Einen mysteriösen Eindruck machte auf viele Betroffene die Mitteilung des Augsburger Unternehmens Weltbild, 70 der derzeit rund 145 Weltbild-Plus-Filialen an eine mittelständische Buchhandelskette aus Ahaus zu verkaufen. Mysteriös deshalb, weil in Ahaus – einer 38 000-Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen – die Betreiber der kleinen, örtlichen Buchhandlungen beteuern, dass sie den Kauf von 70 Weltbild-Filialen sicher nicht stemmen können.
Bei dem Käufer soll es sich nun um ein bisher fast unbekanntes Unternehmen handeln – die „Buchhandlung Lesensart Rüdiger Wenk GmbH“. Dies ist der Redaktion aus unternehmensnahen Kreisen bestätigt worden. Die „Buchhandlung Lesensart Rüdiger Wenk GmbH“ hat seit 3. Februar 2015 einen Handelsregistereintrag in Ahaus, einen Buchladen betreibt das Unternehmen dort aber nicht. Diese Zeitung konnte Firmeninhaber Rüdiger Wenk am Telefon zwar erreichen, er machte zum Kauf aber keine näheren Angaben.
Firmensitz verlagert
Wer ist der Investor, der nun anscheinend die Hälfte aller Weltbild-Buchhandlungen weiterführen will? Die Buchhandlung Lesensart hat in Berlin zwei Geschäfte betrieben – in Köpenick und in Berlin-Lichtenberg. Ruft man aber heute in Köpenick an, erfährt man von einer Angestellten, sie kenne keinen Rüdiger Wenk. Und auf der Internetseite der „Lesensart Buchhandlung Rüdiger Wenk GmbH“ steht nur, es entstehe dort in Kürze eine Internetseite für medizinische Fachliteratur.
Tatsächlich hat die Gesellschaft im Juli 2014 ihren Sitz von Berlin nach Emsdetten in Nordrhein-Westfalen verlagert. Die Geschäftsführung ging von Anja Winkelhaus auf Wenk über. Gegenstand des Unternehmens sei der Betrieb einer Buchhandlung, das Stammkapital betrage 25 000 Euro. Im Februar 2015 wechselt das Unternehmen wieder den Sitz. Ab da tritt es in Ahaus auf. Gleichzeitig führt Rüdiger Wenk eine Unternehmensberatung – die „GUO Strategisches Management Berlin GmbH“, die sich zum Beispiel mit Restrukturierungen beschäftigt. Der „Münsterland Zeitung“ kündigte Wenk Informationen rund um den Kauf der Weltbild-Filialen für diese oder nächste Woche an.
In Augsburg indes laufen die Verhandlungen um den Abbau von rund 400 Stellen im Weltbild-Mutterhaus weiter. Dort kritisieren Arbeitnehmervertreter den Verkauf der Filialen scharf. „Dies ist für die Arbeitsplätze hier eine katastrophale Entwicklung“, sagt ver.di-Sprecher Timm Boßmann. „Weiteres Auftragsvolumen in der Logistik bricht weg“. Boßmann befürchtet, dass durch den Filialen-Verkauf weitere 20 bis 30 Stellen in der Logistik wegfallen. Dort seien derzeit rund 60 Leute mit der Belieferung der Filialen beschäftigt. Die Arbeitnehmervertreter fordern ein Geschäftskonzept, damit Weltbild ein Jahr nach der Insolvenz „wieder den Weg nach vorne findet“. Inzwischen zeichnet sich ab, welche Filialen Weltbild in Bayern weiter betreiben wird – und von welchen man sich mit großer Wahrscheinlichkeit trennt. In der Hand von Weltbild bleiben die Standorte Augsburg, Lindau, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim, Landsberg, Nördlingen, Fürstenfeldbruck, Mühldorf, Erding, Deggendorf, Weißenburg, Fürth, Forchheim, Nürnberg und Aschaffenburg. Dies bestätigte Sprecherin Eva Großkinsky.
Reaktionen aus Bad Kissingen
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Bayerische Rundfunk“ am Montag mit Bezug auf eine Unternehmenssprecherin berichteten, sollen in Bayern Filialen in Bad Kissingen, Bamberg, Coburg, München, Regensburg, Landshut, Straubing, Neuburg, Ansbach, Schwabach und Freising verkauft werden. Offiziell bestätigt Weltbild diese Angaben derzeit nicht.
Noch in der Luft hing am Montag die Belegschaft der Weltbild-Filiale in Bad Kissingen. Informationen darüber, wie es weitergeht, habe man aus der Konzernzentrale noch nicht, hieß es auf Nachfrage vor Ort.
Am späten Nachmittag äußerte sich Weltbild-Pressesprecherin Eva Großkinsky gegenüber dieser Zeitung. Die Mitarbeiter würden vom künftigen Eigentümer in Rahmen des Betriebsübergangs übernommen. Der Verkauf stehe unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gremien und des Gesamtbetriebsrates zum Interessenausgleich. In der Kurstadt beschäftigt Weltbild acht Mitarbeiter auf rund 400 Quadratmetern Verkaufsfläche.