Wie ein Siemenssprecher bestätigt, ist nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat, jetzt ein Interessenausgleich erreicht worden, der die geplanten Entlassungen bei Siemens betrifft. Demnach müssen in Deutschland 1700 Siemensianer gehen – 330 davon am Standort Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld).
Im März hatte der Konzern den Abbau von Arbeitsplätzen wegen der dauerhaft schwachen Nachfrage in den Branchen Öl & Gas, Metall und Bergbau in der Siemens-Abteilung Division Process Industries and Drives (PD) angekündigt.
Schwerpunkt unter anderem in Bad Neustadt
Der Schwerpunkt des Stellenabbaus liegt in Bayern mit den Standorten Ruhstorf (minus 600 Stellen), Nürnberg (minus 590) und Bad Neustadt. Dort wird sich die Zahl von derzeit 2140 Arbeitnehmern um 330 verringern, hauptsächlich im Bereich der großen Motoren. Vor den Verhandlungen hatte Siemens noch den Abbau von 370 Stellen angekündigt. Deutschlandweit waren damals 2000 Stellen weniger von der Konzernführung geplant worden. Nun sind es 300 Siemensianer weniger, die – alle Standorte in Deutschland zusammengerechnet gehen müssen.
Der Konzern ist sich klar darüber, dass es sich bei den nun verabschiedeten Maßnahmen um harte Einschnitte für die betroffenen und Mitarbeiter handelt, heißt es von Siemens. Daher werde der Stellenabbau über vier Jahre gestaffelt bis Ende September 2020. So soll eine möglichst sozialverträgliche Lösung gefunden werden. Der Interessenausgleich sieht deshalb eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen wie zum Beispiel Teilzeit- und Altersteilzeit-Regelungen, Versetzung innerhalb von Siemens, freiwillige Aufhebungsverträge sowie Angebote zur Weiterbildung und Qualifizierung vor.
Keine betriebsbedingten Kündigungen
Wie von Beginn an angekündigt, wird es nicht zu Standortschließungen kommen, betont Siemens. „Außerdem wollen und werden wir niemandem betriebsbedingt kündigen“, so Pressesprecher Peter Jefimiec.
An den Standorten sei in den letzten Monaten ein intensiver Dialog mit sämtlichen Beteiligten geführt worden – auch mit Vertretern der lokalen Politik und Vertretern des Freistaats Bayern. Für Bad Neustadt wurde so ein Standortkonzept entwickelt, das eine Ausrichtung auf zukunftsweisende Fertigungsverfahren im Sinne der Industrie 4.0 vorsieht. „So planen wir etwa, den Standort in Bad Neustadt beim Thema digitale Anwendungen in der Metallbearbeitung weiter zu stärken“, erklärt Jefimiec. Aus diesem Prozess könnten natürlich wieder neue Stellen entstehen.
Von schwierigen Verhandlungen zwischen Betriebsrat und dem Siemens-Konzern spricht die Gewerkschaft IG Metall. Der Kompromiss sichere aber dem Standort Bad Neustadt im Gegenzug zum Stellenabbau Investitionen von etwa 30 Millionen Euro zu. Auch wenn es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt, sagt Bad Neustadts Betriebsratsvorsitzender Oliver Mauer über die Verhandlungen der vergangenen Monate und deren Ergebnis: „Der Verlust der Arbeitsplätze ist extrem bitter, der Konzern hat sich bei der Frage der Verlagerungen kaum bewegt“.
Mauer macht deutlich, dass es deshalb im Verhandlungsverlauf mit der Konzernspitze in erster Linie darum ging ein Konzept zu verhandeln, dass den Standort Bad Neustadt langfristig sichert. Die vielen öffentlichen Aktionen hätten sich sehr positiv ausgewirkt, erklärt Mauer. Ab Mitte Juli habe sich das Unternehmen nämlich deutlich gesprächsbereiter gezeigt. Im Standortkonzept habe das Unternehmen weitreichende Investitionen im Geschäftsbereich der drehzahlgeregelten Antriebe (Motion Control) zugestimmt. Bad Neustadt werde dabei Zentrum für digitale Anwendungen in der Metallbearbeitung und neuen Technologien. Ein weiterer Baustein des Konzeptes ist der in ein Joint Venture mit dem französischen Unternehmen Valeo übergegangen Geschäftsbereich „eCar“, also die Fertigung von Motoren für Elektroautos.
Dieser soll kurzfristig wachsen und so Arbeitsplätze am Standort sicher.
Laut Mauer hat der Konzern zugesagt , dass bis 2020 mindestens 1700 Arbeitsplätze am Standort Bad Neustadt bleiben und zusätzlich jedes Jahr 35 Auszubildende eingestellt werden.
"Abbauzahlen sind heftig"
„Natürlich sind die Investitionen in Zukunftstechnologien für den Standort wichtig, auf der anderen Seite sind die Abbauzahlen heftig", kommentiert der zweite Bevollmächtigte, Thomas Höhn, von der IG Metall Schweinfurt das Ergebnis des Interessenausgleichs. Er spricht deshalb nicht von einem Verhandlungserfolg. Aus seiner Sicht wiegt vor allem schwer, dass es nicht gelungen ist, Siemens von den Verlagerungen einiger Produktlinien in Billigstandorte abzubringen.
Für Höhn ist die Verkündung des Ergebnisses allenfalls ein Zwischenergebnis. „Wir haben im April auf Basis der Siemenspläne ein Szenario vorgestellt, dass – falls der Konzern nicht gegensteuert – bis 2020 etwa 900 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Die nun zugesicherten Investitionen wirken diesem Szenario entgegen, zeigt sich Höhn zufrieden. „Allerdings müssen sie auch konkret umgesetzt werden“, mahnt er.