„Kennen Sie mich schon?“ Mit einem breiten Lächeln wendet sich Claudia Stamm dem Mann zu und bittet ihn, seine Sonnenbrille abzunehmen: „Damit ich weiß, mit wem ich rede.“ Locker und herzlich spricht die parteilose OB-Kandidatin an ihrem Stand am Dominikanerplatz mit Menschen. Viele sagen dann: „Ganz die Mutter“.
Claudia Stamm ist tatsächlich genauso “bei die Leut‘“ wie es ihre Mutter gewesen ist. Auch Gestik und Mimik der 54-Jährigen erinnern an die 2022 verstorbene Bayerische Sozialministerin und Landtagspräsidentin aus Würzburg. Eine weitere Parallele: Barbara Stamm (CSU) wollte Würzburgs Oberbürgermeisterin werden. Das war 1990. Sie verlor gegen Jürgen Weber (WL).
Thomas Stamm erinnert sich an seine „rebellische“ Schwester
Claudia Stamm tritt ohne Parteibuch an. Sie steht für unterschiedliche Werte und ist einen anderen Weg gegangen als ihre Mutter. Berufspolitikerin war nicht ihr Plan. „Als Kind wollte ich das auf keinen Fall, denn ich bekam ja mit, was meine Mutter dafür aufgab“, erzählt sie im Gespräch mit der Redaktion.
Ihr Bruder Thomas Stamm erinnert sich an seine „rebellische Schwester“ gut. „Mit der Mutter gab es sowohl über Kleidung, als auch über Meinungen Claudias Auseinandersetzungen“, erzählt er. „Später waren sich die beiden aber wieder nahe.“ Dann habe seine Mutter sogar Ansichten der Tochter – zum Beispiel zu Feminismus – übernommen.

Dazu musste die Tochter aber erst einmal weg. Sie studierte Philosophie und Politikwissenschaften, verbrachte einige Zeit im Ausland und wilde Jahre in Berlin, arbeitete dann beim Bayerischen Rundfunk in München. Sie traf Grünen-Politikerinnen und -Politiker, mit deren Gesellschafts-, Sozial- und Umweltpolitik sie übereinstimmte.
2008 trat sie bei den Grünen ein und kandidierte für den Landtag. „Nachdem man mich mehrmals gefragt hatte, sagte ich dann ja“, sagt Stamm. „Mich hat es gereizt, das damals noch viel konservativere Bayern voranzubringen“, beschreibt Stamm ihre Motivation, die Politik doch zu ihrem Beruf zu machen. Für ihre Familie versuchte sie auch als Landtagsabgeordnete da zu sein.

2017 brach sie „aus inhaltlichen Gründen“ mit den Grünen und gründete die linke Partei „Mut“. Diese hat sie inzwischen auch wieder verlassen. „Anders als meine Mutter, deren politische Heimat uneingeschränkt die CSU war, habe ich Heimaten“, sagt Stamm.
Sie sieht das im Wahlkampf als Chance: „Ich bin keinem Parteibuch, sondern nur dem Wohl Würzburgs verpflichtet. Und darum sollte es einer Oberbürgermeisterin oder einem Oberbürgermeister ja gehen.“ Das Problem für potenzielle Wähler: Welche Politik vertritt Stamm?
Was will Claudia Stamm für Würzburg?
Laut ihrer Homepage kämpft sie für „gerechte Politik“, für „Bildung, Nachhaltigkeit und soziale Unterstützung“. Sie fordert den Bau von Sozialwohnungen, Begrünung in der Innenstadt und besseren ÖPNV. „Aber auch gesellschafts- und sozialpolitische Themen sind mir wichtig“, sagt Stamm. Beispiele sind die Stärkung der queeren Community, Gleichstellung und Schutz von Frauen vor Gewalt.
Als OB würde sie auf ihre Kosten ein Ladenlokal im Zentrum anmieten und als „konsumfreien Ort“ zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zu den anderen Kandidierenden kritisiert sie die Finanzierung der geplanten Multifunktionsarena, weil sie fürchtet, dass diese zu Lasten der Stadtkasse geht. Finanzpolitische Kompetenz habe sie im Haushaltsausschuss des Landtags erworben.

