Wer ein Ziel hat, sollte es auf jeden Fall erreichen. Eine solche Lebensweisheit beschreibt wohl gut jenen Mann, der nach dem Flugzeugabsturz am vergangenen Samstag vor Costa Rica die Schlagzeilen bestimmt: Rainer Schaller. Das Drama wirft ein schillerndes Licht auf einen Mann der Extreme: besonderer Unternehmer - und Lebenskünstler in einem.
Nach dem Absturz des Kleinflugzeugs von Schaller am Samstagmorgen vor der Küste von Costa Rica werden der 53-Jährige aus Schlüsselfeld im Landkreis Bamberg, seine Lebensgefährtin, ihre zwei Kinder, ein Begleiter sowie der Pilot vermisst. Dass sie überlebt haben, gilt als unwahrscheinlich.
Von McFit in Würzburg zur Loveparade in Duisburg
1997 legte Rainer Schaller in Würzburg mit seiner ersten McFit-"Muckibude" los. Später rettete er die Loveparade zunächst vor dem Aus, bevor es 2010 zur Katastrophe kam. Die 21 Toten und 652 Verletzten des Unglücks in Duisburg veränderten Rainer Schaller. Doch nicht den Menschen der Extreme.

Vor Abenteuern hatte er keine Scheu. Ziel vor Augen, Ziel erreichen: So beschreibt es Daniel Biscan, der Art Director dieser Redaktion. Der heute 50-jährige Fotograf "stolperte" vor 14 Jahren regelrecht in ein solches Abenteuer mit Schaller: Im Campingbus fuhren beide von Franken in die thailändische Hauptstadt Bangkok.
In drei Etappen und insgesamt neun Wochen lang zog das Duo die Tour durch. Und das, "obwohl ich Schaller vorher gar nicht kannte", erinnert sich Biscan, der Schaller damals eher durch Zufall getroffen hatte.
Von Franken nach Bangkok: Schaller und eine ungewöhnliche Reise
Schaller hat die Idee und das Geld, Biscan plant die Tour: So lautete grob die Absprache. Er habe immer gespürt, dass Schaller jemand ist, "mit dem man das durchziehen kann", sagt Biscan. Zu keiner Zeit habe Schaller daran gezweifelt, dass es mit dem Trip nach Bangkok etwas wird.
Pannen im Himalaya und mitten in einer indischen Großstadt, Polizei-Eskorte in Pakistan oder extrem versiffte Unterkünfte im Nirgendwo: Der Fitness-Unternehmer habe während der Fahrt nie aufgegeben, schildert Biscan. In einem Interview mit dieser Redaktion formulierte es Schaller 2009 selbst so: "Diejenigen Ziele, die man sich nicht steckt, kann man auch nicht erreichen."
Nichts kann ihn wohl besser porträtieren.
Wie Schlüsselfelds Bürgermeister Rainer Schaller beschreibt
Ehrlich, fleißig, neugierig aufs Leben: So beschreibt Schlüsselfelds Bürgermeister Johannes Krapp die berühmteste Persönlichkeit der 6000-Einwohner-Gemeinde an der Autobahn A3 Würzburg-Nürnberg. Ein Mann mit "Freunden in der ganzen Welt", der doch immer gerne in die Heimat zurückgekommen sei, um zum Beispiel in der örtlichen Gastwirtschaft einzukehren.
Er kenne Schaller noch aus jener Zeit, als sie beide gemeinsam im Schulbus unterwegs waren, sagt der Bürgermeister. Der Unternehmer sei in Schlüsselfeld beliebt und als Fußballfan des FC Bayern München bekannt. Nach dem Flugzeugabsturz sei im Ort jetzt "eine Schockstarre" zu spüren, sagt Krapp.
"Er war sehr zweckmäßig."
