Die Lage scheint dramatisch: Seit dem Ende der EU-Zuckermarktordnung im Herbst 2017 ist der Zuckerpreis an den Weltbörsen von über 500 auf unter 300 Euro pro Tonne abgestürzt. Viele der rund 3300 fränkischen Anbauer machen sich deshalb Sorgen, ob die Zuckerrübe überhaupt noch eine Zukunft auf ihren Äckern hat. Das lässt auch Fragen nach dem Werksstandort in Ochsenfurt laut werden, und danach, ob sich der Südzucker-Konzern richtig auf die Marktliberalisierung vorbereitet hat. Bei der Hauptversammlung des Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer (VFZ) in Veitshöchheim verbreiteten Verantwortliche von Verband und Südzucker Zuversicht.
Seit das System aus festen Produktionsquoten und garantierten Mindestpreisen auf Druck der Welthandelsorganisation WTO abgeschafft wurde, hält das weltweite Marktgeschehen die europäischen Zuckererzeuger und damit auch die fränkischen Rübenbauern fest im Griff. Seit zwei Jahren richten sich deren Einnahmen nach den tatsächlichen Verkaufserlösen von Südzucker. Im vergangenen Anbaujahr lag der Rübenpreis nur noch knapp über der psychologisch wichtigen Schwelle von 30 Euro pro Tonne.Gepaart mit niedrigen Erträgen durch den Hitzesommer 2018 wurde der Zuckerrübenanbau so zum Minusgeschäft.

Auch die Südzucker AG, an der die Landwirte über die Süddeutsche Zuckerrüben-Verwertungsgenossenschaft rund 58 Prozent der Anteile halten, musste im Zuckersegment einen operativen Verlust von 239 Millionen Euro hinnehmen und schaffte nur dank anderer Konzernsparten knapp den Sprung in die Gewinnzone.
Überangebot und Rekordernte
Ein Zucker-Überangebot auf dem Weltmarkt und die Folgen der Rekordernte 2017 nennt Stefan Uhlenbrock, Senior Analyst beim Marktforschungsunternehmen F. O. Licht, als Gründe für die schlechte Erlössituation. Gestützt durch Exportsubventionen seien vor allem aus Indien große Mengen auf den Markt gebracht worden. Im Gegenzug waren die europäischen Erzeuger gezwungen, zu niedrigen Preisen zu verkaufen, "nicht um Geld zu verdienen, sondern um die Läger vor der nächsten Ernte leer zu bekommen", so Uhlenbrock. "Die Vermarktungsstrategie muss der Situation besser angepasst werden", fordert deshalb VFZ-Vorsitzender Stefan Streng.
"Die Vermarktungsstrategie muss der Situation besser angepasst werden."
Stefan Streng, VFZ-Vorsitzender
Die Strategie, mit der sich Südzucker auf die Marktliberalisierung vorbereitet hatte, wurde durch den Preisverfall kräftig durchkreuzt. Man hatte auf eine Ausweitung der Produktion und die maximale Auslastung der Fabrikstandorte gesetzt, um seine führende Position in Europa zu behaupten, und hoffte durch den Wegfall von Exportschranken auf neue Absatzmärkte außerhalb der EU. "Die Verdrängungsstrategie hatte keinen Erfolg", stellt Stefan Streng heute ernüchtert fest.
Export ist unrentabel
Dass ein massiver Preiseinbruch den Export unrentabel machen würde, damit habe man nicht gerechnet, räumte Südzucker-Vorstandsmitglied Thomas Kirchberg vor der Verbandsversammlung ein. In einem Strategiewechsel hätten Vorstand und Aufsichtsrat deshalb Anfang des Jahres beschlossen, sich auf den europäischen Markt zu konzentrieren, um gegenüber internationalen Wettbewerbern den Transportkostenvorteil zu nutzen, und diesen Markt durch die Schließung von fünf Werken - je zwei in Deutschland und Frankreich sowie eines in Polen - ab dem kommenden Jahr um insgesamt 700 000 Tonnen Zucker zu entlasten.

Thomas Kirchberg verteidigt die Entscheidung, nicht schon im ersten Schritt Werke stillzulegen. "Was wäre richtiger gewesen: Werke zu schließen aus Angst, dass es schwierig werden könnte, oder es erst einmal zu probieren?" Konzernweit sei außerdem das Investitionsbudget von 540 auf 302 Millionen Euro im kommenden Geschäftsjahr 2019/20 gekappt worden. Das Unternehmen wolle sich zunächst auf unverzichtbare Investitionen und auf systematische Verbesserungen mit hoher Rendite konzentrieren.
"Die Zuckerfabrik in Ochsenfurt ist eine der wettbewerbsfähigsten, die wir haben."
Thomas Kirchberg, Süzucker-Vorstand
Das hat auch Folgen für die Zuckerfabrik in Ochsenfurt. Der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, der geplante Umbau des Rübenhofes durch eine einfachere, aber um acht Millionen Euro günstigere Variante ersetzt. Bei einigen Rübenbauern löste diese Mitteilung die Befürchtung aus, dass sich der Konzern auf lange Sicht ganz von seinem unterfränkischen Standort verabschieden könnte. VFZ-Vorsitzender Stefan Streng forderte deshalb eine klare Aussage vom Konzernvorstand.
"Die Zuckerfabrik in Ochsenfurt ist eine der wettbewerbsfähigsten, die wir haben", stellte Kirchberg klar. "Sie ist für uns ein zukunftsfähiger Standort, der Verzicht auf einzelne Investitionen ändert daran gar nichts." Nicht umsonst seien in den zurückliegenden Jahren rund 44 Millionen Euro ins Werk investiert worden.
Erste Anzeichen für Preiserholung
Immerhin kann Analyst Stefan Uhlenbrock den vorliegenden Marktprognosen erste Anzeichen für eine Preiserholung entnehmen. Für das laufende Anbaujahr rechnet er damit, dass die Weltproduktion um mindestens 2,7 Millionen Tonnen unter dem Verbrauch liegen wird und damit die Lagerbestände abgeschmolzen und die Notierungen nach oben getrieben werden.
Allerdings droht den Rübenbauern seitens des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten erneut Ungemach. 180 000 Tonnen Zucker aus Südamerika sollen dadurch zollfreien Zugang zum europäischen Markt erhalten. Verbandsvorsitzender Stefan Streng befürchtet, dass die heimische Landwirtschaft für bessere Exportchancen der Automobil- und Maschinenbauindustrie die Zeche zahlt.