Bei einer Wahlveranstaltung erklärte Claudia Stamm auf eine Frage aus dem Publikum nach ihrem Plan für Würzburg: „Ich denke, wir OB-Kandidatinnen und der OB-Kandidat unterscheiden uns in den infrastrukturellen Fragen kaum.“ Die entscheidende Frage sei: „Wem trauen die Wähler zu, es umzusetzen?“
Ob sich Claudia Stamm das zutraut, hat sie sich lange überlegt. Auf die Idee, in Würzburg zu kandidieren, sei sie von jemandem aus der CSU gebracht worden. Damals habe sie schon länger damit geliebäugelt, wieder zurück nach Würzburg zu kommen und hauptberuflich in die Kommunalpolitik einzusteigen. Ob sie auch nach Würzburg zieht, falls sie nicht OB wird, lässt sie offen.
Politiker, mit denen sie sich darüber ausgetauscht hat, „gaben mir das Feedback, dass ich das kann.“ Erst die Meinungen anderer anzuhören, sei ihr prinzipiell wichtig, bevor sie Entscheidungen trifft. Wichtig war ihr auch die Meinung ihrer Töchter, von denen die ältere in Würzburg studiert. „Das muss für die beiden passen, wir müssen das noch besprechen“, sagte sie, als die Redaktion im Januar, nach Gerüchten über ihre mögliche Kandidatur, bei ihr anfragte.
Seit März macht sie mit Volldampf Wahlkampf. Ihre Arbeit als politische Beraterin ruht. „Der Wahlkampf ist anstrengend, weil ich auf keine vorhandenen Strukturen zurückgreifen kann. Aber es ist auch der totale Wahnsinn, weil ich so viel unerwartete Unterstützung bekomme.“ Stamm berichtet von alten und neuen Freunden, die ihr helfen.
Claudia Stamm: „Mein Mann fehlt mir gerade sehr“
Welche Menschen fragt sie jetzt im Wahlkampf um Rat? Claudias Stamm schweigt kurz. „Das ist mein erster Wahlkampf ohne meinen Mann. Er war für mich immer der wichtigste Berater“, sagt sie dann. „Und fehlt mir gerade sehr.“ 2018 ist Hans-Jürgen Staudt plötzlich gestorben. Wie dieser Schicksalsschlag ihr Leben und das ihrer Kinder von heute auf morgen verändert hat und wie sie mit der Trauer umgegangen ist und umgeht, erzählt sie so, dass man mitfühlen kann.

Selbstbewusst bis angriffslustig erlebt man sie bei den vielen Podiumsdiskussionen der vergangenen Wochen. Dabei erwähnt sie häufig „meine Mutter“ und „München“. Über Würzburg weiß sie natürlich weniger als die beiden Mitbewerber, die seit fünf Jahren im Rathaus tätig sind – was Martin Heilig (Grüne) und Judith Roth-Jörg (CSU) sie auch spüren lassen. Beide schüttelten zum Beispiel die Köpfe als Stamm bei der Wahlarena der Main-Post erwähnte, dass es in Würzburg 1000 Wohnungslose gebe. Dabei hatte Stamm recht: Die Zahl stimmt.
Stamm ist als Nicht-Würzburgerin und ohne Partei die Außenseiterin des Wahlkampfs. Eine Rolle, die ihr, laut ihrem Schulfreund Stefan Kammhuber, durchaus liegt: „Claudia war immer furchtlos“, erinnert er sich. „Sie lässt sich nicht einschüchtern und steht für ihre Prinzipien ein.“
Claudia Stamm
Alter: 54
Studium: Politikwissenschaften und Philosophie.
Beruf: Journalistin, Beraterin für Politik und Rhetorik
Politischer Werdegang: 2008 bis 2017 Landtagsabgeordnete der Grünen, bis 2018 parteilos im Landtag, 2012 Grünen-Kandidatin bei der Landratswahl in Ansbach, 2017 Gründung der Partei Mut.
Familienstand: verwitwet, zwei Töchter
Die Aussagen klingen nicht besonders verbindlich und wenig engagiert: Sie ist "von jemandem aus der CSU auf die Idee gebracht worden" (OB-Kandidatur) und „gaben mir das Feedback, dass ich das kann“ (Komunalpolitik) wirken wenig selbstbewusst und überzeugt. Mittlerweile sind wohl alle einig, dass die Multifunktionsarena extrem wichtig für die kulturelle und tagungs-technische Entwicklung der Stadt ist. Und die Straba ist zwar ein schon ewig nerviges Thema, aber sie ist doch finanziert, soweit ich weiß!?
Toller Beitrag, der allerdings auch schon längst überfällig ist. Es gibt und gab sehr viel klarzustellen, denn leider war es eine sehr schwache Leistung den beiden aktuellen Bürgermeistern recht zu geben bzw. keinen Faktencheck durchzuführen, obwohl Frau Stamm (Zahl der Wohnungslosen) richtig lag. Das erkennt man allerdings bei vielen weiteren Themen. Herr Heilig und Frau Roth-Jörg versprechen Alles (Arena, Straba 6, Surfwelle…..), die Frage nach der Finanzierung stellt niemand??? Wie kann das sein??? Frau Stamm legt sich da als Einzige nicht fest und das ist auch gut so. Die Schulen alleine haben 450 Millionen Euro Sanierungsstau…. Damit kann man doch nicht werben und sagen „wir haben so viel erreicht“. Würzburg braucht eine OB mit dem Blick von Außen, eine OB die auch unbequeme Wahrheiten ausspricht. Liebe Claudia Stamm, ich hoffe Würzburg wählt Sie um endlich wieder die notwendigen Fortschritte zu erzielen.
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