Reisepartner Daniel Biscan über Rainer Schaller
Das mag auch damit zusammenhängen, dass Schaller und Schlüsselfeld in mehrfacher Hinsicht verbunden sind. Nach der Mittleren Reife hatte sich Schaller zum Einzelhandelskaufmann ausbilden lassen, baute in der Region einige Edeka-Märkte auf und richtete im Elternhaus für sich und Freunde sein erstes Fitnessstudio ein. Es war die Keimzelle von McFit, das später vor allem wegen des Konzepts, günstig zu sein, zur größten Fitnessstudio-Kette in Deutschland wurde.
In Schlüsselfeld hat Schaller dem Bürgermeister zufolge noch immer ein Haus. Und am nördlichen Ortsrand steht ein großer Edeka-Markt, hinter dem Vater Dieter Schaller, Rainer Schaller und sein Bruder Gerd, bekannt als Dirigent großer Orchester, stehen. Bis zu ihrem Tod im Februar 2020 war auch Mutter Annemarie mit im Geschäft und verantwortlich für den Markt.

Direkt neben dem Edeka-Markt sitzt in einem unscheinbaren Gebäude die Mitgliederverwaltung der McFit-Kette. Auch das ein Zeichen für die Heimatverbundenheit von Rainer Schaller: Als er längst in Berlin lebte und dort seine RSG-Unternehmensgruppe im Wesentlichen verankert hatte, behielt der Multimillionär immer ein Standbein in Schlüsselfeld. Dort arbeiten laut Bürgermeister Krapp etwa 150 Menschen für Schaller.
Weltweit sind es 41.000. So viele Beschäftigte hat die RSG Group GmbH nach eigenen Angaben, zu der neben McFit 20 weitere Fitness-Marken und Fitness-Läden in 48 Ländern gehören. Bei einigen dieser Konzerntöchter wie The Mirai oder Tigerpool ist Schaller als Geschäftsführer eingetragen. Ebenso bei der Ron Miller GmbH in Berlin, hinter der sich ein internationales Projekt der Künstler Ronny Kindt and Marcus Klüh verbirgt.
Rainer Schaller: ein Freund exklusiver Autos und Unternehmer rund um die Uhr
Diese Verästelung zeigt die Vielfältigkeit des Unternehmers Schaller: viele Ziele, viel ausprobieren, keine Angst vor nichts. "Er war sehr zweckmäßig", beschreibt ihn Reisepartner Biscan nach der Erfahrung des Roadtrips nach Thailand. "Es war mit ihm immer lustig."
Obwohl ein Liebhaber exklusiver Autos und einem luxuriösen Leben offensichtlich nicht abgeneigt, habe er Schaller damals mit Bodenständigkeit erleben. Doch selbst in kurzen Hosen und mit Badeschlappen sei Schaller während der neunwöchigen Campingbus-Fahrt nach Bangkok Unternehmer geblieben, sagt Daniel Biscan. Rund um die Uhr habe er auch in den entlegendsten Gebieten Kontakt mit seiner Firmenzentrale gehalten: "Er hat damals viel mit dem Satellitentelefon telefoniert."
In einer achtköpfigen Männer-WG - und auf dem roten Teppich
Überliefert ist auch, dass Schaller in Berlin, als er bereits McFit-Chef war, eine Zeit lang in einer achtköpfigen Männer-WG lebte. Andererseits sah man ihn, Glamour und Boulevard nicht abgeneigt, auf den roten Teppichen: Fotos in diversen Medien zeigen ihn dort häufig mit seiner Lebensgefährtin.
Und der Wesenswandel Schallers? Als Chef der mittlerweile liquidierten Lopavent GmbH und damit als Veranstalter der Loveparade wurde der Franke als mitverantwortlich für das Unglück 2010 in Duisburg angesehen. Er selbst wurde zwar nie vor Gericht dafür angeklagt. Doch er sah sich zumindest moralisch in der Pflicht. In den Wochen nach Duisburg war der Unternehmer mit auffallend viel Demut und Zurückhaltung aufgetreten.
Für Schlüsselfelds Bürgermeister Johannes Krapp ist klar, was Schaller seither bewegte: Die Aufarbeitung des Dramas von 2010 "ist immer seine Lebensaufgabe gewesen".