Hier eine veraltete Preisliste untergeschoben, dort ein falsch gesetztes Häkchen im Computerprogramm: Eine brisante Anklageschrift präsentierte jetzt die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Würzburg. Ein Insider bei der Firma Schaeffler in Schweinfurt soll gegen Bestechung Partnerfirmen zu Millionen-Aufträgen verholfen haben. Die bekamen Schaeffler-Produkte für angebliche Exporte in den Nahen Osten günstiger als andere – verkauften sie aber auf dem heimischen Markt.
Die Anklage ist ein Zeugnis jahrelanger Ermittlungen in einem konspirativen Firmengeflecht. Auf der Anklagebank sitzen jetzt zwei mutmaßliche Profiteure und eine ehemalige Angestellte. Der Hauptangeklagte, der Insider an der Schaltstelle bei Schaeffler, der knapp eine Million Euro kassiert haben soll, nahm sich kurz nach Erhalt der Anklageschrift das Leben.
Eingriffe in interne Preislisten
Seit etwa 2007 hatten die Angeklagten als Graumarkt-Händler Produkte der Schaeffler-Gruppe vor allem in Deutschland, teilweise auch im europäischen Ausland vertrieben. Sie taten aber so, als säßen ihre Abnehmer im Irak oder Iran. Der Insider bei Schaeffler – den sie aus gemeinsamer beruflicher Vergangenheit kannten – war bei der Tarnung behilflich. Er sollte "unter Ausnutzung seiner Einflussmöglichkeiten dafür Sorge tragen, dass die beiden Einkaufsfirmen wahrheitswidrig als Exporteure für den Nahen Osten eingestuft werden", steht in der Anklage. Die erhalten wesentlich günstigere Preiskonditionen als Händler, die den deutschen und europäischen Markt bedienen. Im Gegenzug sollte er an den Gewinnen beteiligt werden.
Durch Eingriffe in interne Preislisten soll er den Geschäftsfreunden Waren zu veralteten, günstigeren Preisen verschafft haben - unter Verstoß gegen interne Weisungen bei Schaeffler. Auf die Preise gab es auch erhebliche Rabatte – statt erlaubter drei Prozent, zehn bis 25 Prozent – ehe ein internes Kontrollsystem dies 2013 unmöglich machte.
Die Tarnfirma im Iran gab es nicht
Um auch das Finanzamt zu täuschen, betrieben die Angeklagten erheblichen Aufwand: Einer der Angeklagten gab an, er sei für ein iranisches Unternehmen mit Sitz in Teheran als Berater tätig geworden und habe Einkaufs- und Verkaufsmöglichkeiten vermittelt. Dazu legte er sogar eine schriftliche Bestätigung des erfundenen Unternehmens vor.
Inzwischen weiß die Staatsanwaltschaft: "Im Iran existiert weder ein Unternehmen namens A... Company P.J.S., noch ist an der angeblichen Firmenanschrift überhaupt ein Unternehmen ansässig." Die auf der Bestätigung angegebene Faxnummer ist falsch. Eine als Ansprechpartner benannte Person ist in Wahrheit nicht als Gesellschafter oder Geschäftsführer einer im Iran ansässigen Firma registriert.
Urteil schon bald in Sicht
Nun bemüht sich das für schwere Wirtschaftsdelikte in Unterfranken zuständige Würzburger Landgericht um den Vorsitzenden Thomas Trapp, den Fall mit Anstand, aber möglichst schnell über die Bühne zu bringen, statt monatelang zu prozessieren. Danach sieht es bereits nach zwei Verhandlungstagen aus. Auch das getäuschte Unternehmen, das mit mehreren Anwälten den Fall im Gerichtssaal verfolgt, ist offenkundig nicht daran interessiert, ihn an die große Glocke zu hängen.
Es gab eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft, Angeklagten und der geschädigten Firma, bestätigt Michael Schaller, der Sprecher des Landgerichts. Geständnisse werden den Angeklagten – was in solchen Fällen legal ist – mit der Zusicherung von Strafobergrenzen honoriert, in diesem Fall von maximal zwei Jahren. "Zudem wurden mehrere zivilrechtliche Vergleiche zwischen den Angeklagten und dem geschädigten Unternehmen geschlossen", sagt Schaller. Das bedeutet: Sie zahlen über eine Million Euro Entschädigung an das Unternehmen zurück.