpunkt für Topmanager und Politiker
Die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) im Schweizer Kurort Davos gilt als einer der wichtigsten Treffpunkte für Spitzenpolitiker, Topmanager und Wissenschaftler. Erklärtes Ziel des World Economic Forum ist es, „den Zustand der Welt zu verbessern“. Bei Debatten und vertraulichen Begegnungen geht es um Lösungsansätze für globale Herausforderungen oder konkrete Konflikte. Das „Networking“ für berufliche und geschäftliche Kontakte ist ein willkommener Nebeneffekt. Gegründet wurde das WEF vom deutschen Wirtschaftsexperten Klaus Schwab. Dem Forum gehören 1000 der weltgrößten Unternehmen sowie 200 kleinere als Partner an. Der Jahresbeitrag liegt zwischen 50 000 und 500 000 Franken (406 000 Euro). FOTO: dpa