Vier Tage die Woche arbeiten, jeweils nur sechs Stunden – wohl der Traum einiger Arbeitnehmer. Die Meldung, wonach die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung vorgeschlagen haben soll, sorgte Anfang des Jahres weltweit für Schlagzeilen.
Die finnische Botschaft in Berlin stellte mittlerweile zwar klar: Die ursprüngliche Aussage von Marin „wurde bereits im Vorjahr getroffen und ist nicht offizieller Teil der Regierungspolitik“. Dennoch bot sie hierzulande genug Stoff für eine hitzige Diskussion zur derzeitigen Arbeitszeitpolitik. Während sich die Linken im Bundestag klar für solch eine Vier-Tage-Woche aussprachen, kritisierten Wirtschaftswissenschaftler, die Idee sei realitätsfern.
Was sagen Vertreter der Wirtschaft zu dem Vorschlag? Und wie ist die Situation in unterfränkischen Unternehmen?

vbw: 2025 fehlen 350 000 Fachkräfte in Bayern
In Zeiten des Fachkräftemangels die Arbeitszeit generell verkürzen – das sei der falsche Weg, ist sich Daniel Röper, Pressesprecher der Handwerkskammer für Unterfranken, sicher. "Schon jetzt sind handwerkliche Dienstleistungen und Produkte in der Region Mangelware." Bei der derzeit sehr starken Auftragslage im Handwerk sei eine Verkürzung der Arbeitszeit bei solch einem Ausmaß des Fachkräftemangels schlichtweg nicht zu stemmen.
Das sieht Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), ähnlich. Nach einer aktuellen Studie des unternehmernahen Verbandes werden in Bayern 2025 rund 350 000 Fachkräfte fehlen. "Eine gesetzliche Reduzierung der Arbeitszeit würde diesen Fachkräftemangel weiter verschärfen."
vbw fordert flexiblere Verteilung der Arbeitszeit
"In manchen Fällen mag eine Vier-Tage-Woche funktionieren", so Brossardt weiter. Jedoch: "Eine generelle Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit lehnen wir ab." Stattdessen brauche es flexible Arbeitszeiten und eine Anpassung des Rechtsrahmens an die Erfordernisse der digitalen Arbeitswelt.
So sei beispielsweise die derzeitige Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal zehn Stunden nicht mehr zeitgemäß. Man müsse eine "flexiblere Verteilung" der Arbeitszeit ermöglichen – "weg von einer täglichen hin zu einer wöchentlichen Betrachtung der Höchstarbeitszeit", wiederholte der Geschäftsführer schon früher geäußerte vbw-Forderungen. Nur so seien Unternehmen heutzutage in der Lage, die Möglichkeiten der Arbeitswelt 4.0 voll auszuschöpfen.

Flexible Arbeitszeitmodelle sind in der Region weit verbreitet
Dass die Digitalisierung mehr Flexibilität sowohl seitens der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer erfordert, findet auch Isabel Schauz, Referentin für Fachkräftesicherung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt: "Die Arbeit löst sich durch die Digitalisierung los von Raum und Zeit. Das schafft neue Möglichkeiten für beide Seiten und braucht die notwendige Infrastruktur." Die eine passende Lösung für alle Unternehmen, wie sie die Vier-Tage-Woche vorsieht, gebe es schlichtweg nicht: "Jede Branche, jeder Beruf bringt andere Herausforderungen mit sich. Da ist es unmöglich, ein Modell drüber zu stülpen."
Schon jetzt seien flexible Arbeitszeitmodelle in den Betrieben der Region weit verbreitet: "Gerade Modelle wie die Gleitzeit sind mittlerweile Standard." Sogar im klassischen Produktionsbereich experimentiere man inzwischen vermehrt mit flexiblen Schichtsystemen. Luft nach oben bestehe in der Region dagegen noch bei neueren Formen wie Arbeitsplatzteilung und Vertrauensarbeitszeit.
Wichtiges Marketinginstrument für hiesige Unternehmen
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Flexibilität im Alltag: "Hiesige Unternehmen berichten uns immer öfter, dass Bewerber danach fragen", so Schauz. Flexible Arbeitszeitpolitik gelte somit mittlerweile auch als wichtiges Marketinginstrument der Unternehmen.
Das bestätigt etwa die Warema Group in Marktheidenfeld: In Zeiten des Fachkräftemangels und einer Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent in Main-Spessart stünden die Unternehmen in ständigem Wettbewerb. "Ein breites Angebot an lebensphasenorientierter Personalarbeit dient als Entscheidungskriterium", so Lilli Heyer, Pressesprecherin des Sonnenschutz-Herstellers.
Lebensarbeitszeitkonten und Eltern-Kind-Büros
Warema, einer der größten Arbeitgeber in Main-Spessart, bietet seinen Mitarbeitern deshalb mittlerweile neben Gleitzeit, Home-Office und Co. auch ein sogenanntes Lebensarbeitszeitkonto. Auf diesem können Mitarbeiter über mehrere Jahre ihre Überstunden ansparen. "Die Chance, eine längere, bezahlte Auszeit für Pflege, Weiterbildung, Kinderbetreuung oder ein Sabbatical aufzubauen, wird als großes Plus verbucht", so Heyer.

Ebenso immer mehr im Kommen: eine "Kultur der offenen Tür" in den Betrieben. So bieten die Maintal Konfitüren GmbH in Haßfurt und die Vogel Communications Group GmbH & Co. KG in Würzburg beispielsweise ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, Kinder bei Bedarf mit ins Büro zu bringen. Außerdem gebe es die Option zur Kinderbetreuung während der Ferien und an Feiertagen.
"Die Angebote der bayerischen Arbeitgeber bezüglich Arbeitszeitmodellen, Home-Office-Lösungen und Angeboten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind bereits heute vielfältig und attraktiv", findet Bertram Brossardt von der vbw. Dennoch ist für Isabel Schauz von der IHK klar: Die Unternehmen müssten sich auch weiterhin Gedanken machen, wie sie sich an die "Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung" anpassen können.